Ruprecht Polenz

Sicher nur mit Amerika. Der Irak braucht Lebensmittel, Stabilität - und die UN

Noch ist der Irak-Krieg nicht zu Ende, da beginnt schon der Streit darüber, wer im Nachkriegsirak das Sagen haben soll. Und wie vor der Krieg werden falsche Alternativen aufgebaut: Vereinte Nationen oder USA. Dabei geht es weder ohne die einen noch ohne die anderen.
Damit im Irak möglichst schnell dauerhafter Frieden und eine stabile Nachkriegsordnung entstehen können, werden alle gebraucht: die USA und die Briten, aber auch die anderen europäischen Staaten einschließlich Deutschland, die Nachbarn des Irak und vor allem die Iraker selbst. Deshalb liegt es auf der Hand, dass der politische und ökonomische Wiederaufbau des Irak nur unter dem Dach der Vereinten Nationen erfolgreich angegangen werden kann.

Zwei Aufgaben sind nach dem Ende der Kampfhandlungen vordringlich: Lebensmittel und medizinische Versorgung für die Bevölkerung und die Herstellung und Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Land. Die humanitären Aufgaben lassen sich nur unter Rückgriff auf die Infrastruktur des oil-for-food-Programms der Vereinten Nationen mit seinen ca. 46.000 lokalen Verteilerstellen bewältigen. Und für Sicherheit und Ordnung werden noch auf Monate, wenn nicht Jahre hinaus auch amerikanische und britische Soldaten sorgen müssen. Legt man die Truppenstärke im Kosovo zu Grunde – anfangs waren für KFOR 30.000 Soldaten im Einsatz – und berücksichtigt man Einwohnerzahl und Größe des Irak, dürften etwa 200.000 Soldaten erforderlich sein, um in den ersten Monaten nach Kriegsende für Sicherheit und Ordnung im Irak zu sorgen.

Niemand sollte sich ernsthaft vorstellen, dass dabei die amerikanischen oder britischen Truppen einem fremden Oberbefehl unterstellt werden könnten. Das wäre weder sinnvoll noch realistisch. Der UN-Sicherheitsrat sollte deshalb anerkennen, dass ohne die alliierten Streitkräfte die Sicherheit im Nachkriegsirak nicht gewährleistet werden kann und ein entsprechendes Mandat erteilen. Amerikanern und Briten wiederum dürfte im eigenen Interesse daran gelegen sein, diese Aufgabe – jedenfalls mittelfristig – nicht allein schultern zu müssen.

Der Aufbau einer multinationalen Friedenstruppe, möglichst auch mit arabischen Staaten wie beispielsweise Ägypten oder Tunesien und maßgeblicher Beteiligung der NATO, sollte deshalb so bald als möglich in Angriff genommen werden. Auch Deutschland sollte bereit sein, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten daran zu beteiligen.

Wenn der wirtschaftliche und politische Wiederaufbau gelingen soll, müssen die Iraker selbst möglichst schnell einbezogen werden. Auch für diesen Prozess sind ein klares Mandat und klare Aufträge des UN-Sicherheitsrats erforderlich. Wie im Kosovo sollte ein ziviler Hoher Repräsentant als Stellvertreter des UN-Generalsekretärs mit einer eigenen Übergangsverwaltung eingesetzt werden. Ein hochangesehener Vertreter der arabischen Welt oder der Dritten Welt, der auch das Vertrauen der USA hat, wäre für diese Aufgabe am besten geeignet.

Hier müssen die Europäer gegenüber den USA, die selbst an einer Übergangsregierung basteln, sicher noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten. Erfolg werden sie dabei nur haben, wenn sie mit einer Stimme sprechen und auch dazu bereit sind, gemeinsam etwas einzubringen, um den Irak dauerhaft zu stabilisieren. Deutschland könnte beispielsweise wie im Kosovo oder in Afghanistan anbieten, sich um den Aufbau einer rechtsstaatlichen Polizei zu kümmern.

Wenn es Europäern und Amerikanern gelingt, in diesem Sinn beim Wiederaufbau des Irak zusammenzuarbeiten, wäre dies für die Menschen im Irak am besten. Und es wären erste Schritte zur Überbrückung der tiefen Gräben, die im Vorfeld des Irakkrieges in Europa, im transatlantischen Verhältnis und im UN-Sicherheitsrat aufgerissen worden sind.

Ruprecht Polenz ist abrüstungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Präsident der Deutschen Atlantischen Gesellschaft .