Ruprecht Polenz

Frieden, Wohlstand und Demokratie bilden eine Triade, die am stabilsten ist, wenn man sie mit anderen teilt.

Ruprecht Polenz schriebt in der Atlantischen Initiative

Mein Beitrag in der Atlantischen Initiative

„Frieden, Wohlstand und Demokratie bilden eine Triade, die am stabilsten ist, wenn man sie mit anderen teilt. Genau dafür sorgt die europäische Integration.“

Dieser Satz des deutschen Diplomaten Dr. Eckard Lübkemeier[1] bringt auf den Punkt, worum es bei der europäischen Schuldenkrise tatsächlich geht. Die Debatte um die Stabilisierung des Euros dreht sich in den Medien und unter Politikern bislang primär um finanztechnische Aspekte. Die Fragen, wie führen wir die Schulden zurück und schaffen Vertrauen auf den Finanzmärkten, be­herrschen die Schlagzeilen. Vor allem was uns Europa kostet, steht im Vordergrund.
Ich glaube, dass wir uns stattdessen fragen müssen,

was uns Europa wert ist. Es ist richtig zu sagen, wir wollen angesichts der unvorstellbaren Summen, um die es geht, unseren Kindern und Enkeln keine überbordende Schuldenlast hinterlassen. Aber wollen wir ihnen nicht vor allem das hinterlassen, wovon die Nachkriegsgenerationen mehr als 60 Jahre lang profitiert haben, nämlich Frieden und Freiheit?

Diese Errungenschaften des vereinigten Europas sind einmalig. Ich halte es aber für einen Trugschluss zu glauben, dieser durch Integration geschaffene Frieden sei selbstverständlich und ein für alle mal gegeben. Erst die EU garantiert Frieden. Es ist die Basis für unseren Wohlstand und immer mehr unsere Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung.

Die europäische Friedensordnung als gegeben hinzunehmen, macht Platz für den Mythos, Deutschland zahle Milliarden für die europäischen Pleitestaaten, ohne Vorteile davon zu haben. Wer dies glaubt, irrt! Kein anderer Staat profitiert so von der europäischen Integration und der gemeinsamen Währung wie Deutschland. Es ist richtig, der Euro kostet uns viel. Zu teuer ist er nicht. Über 40 Prozent unserer Exporte gehen in die Eurozone, 60 Prozent in die EU. Neun Millionen Arbeitsplätze hängen in Deutschland direkt vom EU-Binnenmarkt ab. Der Euro hat zu einem regelrechten Exportboom geführt. Zwischen 1990 und 1998 exportierten wir jährlich 3 Prozent unserer Waren in die Europäische Union. In der Zeit von 1999 bis 2003 verdoppelte sich der Anteil auf 6,5 Prozent pro Jahr. Bis 2007 wurden daraus jeweils 9 Prozent. Und auch in den wirtschaftlich schwierigen Jahren 2008 und 2009 erzielten wir Zuwächse von 6,5 bzw. 9 Prozent pro Jahr.[2] Allein der Beitritt Polens zur EU hat bei uns 300.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Unsere Wirtschaft steht heute so gut da wie nie zuvor in der deutschen Nach­kriegsgeschichte. Das haben wir auch der gemeinsamen Währung zu verdan­ken.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass nur ein Mehr, nicht ein Weniger an Eu­ropa der Bewältigung der Krise und Wahrnehmung unserer Interessen dient. Wir müssen also weiter an der Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion und der Vertiefung der politischen Union arbeiten.

Gelingen wird dies nur, wenn Europa von seinen Bürgern gewollt wird und ge­lebt werden kann, wenn die Menschen ein demokratisches, wirtschaftlich pros­perierendes und sozial solidarisches Europa erfahren. Es liegt an uns, das zu verwirklichen. Das ist auch der einzige Weg, um die Erosion der öffentlichen Unterstützung für Europa zu stoppen.

Ruprecht Polenz, MdB ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages.


[1] Die Vermessung Europas, Dr. Eckhard Lübkemeier, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.09.2011.

[2] Wie Deutschland vom Euro profitiert, Spiegel Online vom 19. März 2011.