Ruprecht POLENZ (56), CDU-Abgeordneter, sagt, dass die Fernwirkung eines Irak-Krieges auf die Staaten im Nahen und Mittleren Osten nicht vorhersehbar sei.
Überrascht Sie die ablehnende Haltung des türkischen Parlamentes bei der Stationierung von 62 000 US-Soldaten?
Für die Türkei war eine so umfangreiche Stationierung von US-Truppen eine schwierige Frage. Aber eine absolute Überraschung kann man es auch nicht nennen, denn die Stimmung im Lande ist sehr ablehnend gegenüber einem Krieg im Irak. Dieser Stimmung sind offensichtlich viele Abgeordnete aus dem Regierungslager gefolgt.
Fürchtet die Türkei bei einem Auseinanderbrechen des Irak die Ausrufung eines Kurdenstaates auf irakischem Gebiet?
Das ist eine der großen Sorgen der Türkei. Alle Nachbarländer des Irak sind besorgt, dass ein Irak-Krieg die staatliche Einheit des Irak gefährden könnte. Und kein Nachbarland möchte, dass dort Grenzen verändert werden. Es möchte auch kein Nachbarland einen kurdischen Staat im Nordirak. Ich gehe aber nicht davon aus, dass es dazu kommt. Auch die Kurden im Nordirak wissen, dass sie keine Chance auf einen eigenen Staat haben. Sie haben sich damit abgefunden und hoffen nur auf mehr föderale Autonomie.
Haben die transatlantischen Beziehungen der Türkei zu den USA nun auch einen ersten Riss erhalten?
Das glaube ich nicht. Es ist auch noch nicht völlig abzusehen, wie die türkische Regierung mit diesem Abstimmungsergebnis umgeht, ob man die Abstimmung wiederholen soll. Die Türkei wird sicherlich alles tun, um die Enttäuschung in den USA über dieses Ergebnis möglichst klein zu halten.
Könnte ein Krieg gegen den Irak die Türkei destabilisieren, weil sie selbst mit sehr starken fundamentalistischen Strömungen leben muss?
Die politischen Verhältnisse im türkischen Parlament, in der Regierung und der Armee sind stabil. Da könnte es in anderen Ländern der Region eher zu Schwierigkeiten kommen. Die Fernwirkung eines Irak-Krieges ist auf die Staaten im Nahen und Mittleren Osten nicht genau vorhersehbar. Offen ist vor allem, wie sich ein Irak-Krieg auf den Iran auswirkt.