Ruprecht Polenz

"Steht ein Militärschlag bevor?" Polenz im Interview zum Streit im Iran

Ruprecht Polenz im Interview mit der mittelDeutschen Zeitung vom 1.12.2011.

Berlin/MZ.
 Der Streit mit dem Iran nimmt kein Ende. Im Gegenteil: Ein Krieg scheint nicht mehr ausgeschlossen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Die MZ beantwortet dazu wichtige Fragen.

Der Iran plant angeblich Anschläge auf US-Militärbasen in Deutschland. Ist das glaubhaft?

Ja. Das Land greift in seiner Außenpolitik zu allen Mitteln. Da ein Militärschlag der USA oder Israels gegen den Iran durchaus möglich ist, ist es wiederum wahrscheinlich, dass das Land sich präventiv dagegen wappnet. Je mehr der Westen von einem Krieg selbst betroffen wäre, desto eher wird er davor zurückschrecken.


Iranische Studenten haben zu Wochenbeginn die britische Botschaft gestürmt. Warum?

Der Iran weigert sich, sein Atomprogramm, das offenkundig auf die Produktion von Atomwaffen hinausläuft, einer internationalen Kontrolle zu unterwerfen. Die britische Regierung beschloss daraufhin, ihre Sanktionen zu verschärfen. Dies löste den Sturm auf die Botschaft aus.

Agierten die Studenten auf eigene Faust? Oder steckt vielmehr das Regime dahinter?

Eher Letzteres. Schon die Fernsehbilder zeigen, dass Polizisten nur halbherzig einschritten. Außerdem ist es in einem diktatorischen Regime kaum vorstellbar, dass Bürger in einem das ganze Land betreffenden Konflikt eigenhändig agieren, wenn sie sich nicht zumindest der klammheimlichen Zustimmung der Oberen gewiss sein können. "Diese sogenannte Demonstration hat nicht ohne Wissen und Wollen der iranischen Behörden stattfinden können", sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses und Iran-Kenner Ruprecht Polenz (CDU) .

Wer ist die treibende Kraft: Präsident Mahmud Ahmadinedschad oder die Mullahs?

Im Iran herrscht ein kompliziertes Machtgefüge. Augenzeugen berichten, dass an der Erstürmung Mitglieder der Bassidsch-Milizen teilgenommen haben, die auf der Seite des Präsidenten stehen. Diese Milizen wirkten an der Unterdrückung der demokratischen Rebellion vor zwei Jahren mit. Auffällig ist, dass das iranische Außenministerium erklärte, die Erstürmung sei spontan geschehen und nicht genehmigt gewesen.

Der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder schließt auch einen Militärschlag nicht aus. Mit Recht?

Oliver Thränert von der Stiftung Wissenschaft und Politik, findet: "Schon um den politischen Druck auf den Iran so hoch wie möglich zu halten, sollte keine Option von vornherein ausgeschlossen werden." Die meisten Experten sehen das ähnlich. Mit Blick auf Israel sagt Thränert: "Israel steht - sollte nicht doch Iran mittels Sanktionen oder anderer diplomatischer Aktivitäten von seinen nuklearen Plänen ablassen - vor einer sehr schwierigen Entscheidung, die gleichwohl nicht unmittelbar getroffen werden muss: Gibt es für Israel, wo die Erinnerung an die Shoa allgegenwärtig ist, einen Weg, mit einem nuklearen Iran zu leben, der Israel jegliches Existenzrecht abspricht? Oder soll man notfalls die iranische Bombe gewaltsam verhindern und die daraus vermutlich resultierenden Konsequenzen tragen? "

Ließe sich so ein Militärschlag denn begrenzen?

Die Israelis würden zunächst sicher nur mit Luftschlägen agieren - gegen mutmaßliche Atomanlagen und militärische Zentren. Von einem Bodenkrieg spricht niemand. Er wäre - siehe Afghanistan und Irak - auch unberechenbar. Wie der Iran reagieren und was daraus folgen würde, weiß kein Mensch. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde ein Krieg auf den Nahen Osten und damit Israel übergreifen. Die libanesische Hisbollah und die palästinensische Hamas stehen dem Iran nahe und wären ihm sicher zu Diensten. Das Eskalationsrisiko ist erheblich.

Was ist also zu empfehlen?

"Es muss jetzt um Sanktionen gehen, die der iranischen Führung wirklich wehtun, etwa hinsichtlich des Bankensektors", betont Sicherheitsexperte Thränert.

Womit ist also zu rechnen?

Das ist schwer zu sagen. Nicht wenig hängt auch davon ab, wie sich China und Russland, die Mitglieder im Weltsicherheitsrat sind, verhalten werden. Bisher hat sich die Lage in den letzten Jahren immer weiter verschärft - auch weil der Iran weiß, dass seinen Gegnern die militärische Option nicht wirklich zur Verfügung steht. Das könnte so weiter gehen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), schließt einen Militärschlag gegen den Iran im Lichte der neuesten Ereignisse nicht aus. "Es kann nicht schaden, wenn der Iran in Unsicherheit über weitere Gegenmaßnahmen lebt", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Freitag-Ausgabe), fügte aber hinzu: "Es ist ein Unterschied, militärische Optionen nicht auszuschließen oder damit zu drohen. Damit drohen sollte man nicht. Denn eine Drohung muss man irgendwann auch einlösen." Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder (CDU), hält einen Militärschlag ebenfalls für denkbar. Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Stinner, erklärte der "Mitteldeutschen Zeitung" zur aktuellen Eskalation zwischen dem Iran und dem Westen: "Das ist eine sehr bedenkliche Eskalation, für die der Iran die alleinige Verantwortung trägt. Ich könnte mir vorstellen, dass als Reaktion auf dieses völlig unverantwortliche Verhalten die Sanktionsschraube noch weiter angezogen wird. Das betrifft erstens den Boykott der iranischen Zentralbank mit der Folge, dass praktisch kein Zahlungsverkehr mit dem Land mehr möglich wäre, und zweitens ein Ölembargo. Wenn es dahin kommen sollte, dann hätte sich der Iran diese Eskalation selbst zuzuschreiben." Zuvor hatten iranische "Studenten" die britische Botschaft in Teheran gestürmt. Überdies war bekannt geworden, dass der Iran offenbar Anschläge auf US-Militärbasen in Deutschland plant.