Ruprecht Polenz im Deutschlandfunk Interview vom 19.07.2012.
  
  CDU-Politiker warnt vor Gewaltspriarle in Syrien.
  Ruprecht Polenz im Gespräch mit Bettina Klein
  
  Zurzeit sieht alles danach aus, dass der Syrienkonflikt  "einem weiteren Höhepunkt entgegentreibt", sagt Ruprecht Polenz (CDU),  Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. "Keine Einigkeit"  erwartet er von der Abstimmung des UN-Sicherheitsrats über eine  Syrienresolution.
Bettina Klein: Am Telefon ist Ruprecht  Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen  Bundestag. Ich grüße Sie, Herr Polenz.    
Ruprecht Polenz: Guten Morgen, Frau Klein.    
Klein: Schauen wir auf die Vorgänge in Damaskus gestern. Hat der letzte Akt des Dramas in Syrien begonnen?    
Polenz:  Viele Kommentatoren schätzen das so ein, und es spricht in der Tat  dafür, dass der syrische Sicherheitsdienst, die Geheimdienste von ihrem  Nimbus verlieren, allmächtig, allgegenwärtig, allwissend zu sein, wenn  auf den innersten Zirkel des syrischen Machtapparats ein solcher  Anschlag verübt werden konnte. Also die psychologischen Wirkungen dieses  Anschlags werden erheblich sein und es spricht vieles dafür, dass sie  das Assad-Regime weiter entscheidend schwächen.    
Klein:  Und Sie gehen davon aus, dass wir es eher mit einer Art Wendepunkt als  mit einer weiteren Eskalation in der Zukunft zu tun haben?    
Polenz:  Nein, das will ich damit nicht sagen, denn eine Eskalation ist durchaus  zu befürchten, denn Assad könnte versucht sein, jetzt zu zeigen, dass  er die Sache noch unter Kontrolle hat, und die Befürchtungen gehen ja  auch dahin, dass seine Milizen, seine Streitkräfte, auf die er sich noch  verlassen kann, jetzt diese Anschläge rächen werden.    
Klein:  Aber es sieht schon danach aus, dass die Oppositionellen relativ nahe  an Assad und das Regime herangekommen sind, denn dieser Anschlag wurde  ja offenbar verübt wirklich aus dem innersten Zirkel der Macht. Was sagt  Ihnen das über das Kräftegewicht im Augenblick?    
Polenz:  Das zeigt eben, dass es bröckelt. Das ist, glaube ich, die  psychologische Botschaft, die auch beabsichtigt war. Man darf allerdings  - und insofern verstehe ich auch die Bewertung von Ban Ki Moon - nicht  übersehen, dass natürlich ein solcher Anschlag erst einmal auch das  Risiko einer weiteren Eskalation der Gewaltspirale mit sich bringt.  Deshalb hat Ban Ki Moon diesen Anschlag verurteilt. Es wäre viel besser,  man könnte den Konflikt, um den ja die ganze Welt sich im  Sicherheitsrat bemüht, zu deeskalieren, die Gewaltspirale zu stoppen,  auf diese Weise zu Ende bekommen. Es sieht jetzt alles danach aus, dass  er einem weiteren Höhepunkt entgegentreibt.    
Klein:  Sie sprachen Ban Ki Moon an, und der Weltsicherheitsrat hat, ich habe  es angedeutet, seine Sitzung über das Thema auf heute verschoben. Die  Hoffnungen auf die Bemühungen des Weltsicherheitsrates liefen in dieser  Frage weitgehend ins Leere. Wovon gehen Sie aus, welchen Einfluss werden  die Ereignisse gestern auf den Weltsicherheitsrat haben?    
Polenz:  Nach den russischen Äußerungen zu urteilen, fürchte ich, wird es auch  heute - die Abstimmung ist ja auf heute vertagt worden - keine Einigkeit  geben. Das ist in jedem Fall schlecht, denn angesichts der weiteren  Eskalation in Syrien wäre ein einmütiges geschlossenes Handeln im  Sicherheitsrat nötiger denn je. Und ich verstehe, dass die Vereinigten  Staaten jetzt von sich aus zu Maßnahmen, zu Sanktionsmaßnahmen gegen das  syrische Regime gegriffen haben. Das hat die Europäische Union mit  anderen Sanktionen ja auch schon vorher. Man sollte jetzt in Europa  prüfen, ob man sich den amerikanischen Sanktionen anschließt.    
Klein:  Und abgesehen von den Sanktionen heißt das aber für die  Weltgemeinschaft im Grunde, wenn man die Realität sieht, abwarten und  zuschauen?    
Polenz: Die  Möglichkeiten, direkt Einfluss zu nehmen, sind außerordentlich begrenzt.  Das haben die letzten eineinhalb Jahre gezeigt. Es bleiben die  Möglichkeiten, auf die syrische Opposition einzuwirken. Vor allen Dingen  bleibt die Möglichkeit, sich auf die Zeit danach vorzubereiten. Es gab  gestern Hinweise darüber, dass die Kontaktgruppe hier sehr konkrete  Überlegungen anstellt, welche Hilfe braucht ein Syrien nach Assad in  ökonomischer Hinsicht, und an diese ökonomischen Hilfen kann man  sicherlich auch Bedingungen knüpfen, die etwa die innere Verfasstheit  Syriens betreffen.    
Klein: Herr  Polenz, schauen wir noch kurz auf ein anderes Attentat gestern. Es gab  einen Bombenanschlag gegen israelische Touristen in Bulgarien mit  mindestens sieben Todesopfern, vielen, vielen Verletzten, und ich würde  deswegen gerne mit Ihnen darüber sprechen, weil in Israel inzwischen der  Iran dahinter vermutet wird. Gibt es auch aus Ihrer Sicht Anhaltspunkte  dafür?    
Polenz: Nein. Ich habe ja  bisher nur das lesen können - und selbst diese Nachrichten waren ja noch  nicht vollständig - über die Zahl der Opfer. Und sicher scheint mir  eines zu sein: Diese friedlichen israelischen Touristen wurden von  diesem Anschlag getroffen, weil sie Israelis sind, und das zeigt schon  auf eine politische Dimension dieses Anschlags hin, der gegen Israel  auch gerichtet ist, und darüber und wer dahinter steckt, das muss  aufgeklärt werden. Ich habe noch keine Aufklärungsergebnisse aus  Bulgarien gehört.    
Klein: Aber  birgt dieser Anschlag und die Interpretation, die wir aus Israel schon  gehört haben, das Potenzial für eine Eskalation, was den Iran angeht,  oder gilt nach wie vor die Analyse, vor den Wahlen in den USA passiert  ohnehin nichts, jedenfalls keine Militäraktion?    
Polenz:  Ich glaube, dass die Lage gegenüber dem Iran aus vielerlei Gründen  außerordentlich angespannt ist. Da trägt vor allen Dingen dazu bei, dass  die Nuklearverhandlungen bisher nicht richtig vom Fleck kommen, und  auch der Truppenaufmarsch im Golf deutet ja darauf hin, dass wir es mit  einer wachsenden Spannung zu tun haben. In einer solchen Lage sind  Anschläge wie der in Bulgarien, dessen Hintermänner bisher aus meiner  Sicht noch unklar sind, natürlich ein weiteres Element, um diese  Spannungen zu erhöhen. Ich denke, es ist trotz alledem vor allen Dingen  Besonnenheit gefragt, denn ohne eine klare Aufklärung dieses Falles  sollte man mit Verdächtigungen auch zurückhaltend sein. Man wird sie  schon belegen müssen.    
Klein:  Ruprecht Polenz, der Vorsitzende im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen  Bundestag. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Polenz.    
Polenz: Bitte schön!