Sehen Sie die Rede hier als Video.
Die Rede im Wortlaut:
Ruprecht Polenz (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin mir nicht so sicher, ob der bisherige Verlauf dieser Aktuellen Stunde die Menschen in Deutschland tatsächlich ermutigt, Zivilcourage gegen Nazis zu zeigen.
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Dann tun Sie jetzt Ihren Teil dazu!)
Ich befürchte, dass der unbefangene Zuhörer von dieser Aktuellen Stunde den Eindruck vermittelt bekommt: Wir streiten untereinander und verlieren aus dem Blick, worum es eigentlich geht.
(Beifall der Abg. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Warum ist es wichtig, Zivilcourage gegen Nazis zu zeigen?
Es ist wichtig, weil sie unsere Werte nicht teilen, weil sie gegen die gleiche Würde aller Menschen sind und dumpfe Ressentiments vor allen Dingen gegenüber Ausländern schüren, weil sie gewalttätig sind und antisemitisches Gedankengut verbreiten.
Es ist allerdings auch zu beobachten, dass manche sich sozusagen zur Tarnung zu 150-prozentigen Freunden Israels gerieren, weil sie dann per definitionem keine Rechtsradikalen mehr sein können und umso ungehinderter ihre Hetze gegen Muslime vom Stapel lassen können.
Darum geht es.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Man muss diesem Hass und dieser Fremdenfeindlichkeit vor allen Dingen dem Hass, der sich gegen die Muslime und gegen den Islam richtet und der nichts mehr mit Religionskritik zu tun hat entgegentreten.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich darf Ihnen vor dem Hintergrund der heutigen Debatte eine E-Mail vorlesen, die im Augenblick ziemlich viele Menschen bekommen, die aufgrund ihres Namens als Menschen mit Migrationshintergrund erkennbar sind. Ich zitiere:
"Wir möchten Sie mit diesem unserem persönlichen Anschreiben dazu veranlassen, in Ihrem eigenen Sinne unser Land freiwillig, friedlich und gewaltfrei zu verlassen, da ansonsten für Ihre und Ihrer Familie Gesundheit und Leben nicht garantiert werden kann."
(Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Unglaublich!)
Weiter heißt es:
"Verstehen Sie den Ernst der Lage und handeln Sie danach, bevor es für Sie und Ihre Familie zu spät ist."
(Iris Gleicke (SPD): Warum lesen Sie diesen Dreck hier vor?)
"Sollte diese Aufforderung zum Verlassen unseres Landes ignoriert, missachtet oder dieser nur spärlich nachgekommen werden, gehen Sie davon aus, dass wir diese Ausweisung zur Not mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln durchsetzen werden,"
(Stefan Rebmann (SPD): Diesen Schwachsinn kann man doch hier nicht verlesen!)
"um dieses Problem für uns zu lösen, was wir mit diesem Schreiben jedoch doch gerne verhindern wollen."
Als Verfasser bezeichnet sich eine sogenannte Reichsbewegung.
Sie fragen, warum ich das hier vorlese.
Weil ich glaube, dass bekannt sein muss, was Menschen per E-Mail an Drohadressen bekommen. Nur so können wir bei der Mehrheit der Bevölkerung Empathie wecken und die Menschen dazu bringen, sich mit dieser Bevölkerungsgruppe solidarisch zu zeigen.
Hier hilft nur Transparenz. Deshalb habe ich das mit Abscheu hier vorgelesen: damit man sich dagegen wendet und Solidarität zeigt.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Deshalb war es, als die Nazidemonstration in Münster angekündigt wurde, auch richtig, nicht zu schweigen, nicht wegzuschauen und sich nicht wegzuducken.
Es gab eine einstimmige Resolution der sieben Fraktionen bzw. Gruppierungen im Rat, die zu friedlichen Gegendemonstrationen aufgerufen haben. Wir vier Bundestagsabgeordnete aus Münster, Frau Klein-Schmeink, Herr Strässer, Herr Bahr und ich, haben ebenfalls gemeinsam dazu aufgerufen, friedlich gegen die Demonstration der Nazis aufzutreten. Das war erfolgreich.
Über 5 000 Menschen haben demonstriert. Auf der größten Kundgebung haben der Oberbürgermeister, Vertreter des DGB und der Kirchen sowie der Vorsitzende des Integrationsrates gesprochen. Das war ein starkes Signal gegen die Nazis.
Jetzt zu dem Punkt, dem in dieser Debatte viel zu viel Raum gegeben wurde, nämlich zur Frage, wie das mit Gewaltausschreitungen am Rande der Kundgebung war. Wenn wir unsere Werte verteidigen, dann müssen wir uns auch selber danach richten.
Zu unseren Werten gehören auch unsere Rechtsordnung, Recht und Gesetz. Die Versammlungsfreiheit schützt auch das Demonstrationsrecht hören Sie jetzt gut zu von verfassungsfeindlichen Organisationen, solange sie nicht verboten sind.
Das ist das Konzept unserer wehrhaften Demokratie. Auf diese Weise soll politische Auseinandersetzung stattfinden. Es ist Aufgabe der Polizei, das sicherzustellen. Wenn man die Polizei dafür denunziert und sagt, sie mache sich mit den Nazis gemein, dann denunziert man unseren Rechtsstaat, meine Damen und Herren von der Linken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die offenen Fragen, die angesprochen worden sind, werden untersucht. Frau Kollegin, Sie haben nicht erzählt, dass sich der Polizeipräsident inzwischen schriftlich bei Ihnen entschuldigt hat.
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Doch! Das ist gesagt worden!)
Das wird geklärt. Ich denke, das sollte nicht im Mittelpunkt stehen.
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Es ist eben kein Einzelfall! Das ist das Problem!)
Der Spiegel hat die Ereignisse des vergangenen Wochenendes in einem Bericht so zusammengefasst ich darf zitieren:
"Neue Bühne, alte Parolen: Erstmals sind Hunderte Neonazis durch das zutiefst bürgerliche Münster marschiert. Die Stadt reagiert ebenso vorbildlich wie entschieden: Mit Transparenten, Sprechchören und Trillerpfeifenkonzerten protestieren Tausende gegen die Extremisten."
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)