Ruprecht Polenz

Polenz fordert Ermittlungen des Strafgerichtshofs in Syrien

Ruprecht Polenz am 06. September im Deutschlandradio Kultur.

Ein UN-Auftag an den Internationalen Strafgerichtshof zur Untersuchung des Giftgas-Angriffs in Syrien könnte ein gemeinsames Vorgehen mit Russland einleiten, sagte Ruprecht Polenz. Einer solchen Initiative könne sich Putin "nicht widersetzen", so der CDU-Außenpolitiker.

Hanns Ostermann: Ungewöhnliche Signale sind das, die uns da aus Teheran erreichen. Noch vor Kurzem bezeichnete der "kleine Straßenfeger des Volkes", wie sich Mahmud Ahmadinedschad selbst nannte, Israel als Krebsgeschwür, der Staat müsse ausradiert werden. Und jetzt gratuliert der neue Präsident Hassan Rohani ausdrücklich allen Juden zum Neujahrsfest. Und damit nicht genug: Er nahm sich auch den eigenen Klerus zur Brust: Wir müssen den Menschen die Wahrheit sagen, toleranter und offener werden, forderte er. Was bedeuten diesen Nachrichten? Darüber spreche ich mit Ruprecht Polenz von der CDU, er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Polenz!

Ruprecht Polenz: Einen schönen guten Morgen!

Ostermann: Wie ernst, wie glaubwürdig sind diese Gesten und Botschaften Rohanis?
Polenz: Rohani möchte sicherlich erst einmal so verstanden werden, dass er eine Kurskorrektur in der iranischen Außenpolitik ankündigt und auch verwirklichen will, weniger konfrontativ. Aber sicherlich hat er auch bestimmte Interessen des Iran weiterhin im Blick, die auch er verfolgen wird. Beispielsweise wird auch Rohani nicht von der Urananreicherung abgehen. Aber er ist möglicherweise bereit, über eine viel intensivere Kontrolle der iranischen Nuklearaktivitäten durch die Internationale Atomenergiebehörde mit sich reden zu lassen.

"Rohani hat eine gewisse Legitimation, […]vor allen Dingen auch politisches Gewicht"

Ostermann: Jetzt hat er auch noch den Atom-Chefunterhändler ausgetauscht, der Hardliner, der es bisher war, ist nicht mehr da. Ist auch das ein Zeichen, das durchaus positiv stimmen könnte?

Polenz: Das denke ich schon, allerdings muss man auch hier wissen: Letztlich hat gerade auch in der Nuklearfrage der geistige Führer das letzte Wort, Rohani weiß das selbst aus seiner Zeit als Chef-Unterhändler sehr genau. Als er damals mit den Außenministern von Frankreich, Großbritannien und Deutschland verhandelt hat und dann die Verhandlungen schwierig wurden, dann hat er nicht den damaligen Präsidenten Chatami angerufen, sondern den geistigen Führer Chamenei, und um neue Weisung gebeten. Also, die letzte Entscheidung trifft im Iran immer noch der geistige Führer, aber Rohani hat eine gewisse Legitimation, ein vor allen Dingen auch politisches Gewicht durch das Abstimmungsergebnis bei den iranischen Präsidentschaftswahlen, was er jetzt versucht zu nutzen.

Ostermann: 2009 hatte sich Barack Obama per Video an die iranische Bevölkerung gewandt, auch da lieferte das Neujahrsfest den Anlass, um die Eiszeit zu beenden. Knüpft Rohanis Tweet an diese Botschaft oder ist das Kaffeesatzleserei?

Polenz: Nein, ich würde es einen Schritt nennen, ein vorsichtiges Herantasten. Die Älteren werden sich an die Pingpong-Diplomatie zwischen den Amerikanern und Chinesen zur Zeit des amerikanischen Präsidenten Nixon erinnern: Da hat man auch erst mal vorsichtig Signale ausgesandt nach langer Eiszeit und nicht miteinander gesprochen, die einen gewissen Good Will erzeugen sollten. So verstehe ich jetzt auch diesen Neujahrswunsch an die Juden in der Welt. Da sind natürlich - und das ist schon etwas Besonderes und etwas Neues - auch die Juden, die in Israel leben, einbegriffen gewesen.

Ostermann: Und im Verhältnis zu Israel fällt auf, dass auch Benjamin Netanjahu zurückhaltender geworden zu sein scheint. Es gab das Stillhalteabkommen bis zu den US-Wahlen. Jetzt hat man den Eindruck, die Kriegsrhetorik gegenüber Teheran ist schwächer geworden. Deutet sich da ein anderer, vielleicht ein entspannterer Umgang miteinander an?

Polenz: Israel ist sicherlich weiterhin sehr besorgt wegen des iranischen Nuklearprogramms und noch ist ja in der Sache kein wirklicher Fortschritt erreicht. Andererseits halte ich es für klug, wenn Israel jetzt auch versucht, auf die Signale aus dem Iran zu achten und nicht alles in das bisherige Bild, was man von diesem Land hat, einzufügen. Denn sonst nimmt man Veränderungen, auch wenn sie erst 'mal nur in Nuancen sichtbar werden, nicht wirklich wahr und kann dann auch nicht angemessen darauf reagieren. Insofern finde ich es schon gut, dass Israel jetzt auch stärker zu beobachten scheint, aber natürlich nach wie vor voll beträchtlicher Sorge ist.

"Internationale Gemeinschaft muss eine Antwort auf diesen Chemiewaffeneinsatz finden"

Ostermann: In Sankt Petersburg geht es derzeit natürlich auch um Syrien und die mögliche militärische Intervention der USA. Herr Polenz, welche Folgen hätten Bomben für Rohani, für seine Politik?

Polenz: Eine Eskalation in Syrien hat Auswirkung auf die Region, deshalb sind ja alle Bestrebungen darauf gerichtet, zu einer politischen Lösung zu kommen, zu einer Konferenz in Genf, der sogenannten Genf-II-Konferenz mit allen Konfliktparteien am Tisch und auch den wichtigsten Nachbarn. Bei einer solchen Konferenz müsste auch der Iran eine gewisse Rolle spielen, ob am Konferenztisch direkt oder sonst mit einbezogen. Denn der Iran ist ein Verbündeter von Assad und hat ein gewichtiges Wort mitzureden. Also, eine Eskalation macht solche Bemühungen schwieriger. Auf der anderen Seite ist auch klar, die internationale Gemeinschaft muss eine Antwort auf diesen Chemiewaffeneinsatz finden, damit er sich nicht wiederholt und damit dieser Tabubruch nicht dazu führt, dass das Chemiewaffenabkommen von 1925, dass diese schrecklichen Massenvernichtungswaffen ächtet, immer mehr ausgehöhlt wird.

Ostermann: Die Frage ist nur, wie man darauf reagiert. Haben Sie noch die Hoffnung, dass sich insbesondere Barack Obama und Wladimir Putin in Sankt Petersburg etwas näher kommen in dieser Frage?

Polenz: Die Berichte vom gestrigen Abend deuten ja nicht darauf hin. Auf der anderen Seite hat auch Putin gesagt, wenn es denn unmissverständliche Beweise gäbe, dann wäre er auch dabei, in Syrien energisch durchzugreifen. Nur, das setzt ja voraus, dass man dann auch die Untersuchung nicht blockiert. Und das hat Putin ja in einer gewissen Weise lange versucht. Er hat sich gegen die UN-Inspektoren gewehrt und er hat dann dafür gesorgt, dass die UN-Inspektoren zu der Frage, wenn es einen Einsatz gab, wer denn dafür verantwortlich ist, sich nicht äußern dürfen. Ich denke, der Sicherheitsrat sollte den Internationalen Strafgerichtshof mit der Untersuchung beauftragen und ihm auch die dafür erforderlichen Mittel und Unterstützung zur Verfügung stellen - dem kann sich Putin eigentlich nicht widersetzen. Denn wer hieb- und stichfeste Beweise fordert, aber Untersuchungen blockiert, der würde ja gemeinsame Sache mit den Tätern machen.

Ostermann: Ruprecht Polenz von der CDU, er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Herr Polenz, danke für das Gespräch bei uns im Deutschlandradio Kultur!

Polenz: Auf Wiederhören, vielen Dank!