Ruprecht Polenz

Polenz im Interview zum Konflikt zwischen Israel und der Hamas

Ruprecht Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, im Gespräch mit Rudolf Geissler für das SWR2 Tagesgespräch, vom 15.11.2012.

Zum Konflikt zwischen Israel und der Hamas: "Es ist sicherlich eine Eskalation zu befürchten"

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU) befürchtet eine weitere "Eskalation" des aktuellen Konflikts zwischen Israel und der Hamas. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Polenz, die Hamas werde auf die gezielte Tötung ihres Kommandeurs al-Dschabari vermutlich mit "Vergeltungsaktionen" reagieren. Israel habe sicherlich "alles Recht", sich gegen die Raketenangriffe zu wehren und al-Dschabari wegen seiner früheren Mitverantwortung für Selbstmordanschläge zur Rechenschaft zu ziehen. Allerdings habe er sich "gewundert", sagte Polenz, dass al-Dschabari zu diesem Zeitpunkt getötet worden sei. Schließlich habe der militärische Hamas-Führer eben erst im offiziellen Auftrag seiner Palästinenserorganisation versucht, die Raketenattacken auf Israel zu unterbinden. Der jüngste Beschuß israelischer Städte sei auch nach Informationen der Vereinten Nationen nicht auf die Hamas, sondern auf radikale salafistische Gruppen zurück zu führen.

Wortlaut des Live-Gesprächs:
Geissler: Die Lage in und um Syrien ist unser verabredetes Thema heute Morgen, dazu kommen wir auch gleich, aber wenn es um die Region insgesamt geht, sollte uns da möglicherweise das mehr beunruhigen im Moment, was zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen seit gestern in Gang gekommen ist.

Polenz: Es ist sicherlich eine Eskalation zu befürchten, nachdem Israel gezielt den militärischen Führer der Hamas al-Dschabari getötet hat. Um gleich klar zu machen, Israel hatte sicherlich alles Recht, sich gegen die Raketenangriffe zu wehren, und es gab wahrscheinlich auch eine Rechtfertigung dafür, al-Dschabari wegen seiner früheren Taten auf diese Weise zur Verantwortung zu ziehen, immerhin ist er auch für Selbstmordanschläge verantwortlich. Was mich nur gewundert hat, ist, dass al-Dschabari, der ja für die Hamas dafür sorgen sollte, und auch es versucht hat, den Raketenbeschuss zu unterbinden - denn der ist nach dem, was ich auch von den Vereinten Nationen gehört habe, nicht von der Hamas ausgegangen, sondern von radikalen salafistischen Gruppen - dass man ihn jetzt umbringt, das hat mich schon verwundert.

Geissler: Sie sagen, Eskalationspotential steckt in dieser Entwicklung. Halten Sie einen israelischen Einmarsch in den Gazastreifen für wahrscheinlich?

Polenz: Nein, das hoffe ich nicht, aber die Eskalation kann natürlich jetzt weiter gehen. Ich fürchte, dass es Vergeltungsaktionen der Hamas geben wird, mit wiederum erneuten, stärkeren Vergeltungsaktionen von israelischer Seite. Also das Potential, es gegenseitig zu eskalieren, ist
in jedem Falle da. Ich sehe im Augenblick auch nicht, wer verhandelt und Kontakte aufnimmt, um die Eskalation zu unterbinden, zumal ja auch Ägypten jetzt den Botschafter aus Israel abgezogen hat. Also die Entwicklung finde ich schon beunruhigend.

Geissler: Diese Entwicklung um Gaza verschärft die Lage in der Nahost-Region insgesamt, bei der ja Syrien - und jetzt kommen wir dazu - im Vordergrund der Beobachtung steht. Israel wurde dieser Tage ja auf den Golanhöhen praktisch direkt auch in den Bürgerkrieg dort einbezogen. Im Schatten der Kämpfe hat in Syrien dieser Tage eine nationale Koalition von Oppositionsgruppen sich zusammengeschlossen, die den Anspruch erhebt, die einzige legitime Vertretung des syrischen Volkes zu sein und Frankreich hat sie exakt als solche anerkannt. Die USA ausdrücklich noch nicht.
Welchem der beiden westlichen Verbündeten sollte die Bundesregierung da folgen?

Polenz: Also ich finde es wichtig, dass die internationale Gemeinschaft möglichst geschlossen handelt. Soweit ich das verfolgen konnte, auch nur über Presseberichte, hat sich in Doha schon eine sehr breite Koalition zusammen gefunden ...

Geissler: ... dort war diese Konferenz...

Polenz: ... dort war diese Konferenz, wo man sich jetzt auch über den bisherigen syrischen Nationalrat hinaus zusammen gefunden hat, auch mit Rebellen aus dem Inneren des Landes.
Was ich positiv fand war, weil ich ihn auch persönlich schon vor Jahren kennengelernt habe, dass Herr Seif eine wichtige Rolle in dieser Koalition spielt. Herr Seif war einer der Gründer der Damaskus-Erklärung, schon vor vielen Jahren. Hat lange im Gefängnis gesessen, ein sehr honoriger Politiker in Syrien, der ist dort stellvertretender Vorsitzender geworden. Ich tendiere eher dazu, dass man jetzt auch mit dieser Gruppierung in einer Weise zusammen arbeitet, dass man sagt, ja wir sehen euch als legitime Vertreter, allerdings haben wir auch bestimmte Erwartungen, was etwa Garantieerklärungen auch für die Minderheiten in Syrien angeht und für
die Zeit nach Assad.

Geissler: Die Rebellen, die Oppositionsgruppen, verlangen inzwischen Waffen vom Westen. Bisher bekommen sie die offiziell nur von den Saudis und aus Katar. Welche Voraussetzungen müssten aus Ihrer Sicht erfüllt sein, damit diese nationale Koalition tatsächlich mit Waffen beliefert wird?

Polenz: Ich wäre da nach wie vor zurückhaltend. Ich bin nach wie vor sehr skeptisch, ob der Weg, den Bürgerkrieg praktisch bis zum bitteren Ende auszukämpfen, der einzige und vor allen Dingen auch der richtige ist. Ich fände es nach wie vor besser, wenn ein erneuter Anlauf im Sicherheitsrat unternommen würde. Jetzt, nachdem die amerikanischen Präsidentschaftswahlen vorbei sind, haben vielleicht die USA auch noch andere Möglichkeiten mit Russland zu sprechen, um Russland zu einer Veränderung des Kurses zu bringen, der ja bisher darin bestand, dass man seine schützende Hand über Assad gehalten hat.

Geissler: An den Grenzen Syriens, zu fast allen Nachbarstaaten, gibt es immer mehr Scharmützel, ich habe schon erwähnt, auch auf den Golan Höhen. Aber ausgerechnet die Israelis haben auch verwundert festgestellt, eigentlich könnte Assad selbst kein Interesse an Provokationen oder gar an einem Krieg mit Israel haben. Da flammt der Verdacht auf, dass die Rebellen es sind, die eine internationale Eskalation provozieren wollten. Halten Sie das für ausgeschlossen?


Polenz: Nein, für ausgeschlossen kann man, glaube ich, in einer solchen Situation nahezu nichts halten. Ich weiß nur aus den Berichten, die wir bekommen haben, dass die ersten Zwischenfälle an der syrisch-türkischen Grenze doch sehr eindeutig der syrischen Armee zuzurechnen waren. Das hat man an den Geschossen festgemacht, die eben aus Waffen stammten, schweren Haubitzen, über die die Rebellen nicht verfügen. Wobei die Interpretation dann auch die war, dass möglicherweise die syrische Armee nicht so genau zielen konnte im Grenzgebiet und es eher ein Versehen war, dass die Schüsse auf türkischem Gebiet eingeschlagen sind.

- Ende Wortlaut -