Ruprecht Polenz &bsp;
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Die Sache mit dem leeren Plenum

Der Eindruck ist wirklich fatal: Eine Rednerin am Pult und unten im Saal nicht mehr als ein Dutzend Zuhörer. Kümmert die Abgeordneten ihre eigene Parlamentsarbeit nicht?

Dieses Vorurteil ist so alt wie der Bundestag. Und es ist heute noch so falsch wie vor vierzig Jahren. Paradox, aber wahr. Ich wäre ein ausgemachter Faulpelz, wenn ich pausenlos nur im Plenarsaal säße, denn dann hätte ich keine Zeit, bei Anhörungen Expertenwissen abzufragen; ich könnte mich nicht um meine Besuchergruppen und um meine Post kümmern. Ich würde auch keine Kontakte halten zu Fachleuten aus den Ministerien und Verbänden, die bei der Gesetzgebung ein wichtiges Wort mitzureden haben. Ich könnte nicht einmal meine eigene Rede vorbereiten, wenn ich nur als stummer Zuhörer der Debatte lausche. Das kann ich aber schon eher, wenn ich die Plenarsitzungen in meinem Büro verfolge. Jedes Abgeordneten-Büro ist mittels einer Fernseh-Direktübertragung mit dem Plenarsaal verbunden.

Josef Vossen von der SPD hat eine Erklärung für das überwiegend leere Plenum gefunden; er vergleicht das Hohe Haus mit einer Bäckerei:  
"In der Backstube wird gebacken, am Tresen wird verkauft, aber der Bäckermeister sitzt selten im Schaufenster"[FAZ-Magazin 1996].

Kein Parlamentarier kann sich fünfteilen; also kann keiner alle wesentlichen Termine der Sitzungswoche gleichzeitig wahrnehmen. Wenn ich mir also die wichtigsten Ter-mine in meinen Kalender schreibe, dann ist es vernünftig und wichtig, bei der Ab-stimmung im Plenarsaal zu sein. Die Debatte zuvor kann ich getrost den fachkundi-gen Kollegen aus der Fraktion überlassen. Und das umso mehr, als ich das Thema mit ihnen in der Fraktionssitzung bereits diskutiert habe.

ÜBRIGENS: PARLAMENTE, DIE IMMER BIS AUF DEN LETZTEN PLATZ BESETZT SIND, GIBT ES NUR IN POLITISCHEN SYSTEMEN, IN DENEN DIE PARLAMENTE UND DIE PARLAMENTARIER NICHTS ZU SAGEN HABEN.