Ruprecht Polenz

Ruprecht Polenz hält militärischen Eingriff für unmöglich

Ruprecht Polenz im Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung, am 28.05.2012

HALLE (SAALE)/MZ. "Entsetzt und erschüttert“ hat sich Bundesaußenminister Guido Westerwelle über die Angriffe auf Zivilisten in Hula gezeigt. „Die Verantwortlichen für dieses Verbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärte er. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), sagt, was er für möglich hält.

Das Gespräch führte Daniela Vates.

Herr Polenz, wie hat sich durch das Massaker die Lage verändert?

Polenz: Wenn mit Artillerie ein Wohngebiet beschossen wird, ist das ein Kriegsverbrechen. Baschar Assad kommt dem Punkt immer näher, an dem er sich vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag verantworten muss.

Er kommt dem Punkt immer näher, ist er da nicht schön längst?

Polenz: Ich bin dafür, ihm, wenn es irgendwie geht, den jemenitischen Ausweg offen zu halten, also Amtsverzicht zugunsten eines Übergangspräsidenten. Wir haben bei Gaddafi in Libyen gesehen: Als der internationale Haftbefehl ausgestellt war, hatte er nur noch die Möglichkeiten. Sieg, Tod oder Den Haag. Dadurch spitzt sich die Lage nochmal zu. Aber je brutaler die Ereignisse in Syrien sind, umso schwieriger wird die diplomatische Lösung.

Muss die internationale Gemeinschaft militärisch eingreifen?

Polenz: Ich sehe nach wie vor keine Möglichkeit für eine UN-gestützte Militärintervention. Der Sicherheitsrat wird diese Ermächtigung nicht geben. Außerdem bräuchte man in Syrien Bodentruppen – das wird kaum ein Land leisten können.

In Libyen haben internationale Luftangriffe den Konflikt mit entschieden.

Polenz: Ja, aber die Lage in Syrien ist anders. Die Regierungstruppen sind vor allem in Städten stationiert, und die Truppen der Opposition sind wesentlich schwächer als die libyschen Aufständischen.

Wie lässt sich der Konflikt in Syrien lösen?

Polenz: Der Schlüssel bleibt der Rückzug Assads. Das ist die Voraussetzung für eine Deeskalation. Der aussichtsreichste Weg ist, dass Russland ihm seine Unterstützung entzieht. Darauf müssen vor allem die arabischen Staaten hinwirken. Empfehlungen aus den USA oder Europa sind sicher nicht so wirksam.

Die Gewalt der syrischen Regierung scheint Russland schon bislang nicht abzuschrecken. Was sollte sie umstimmen?

Polenz: Die arabische Welt sortiert sich neu, und es geht auch darum, wer dort künftig welchen Einfluss hat.

Das heißt: die internationale Gemeinschaft muss ohnmächtig warten, bis Russland sich besinnt?

Polenz: Nein, wir müssen über Bande spielen und an vielen Stellen präsent sein. Die Zahl der Flüchtlinge in den syrischen Nachbarländern Libanon, Türkei und Jordanien sind dramatisch gestiegen. Da muss die internationale Gemeinschaft Hilfe anbieten. Und auch die syrische Opposition hat eine Aufgabe: Sie muss sicherstellen, dass es nicht schlimmer wird als vorher, wenn sie die Macht übernimmt. Dazu ist ein Bekenntnis zum religiösen Pluralismus nötig.