ZDF-Fernsehratsvorsitzender kritisiert Landesmedienanstalten / Fernsehrat ist gegen Gang nach Karlsruhe / Begrenzung ausländische Beteiligungen bei Medien gefordert
Der ZDF-Intendant Markus Schächter stellte dem ZDF-Fernsehrat wahrend seiner Sitzung in Berlin den knapp 20-seitigen Entwurf der Selbstverpflichtungserklärung für die Jahre 2004 bis 2006 vor. Der Intendant wird die Selbstverpflichtungserklärung nach der ausführlichen Beratung mit dem Fernsehrat Ende September 2004 der Öffentlichkeit vorlegen.
In der Präambel zu den Programm-Perspektiven des ZDF in den kommenden beiden Jahren beschreibt ZDF-Intendant Schächter die Position des Senders im Markt: „Das ZDF gehört mit Umfang, Vielfalt, Vitalität und Innovationskraft seines Angebots zu den qualitativ führenden, akzeptanzstarken Programmanbietern auf dem deutschen Fernsehmarkt.“ Die Programme des ZDF seien den publizistischen, ethisch-moralischen und gesellschaftlichen Standards und rechtlichen Vorgaben der Sachlichkeit, Objektivität, Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Fairness verpflichtet.
In der Mischung des ZDF-Hauptprogramms zu rund der Hälfte aus Information, zu rund einem Drittel aus Fiktion und zu je rund sieben Prozent aus Show-Unterhaltung, Sport und Kinderprogramm komme Vielfalt in der Programmstruktur zum Ausdruck. Kultur begreife das ZDF as „übergreifendes Prinzip seiner Programmarbeit“, erläuterte Schächter. Dazu gehöre die „Orientierung an den kulturellen Werten und Standards unserer Gesellschaft und dem durchgängigen Bestreben, selber Programme von bleibendem kulturellen Wert zu produzieren“.
Ruprecht Polenz ist vom ZDF-Fernsehrat ohne Gegenstimmen erneut zum Vorsitzenden gewählt worden.
Während der konstituierenden Sitzung für die XII. Amtsperiode des Fernsehrats in Berlin bestätigten die Mitglieder des Gremiums den 58-jährigen CDU-Bundestagsabgeordneten aus Münster in seinem Amt, das er seit zwei Jahren innehat. Der 77 Mitglieder zählende Fernsehrat stellt die Richtlinien für die Sendungen des ZDF auf, überwacht deren Einhaltung und berät den Intendanten bei der Programmgestaltung.
promedia: Herr Polenz, wer genau kontrolliert das ZDF?
Polenz: Wie im Staatsvertrag geregelt ist, zum einen die eigenen Aufsichtsgremien, der Fernsehrat und Verwaltungsrat und zum anderen – subsidiär – die Rechtsaufsicht, in der sich die Länder abwechseln. Momentan ist das die Staatskanzlei des Saarlandes. Aber auch der Landesrechnungshof prüft z. B. das ZDF, nämlich in der Haushalts- und Wirtschaftsführung.
promedia: Warum dauert es so lange, bis Kritikpunkte wie z.B. Schleichwerbung im Programm oder die Beschwerde über die Kooperation mit t-online abgestellt werden?
Polenz: Zum einen handelt es sich hier um rechtlich äußerst komplexe Sachverhalte. Bei der Kooperation mit t-online gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen bezüglich der Zulässigkeit. Ich teile den Standpunkt des Fernsehrates, dass sie rechtlich zulässig war. Die Europäische Kommission hat möglicherweise einen anderen Standpunkt, aber das ist noch offen. Die Privaten sind dezidiert anderer Auffassung. Das ZDF hat jetzt aus medienpolitischen Gründen auf eine Fortsetzung einer rechtlich zulässigen Zusammenarbeit verzichtet. Zum anderen vergewissert sich der Fernsehrat immer wieder, ob die allgemeinen Programmrichtlinien eingehalten werden. Nach einer sehr intensiven Beschäftigung mit diesen Beispielen, die auch veröffentlicht worden sind, wurden Kooperationen, insbesondere im fiktionalen Bereich, beendet. Bei Telefonmehrwertdiensten wird z.B. künftig generell auf den Einsatz von 0190er Servicenummern verzichtet. Die beendeten Kooperationen machen etwa ein Drittel der Gesamteinnahmen aus Kooperationen für das ZDF aus.
promedia: Diese Kooperationen zwischen Produktionsfirmen und Dritten haben in dem Maße zugenommen, wie die Budgets im fiktionalen Bereich gesunken sind.
Polenz: ... was auch damit zusammen hängt, dass die werbetreibende Wirtschaft nach immer neuen Formen sucht, um den Kunden zu erreichen. Es sind also mehrere Faktoren, die zusammenkommen.
promedia: Wäre das nicht auch ein Argument für den vollständigen Verzicht auf Werbung, um solche Abhängigkeiten zu vermeiden?
Polenz: Der Fernsehrat ist nicht der Meinung, dass das ZDF völlig auf Werbung verzichten sollte. Der erlaubte Umfang hat den Vorteil, dass erstens zusätzliche Unabhängigkeit von politischen Entscheidungen gegeben ist. Zweitens liegt es im Interesse der werbetreibenden Wirtschaft, auch außerhalb der Privaten werben zu können. Außerdem ist neben Einschaltquoten auch die Nachfrage nach Werbezeiten ein Indiz dafür, wie gefragt ein Programm ist. Die Gebühren müssten 1,50 Euro höher sein, damit man auf Werbung verzichten und das Level halten könnte. Das ist bei der derzeitigen Diskussion um eine Gebührenerhöhung von 1,09 Euro unvorstellbar.
promedia: Reagiert der Fernsehrat nur auf öffentliche Kritik oder werden Sie auch von sich aus tätig?
Polenz: Wir werden selbstverständlich auch selbst initiativ. Die Kooperationsfrage z.B. ist zuerst im Fernsehrat diskutiert worden. Das Problem ist, dass diese interne Arbeit im ZDF von den Medien nur unzureichend wahrgenommen wird. Die konzentrieren sich im Interesse ihrer Leser eher auf allgemeine Programmbeobachtung und –kritik oder berichten darüber, was ihrer Meinung nach nicht funktioniert. Die Erfolge des Fernsehrats bei der Binnenkontrolle finden demgegenüber weniger Interesse.
promedia: Es gibt Forderungen der Medienanstalten, in übergreifenden Bereichen auch stärker beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk aktiv zu werden, z.B. im Jugendschutz oder bei der Schleichwerbung. Was ist dagegen einzuwenden?
Polenz: Das öffentlich-rechtliche System ist durch die Form der Binnenkontrolle mit dem Fernseh- und Verwaltungsrat gekennzeichnet. Wenn man das herausbrechen würde, wäre eine wesentliche Legitimationsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Systems in Frage gestellt. Außerdem: Solange die Landesmedienanstalten beispielsweise nicht in der Lage sind, die immer pornografischer werdende Telefonsex-Werbung bei den Privaten in den späten Abendstunden einzudämmen, müssen sie sich nicht um neue Aufgaben beim Jugendschutz kümmern. Auch die exzessive Darstellung von Gewalt im Fernsehen ist vor allem ein Thema der Privaten. Die Vorstöße der Landesmedienanstalten sehe ich als Vorwärtsverteidigung, weil sie mit ihren aufgeblähten Haushalten unter Druck geraten sind. Der Bereich Jugendschutz funktioniert bei den Öffentlich-Rechtlichen um Klassen besser, denn es wird durch die Jugendschutzbeauftragten und die Redaktionen bereits vorgebeugt. Außerdem gibt es eine intensive Begleitung durch die Programmdirektion und den Fernsehrat.
promedia: Der Fernsehrat tagt nur viermal im Jahr. Reicht das aus für eine durchgängige Kontrolle?
Polenz: Ja, denn die Ausschüsse tagen jeweils dazwischen, es gibt also regelmäßige Sitzungen. Die Mitglieder verfolgen natürlich auch individuell und über ihre Organisationen hinaus das Programm und die professionelle Fernsehkritik und beziehen dies in ihre Arbeit ein. Die Binnenkontrolle der Öffentlich-Rechtlichen hat in ihrer Funktionstüchtigkeit durch die Zulassung der Privaten sogar noch zugenommen. Seit die sogenannte „Medienmacht“, die vorher auf die Öffentlich-Rechtlichen beschränkt war, nun auch durch den Wettbewerb kontrolliert wird, kann die Binnenkontrolle gelassener und damit besser funktionieren.
promedia: Wie stehen Sie zu der Forderung, dass nicht nur die Privaten, sondern auch ARD und ZDF von einer unabhängigen Stelle kontrolliert werden, da man dies nicht nur den Ministerpräsidenten überlassen könne?
Polenz: Das ZDF ist eine Länderanstalt. Wer sonst soll das machen?
promedia: Ein Medienrat, das war auch schon in der Diskussion.
Polenz: Wer soll einen Medienrat legitimieren?
promedia: Der Bundesrat.
Polenz: Der besteht ja aus den Ministerpräsidenten, die im Staatsvertrag für das ZDF genau die Kontrollmechanismen geregelt haben, die wir anwenden. Die in der siebten Novelle des Rundfunkstaatsvertrages geregelte Selbstverpflichtung ist ein neues und interessantes Instrument der Selbstbegrenzung und einer bewussten öffentlich-rechtlichen Eigenprofilierung.
promedia: Die Selbstverpflichtung ist ein Papier. Die BBC muss regelmäßig öffentlich vor dem Parlament Rechenschaft ablegen. In Deutschland soll ein öffentlicher Diskurs nicht stattfinden.
Polenz: Die Selbstverpflichtungserklärung ist gedacht als Instrument der Kommunikation auch mit der Öffentlichkeit. Man darf nicht die Möglichkeit unterschätzen, über das Internet auch einer breiter interessierten Öffentlichkeit solche Dinge mitzuteilen und Bewertungsmaßstäbe anzubieten. Im Übrigen berichten ARD und ZDF alle zwei Jahre über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich der Entwicklungsperspektiven an alle Landtage.
promedia: Wäre nicht ein öffentlicher Rechenschaftsbericht vor dem Bundesrat denkbar?
Polenz: Man darf dabei nicht das vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Prinzip der Staatsferne vergessen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist kein verlängerter Arm der Länder, es wird nur von ihnen getragen. Deshalb ist die Balance zwischen Rechtfertigungspflicht und Entscheidungsfreiheit jetzt schon ganz gut austariert.
promedia: Besteht nicht ein Teil des Dilemmas in der gegenwärtigen Diskussion um die Gebührenerhöhung in der Schwierigkeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Notwendigkeit für eine Erhöhung nachzuweisen und damit öffentliche Akzeptanz zu finden?
Polenz: Der Nachweis erfolgt in einem sehr genau geregelten Verfahren gegenüber der KEF. Genau dieses Instrument hat man gewählt, um auf der einen Seite die Rechenschaftspflicht des öffentlich-rechtlichen Systems zu statuieren und auf der anderen Seite Staatsferne zu gewährleisten. Sonst hätte man die jeweiligen Gebührenanpassungen direkt den Landtagen gegenüber erklären lassen können, die dann hätten ablehnen oder zustimmen können. Aber diese Freiheit steht den Landesparlamenten laut Bundesverfassungsgericht nicht zu.
promedia: Sind die 1,09 Euro Ihrer Meinung nach zu akzeptieren?
Polenz: Die begründeten Anmeldungen der Anstalten sind von der KEF teilweise anerkannt worden. In den Nachverhandlungen wurde geäußert, dass man bestimmte strukturelle Veränderungen in den Häusern vornehmen möchte, um Kosten zu sparen. Somit könnten also auch Abschläge hingenommen werden. Wenn es zu einem vertretbaren Ergebnis und einem ordnungsgemäßen Verfahren über die KEF auf diesem Weg kommt, wird man von Seiten der Anstalten sicher nicht aus Prinzipienreiterei nach Karlsruhe gehen. Aber ich denke, dass sich eine solche Diskussion parallel zu dem staatsvertraglich geregelten KEF-Verfahren nicht allzu oft wiederholen sollte.
promedia: Die Ministerpräsidenten hätten also lieber dem Beschluss der KEF zustimmen und nach der Erhöhung mit einer strukturellen Diskussion beginnen sollen?
Polenz: Ja, denn im Gremium des ZDF sitzen auch Ländervertreter, die in der Diskussion eine bestimmte Initiative ergriffen haben und während ihrer Amtszeit täglich Gelegenheit hätten, aus der Binnenkotrolle des Senders heraus Strukturreformen einzufordern.
promedia: Wird beim ZDF die Diskussion über eine Strukturreform nach der Gebührenerhöhung fortgesetzt oder zieht für vier Jahre wieder Ruhe ein?
Polenz: Wir überlegen ständig, wie der Aufwand gemindert und die Effektivität gesteigert werden kann. Wir befinden uns dabei aber in einer Zwickmühle, da das ZDF viele Kosten, kaum beeinflussen kann wie im Fall der Sportrechte, für die explosionsartig mehr Geld bezahlt werden soll. Das ist eigentlich nur über wettbewerbsrechtliche Regelungen zu lösen, aber das liegt auf einer anderen Ebene. Ein anderes Problem ist die Digitalisierung. Auch in der digitalen Fernsehzukunft wäre ein Marktanteil der Öffentlich-Rechtlichen von 40 Prozent für das Meinungsklima in Deutschland wünschenswert. Dieses Ziel wird aber, wenn jeder Haushalt im Zuge der Digitalisierung irgendwann 200 Programme und mehr empfangen kann, nur unter bestimmten Rahmenbedingungen erreichbar sein. Hier entstehen Fragen nach der Kontrolle der Kabelbelegung und nach den Entwicklungen, die sich aus den Verbindungen zwischen Internet und Fernsehen ergeben und die bisher vernachlässigt wurden.
promedia: Das ist ein Plädoyer nicht nur für eine Standort-, sondern für eine strategische Medienpolitik.
Polenz: Ja, in den USA ist eine ausländische Beteiligung an Medienunternehmen nur bis höchstens 20 Prozent möglich, während in Europa die Türen offen sind. Das Mindeste, was man erreichen muss, ist Reziprozität - ein Thema für die EU-Kommission im Außenverhältnis zu den USA.
promedia: Also nicht nur eine Frage der Länder?
Polenz: Nein, das sind ganz allgemeine Fragen. Man kann sich diese Probleme am besten im Vergleich zu anderen Politikbereichen klarmachen, wie z.B. dem Umweltschutz. Dort sind wir sehr bemüht, Arterhaltung zu betreiben. Die kulturelle Vielfalt Europas, wie z.B. das nationale Filmschaffen oder andere kulturelle Besonderheiten, erhält sich eben auch nicht von selbst.
promedia: Wenn Sie von der digitalen Herausforderung sprechen, dann bedeutet das doch sicher auch wieder über eine digitale ZDF-Senderfamilie zu diskutieren?
Polenz: In unserer Selbstverpflichtungserklärung sprechen wir davon, dass die digitale Herausforderung keine Forderung nach neuen öffentlich-rechtlichen Programmen zur Folge hat, aber sehr wohl nach besseren Möglichkeiten für das ZDF, die eigene Programmleistung als Gesamtleistung kenntlich zu machen, indem die Sendefamilie ZDF als öffentlich-rechtliches ZDF deutlich erkennbar wird. Das bezieht sich natürlich auf die Partnerprogramme 3SAT arte, Phoenix, den Kinderkanal und die digitalen Kanäle des ZDF.
promedia: Ist das im gegenwärtigen finanziellen Rahmen möglich?
Polenz: Ja, wir denken nicht an ein quantitativ ausgeweitetes Programmangebot, sondern es geht darum, es qualitativ so wahrnehmbar zu machen, dass es als ZDF-Leistung und damit als Leistung eines öffentlich-rechtlichen Programmanbieters erkennbar ist. Natürlich sollen auch zwischen dem Hauptprogramm und den Partnerprogrammen Programmplätze komplementär besetzt werden. Es werden dabei auch Diskussionen aufkommen, z.B. ob es richtig ist, Sonntagvormittags im Hauptprogramm weiterhin Kinderprogramm auszustrahlen, wenn es den Kinderkanal gibt, oder ob man in dieser Zeit z.B. Programme für ältere Zuschauer senden sollte. Aber solche Diskussionen, die ja auch öffentlich geführt werden, sind wichtig für die Zukunftsfähigkeit des ZDF und werden durch den Fernsehrat angetrieben.