Der Fall Gaddafis in Libyen ist zum Greifen nahe.
Welchen Beitrag kann die Bundesregierung nun leisten, um das Land zu unterstützen? Im Interview mit der Rheinischen Post spricht der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU) am 23.08.2011 über die Zukunft Libyens.

Welchen Beitrag kann Deutschland für die Demokratisierung in Libyen leisten?

Polenz Wir sind als Bundesrepublik Deutschland Mitglied der Kontaktgruppe, die schon in mehreren Treffen Maßnahmen für die Zeit nach dem Sturz Gaddafis vorbereitet hat. Wir werden sicherlich Hilfe beim Aufbau demokratischer Institutionen wie Verwaltung und Justiz anbieten. Gleiches gilt für die Organisation einer verfassunggebenden Versammlung und spätere Parlamentswahlen. Diese Dinge stehen jetzt an, wenn es der Übergangsrat schafft, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.

Libyen gilt als ein Land rivalisierender Stammesgruppen. Wie hoch sind die Chancen, dass da eine politische Einigung gelingt?

Polenz Im Land herrscht eine große Erleichterung, dass die diktatorische Herrschaft zu Ende geht. Man hat dort aber in der Tat wenig Übung, die unterschiedlichen Interessen zwischen West und Ost, den verschiedenen Stämmen und in der libyschen Gesellschaft, friedlich zu diskutieren und Kompromisse zu schließen. Dafür muss sich erst ein Parteienspektrum herausbilden. Auch dabei kann Deutschland mit den politischen Stiftungen hilfreich sein, wie wir das in Ägypten und Tunesien auch tun. Auch die Libyer haben gesehen, was im Irak schiefgegangen ist, und werden alles daransetzen, dies nicht zu wiederholen.

Ist es ausgeschlossen, dass am Ende doch die Bundeswehr nach Libyen geht?

Polenz Dieses Szenario sehe ich nicht. Der Übergangsrat und die siegreichen Aufständischen müssen dafür sorgen, dass die militärischen Machtmittel unter einen gemeinsamen Oberbefehl kommen und dass Ruhe einkehrt. Das ist primär eine Aufgabe für die Libyer selbst. Ich sehe auch nicht, dass der Übergangsrat dazu ausländische Hilfe anfordern wird.

Besteht die Gefahr, dass in Libyen ein Islamstaat entsteht?

Polenz Es ist viel zu früh, Prognosen darüber abzugeben, welche politischen Kräfte sich bei hoffentlich freien und fairen Wahlen im Laufe des nächsten Jahres durchsetzen werden. Generell kann man sagen, je offener die Diskussion und je größer der politische Wettbewerb ist, desto weniger groß ist die Gefahr, dass sich islamistische Ideologen durchsetzen.

Was muss mit Gaddafi geschehen?

Polenz Der Sicherheitsrat hat sich festgelegt, dass Gaddafi vor das internationale Strafgericht in Den Haag gehört. Es gibt internationale Haftbefehle gegen ihn, seinen Sohn und gegen den Geheimdienstchef. Ein solcher Prozess wäre das beste, weil er Gaddafi nach klaren rechtsstaatlichen Grundsätzen zur Verantwortung ziehen würde. Dazu ist die libysche Justiz auf absehbare Zeit nicht in der Lage. Dort läge der Verdacht nahe, es gehe weniger um Recht als um Rache.

Nachzulesen in der RP-Online
EVA QUADBECK FÜHRTE DAS INTERVIEW. - zuletzt aktualisiert: 23.08.2011