Ruprecht Polenz

Ruprecht Polenz „Das ist ein Rückschlag“

Interview zur neuen Kosovo-Krise mit der FR vom 29.7.2011
CDU-Politiker Ruprecht Polenz spricht über die Auswirkungen der neuen Kosovo-Krise auf das Verhältnis zur EU.

Herr Polenz, waren Sie überrascht, dass es nach einer relativ langen Phase der Ruhe nun zu so einer Eskalation zwischen Serbien und dem Kosovo gekommen ist?

In bin schon überrascht. Allerdings musste man damit rechnen. Deswegen braucht es auch noch eine internationale Militärpräsenz im Kosovo.

Können die Vorgänge am Grenzübergang Jarinje den zaghaft beginnenden Annäherungsprozess zwischen Belgrad und Pristina ernsthaft gefährden?

Das ist schon ein Rückschlag. Es ist eine Situation entstanden, die leicht noch weiter aus dem Ruder laufen kann. Belgrad und Pristina sind deshalb dringend aufgefordert, jetzt unmittelbar zur Deeskalation beizutragen.

Und wie?
Beide Seiten müssen aufhören, sich gegenseitig zu beschuldigen und die jeweiligen Heißsporne zur Ruhe bringen. Auch wäre ein Ausdruck des Bedauerns angebracht. Die Untersuchung der Vorfälle muss vollständig der EU-Mission im Kosovo überlassen werden. Nur sie ist in der Lage, die Angelegenheit neutral zu bewerten und polizeilich sauber zu untersuchen. Auch sollte sich der UN-Sicherheitsrat in New York mit dem Problem befassen.

Serbien will bis Ende des Jahres den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Geht das noch nach den jüngsten Zwischenfällen?

Die Vorfälle sind sicherlich alles andere als förderlich für den weiteren Weg Serbiens in Richtung Europäische Union. Es wird nun viel davon abhängen, was Belgrad jetzt machen wird, um die Krise schnell zu beenden.

Und wie steht es um die kosovarischen Wünsche, der EU beizutreten.

Auch die Regierung in Pristina muss sich schleunigst bemühen, die Sache zu einem friedlichen Ende zu bringen. Das eigentlich Widersinnige an dem Streit um den Import von Produkten aus dem jeweils anderen Seite ist doch: Beide Länder wollen in die Europäische Union. Die EU ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass Grenzen keine große Rolle mehr spielen und dass es vor allem einen freien Warenaustausch gibt. Und an einer Grenze, deren Bedeutung man durch einen Beitritt zur EU vermindern will, lassen beide Seiten einen Konflikt eskalieren. Belgrad und Pristina sollten sich einmal selbst fragen, wie ernst sie es mit dem Beitrittswunsch eigentlich meinen und was sie dafür tun wollen.

Der jetzt wieder ausgebrochene Streit zeigt womöglich, dass das Kosovo doch zu früh international anerkannt und in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Sehen Sie das auch so?

Nein, das sehe ich anders. Die Sache ist entschieden. Je eher alle Beteiligten – und dazu zähle ich ausdrücklich die Serben im Nord-Kosovo – das akzeptieren, umso besser für alle.

Also ist eine Teilung des Kosovo in einen Nordteil, in dem mehrheitlich Serben leben, und in einen Südteil mit kosovarischer Bevölkerungsmehrheit, keine Option mehr?

Das ist für immer vom Tisch.

Das Interview führte Damir Fras
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