Ruprecht Polenz im SWR2-Tagesgespräch, vom Freitag, 5.4. im Interview mit Rudolf Geissler:
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), sieht Hinweise darauf, dass der Iran bei den neuen Verhandlungen über sein Atomprogramm erstmals „ernsthaft in eine Kosten-Nutzen-Analyse“ einsteigt. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Polenz, der „Neustart“ der 5+1-Gespräche Anfang des Jahres im kasachischen Almaty sei schon „ganz erfolgreich“ gewesen. Die internationalen Sanktionen hätten Teheran offenbar zum Überlegen gebracht, ob sich ein militärisches Nuklear-Programm wirklich lohne, oder ob „es nicht vielleicht doch klüger“ sei, davon abzulassen. Trotz gewisser Parallelen zwischen den atomaren Ambitionen Teherans und denen in Pyöngyang bestehe einer der markanten Unterschiede darin, „dass dem Iran sein Bild in der Welt nicht so gleichgültig“ sei, wie das offensichtlich für Nordkorea gelte, sagte Polenz. Nordkorea sei völlig isoliert, während der Iran Wert darauf lege, „in der Völkergemeinschaft anerkannt zu werden“.
Geissler: In Almaty in Kasachstan geht es heute Abend in eine neue Runde der Atomgespräche mit dem Iran. Teherans Vertreter treffen sich dort mit den Unterhändlern der so genannten 5+1-Staaten. Die fünf, das sind die Veto-Mächte des UNO-Sicherheitsrates, die Amerikaner, Russen, Chinesen, Briten und Franzosen, plus eben Deutschland als Mitverhandler an deren Seite. Gespräche zu einer Zeit, in der eigentlich alle Welt auf Nordkoreas Atompolitik schaut. Gehen Sie davon aus, dass die Verhandlungen mit dem Iran unbeeinflusst bleiben von dem, was gerade in Ostasien vor sich geht.
Polenz: Nein, ich denke, die Dinge hängen schon ein bisschen miteinander zusammen. Einmal, weil Iran und Nordkorea eine ziemlich enge Zusammenarbeit haben, möglicherweise auch auf dem Feld der Nukleartechnologie. Zum anderen aber, weil die Anstrengungen der EU-3+3 oder 5+1, wie Sie gesagt haben, ja mit der ganzen Weltgemeinschaft darauf hinauslaufen, dass es keine neuen Atomwaffenstaaten auf dieser Welt geben soll, weder Nordkorea noch den Iran.
Geissler: Auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar hatten Sie den Iran mit einem Geisterfahrer verglichen, der davon ausgeht, dass nicht er, sondern alle anderen in die falsche Richtung wollen. Wenn dieses Bild stimmt, dann würde Teheran praktisch genauso ticken wie wir im Moment die nordkoreanische Führung erleben. Oder wo sehen Sie da markante Unterschiede?
Polenz: Also es ist wirklich ein Unterschied darin zu sehen, dass dem Iran sein Bild in der Welt nicht so gleichgültig ist, wie das offensichtlich für Nordkorea gilt. Nordkorea ist völlig isoliert. Der Iran möchte sich eigentlich nicht isolieren. Er legt auch Wert darauf, in der Völkergemeinschaft anerkannt zu werden. Allerdings verhält er sich nicht so.
Geissler: Nun laufen ja die 5+1-Verhandlungen schon Jahre, und es gab zwischendrin immer wieder mal Hoffnung, dass es bald zu einem Durchbruch kommen könnte. Dieser Optimismus ist vor der Runde jetzt auch wieder zu hören gewesen. Gibt es nach Ihrem Eindruck dieses Mal handfestere Gründe dafür als früher?
Polenz: Das ist schwer zu sagen. Auf der einen Seite kann man schon davon ausgehen, dass die scharfen Sanktionen, die die Weltgemeinschaft und vor allem dann auch verschärfend noch die Europäer, die Amerikaner und andere westliche Staaten gegen den Iran verhängt haben, dass die wirken und dass der Iran jetzt doch ernsthaft in eine Kosten-Nutzen-Analyse eintritt, was kostet es, wenn man an diesem Nuklear-Programm festhält und wäre es nicht vielleicht doch klüger, davon abzulassen. Zum anderen war die erste Verhandlungsrunde jetzt von dem Neustart her in Almaty ganz erfolgreich gewesen. Man ist in einen Prozess gekommen und man hat auch einige Indizien dafür, dass der Iran sich sehr wohl bewusst ist, dass er bestimmte rote Linien nicht überschreiten sollte.
Geissler: Dem Iran soll angeblich dieses Mal ein Angebot gemacht werden, das für ihn sehr verlockend sein könne, heißt es. Wissen Sie da Näheres?
Polenz: Nein, aber ich gehe mal davon aus, es geht nach wie vor um das Einstellen der Anreicherung auf 20 Prozent und die Anlage in Fordo auf der einen Seite, und eine mögliche Aufhebung von bestimmten Sanktionen auf der anderen Seite. Aber das alles kann nur Hand in Hand gehen und nicht (ein) Versprechen gegen tatsächliche Handlungen auf unserer Seite. Der Iran muss auch liefern.
Geissler: Ganz ähnlich klingt das, was Diplomaten hinter vorgehaltener Hand sagen. Es gehe darum, dass der Iran seine Urananreicherungsanlage in Fordo aber jetzt behalten soll, behalten können soll, und dass er Uran bis zu 20 Prozent anreichern dürfe. Beides war bisher vom Westen abgelehnt worden. Wenn es so wäre, wäre das zielführend aus Ihrer Sicht?
Polenz: Es kommt letztlich darauf an, dass wir objektive Garantien dafür haben, dass der Iran kein militärisches Nuklearprogramm verfolgt. Das ist im wesentlichen eine Frage der Transparenz und der Kontrolle. Wenn der Iran hier endlich Bewegung zeigt, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag ratifiziert und in Kraft setzt und sich entsprechend verhalten würde, dann wäre das ein Schritt, wo man mehr Vertrauen in den Iran haben könnte.
Geissler: Transparenz, das ist so eine Sache in diesem Fall. Diese Urananreicherungsanlage in Fordo, ist das nicht die, die inzwischen so verbunkert ist, dass sie gar nicht mehr zerstört werden könnte, selbst wenn man es wollte?
Polenz: Es kommt wahrscheinlich auf die Art der Waffen an, die man einsetzt, und wer die hat. Aber richtig ist sicherlich, 90 Meter tief unter der Erde in festem Gestein, das hat normalerweise mit ziviler Kernenergienutzung nicht viel zu tun.
Geissler: Dann wäre dieses neue Angebot aber eher sowas wie: sich abfinden mit dem, was wir eh nicht mehr ändern können, oder?
Polenz: Nein, wenn man die Anlage kontrollieren kann, wenn dort Kameras installiert sind, die einem ständig einen Eindruck davon vermitteln, was da passiert, wenn Kontrolleure sich auch unangemeldet davon überzeugen können, dass es bei den zugestandenen Anreicherungsgraden bleibt, dann muss das das nicht bedeuten.
Geissler: Wenn nun der Iran tatsächlich über kurz oder lang so ein Angebot in diese Richtung akzeptieren würde, dann wäre eine heimliche atomare Bewaffnung des Landes ausgeschlossen oder wäre das so sicher auch nicht?
Polenz: Eine absolute hundertprozentige Sicherheit wird man erst dann haben, wenn der Iran grundsätzlich seine ganze Politik ändert. Aber wir sind schon ein ganzes Stück sicherer als bisher, wenn die Internationale Atomenergiebehörde ungehindert, unangemeldet überall kontrollieren könnte, wo sie das für notwendig hält. Soweit sind wir allerdings bisher nicht.