Inzwischen teilt die CDU das Schicksal der SPD bei den allwöchentlichen Meinungsumfragen. Ein dreiviertel Jahr nach Beginn der großen Koalition haben beide Regierungsparteien im Vergleich zum letzten Wahlergebnis mehrere Prozentpunkte eingebüßt. Vor allem bei denjenigen Unionsanhängern breitet sich Enttäuschung aus, die eine schwarz-gelbe Koalition gewollt hatten, weil sie von dieser Konstellation wirksame Reformen zur Belebung der Wirtschaft und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erwartet hatten.
Diese Unionsanhänger sind besonders verärgert über das Antidiskriminierungsgesetz, weil sie – auch aus meiner Sicht zu Recht – viel zusätzlichen Ärger und Bürokratie befürchten. Sie vermissen weitere Schritte beim Kündigungsschutz, für betriebliche Bündnisse für Arbeit und zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes – und übersehen, dass dies mit dem sozialdemokratischen Koalitionspartner nicht zu machen ist.
Wenn man den Meinungsumfragen glaubt, erwarten viele eine Gesundheitsreform, die vor allem die Kosten dämpft, ohne den Leistungsumfang einzuschränken – obwohl medizinischer Fortschritt, von dem wir alle profitieren wollen, und die größere Zahl immer älterer Menschen in jedem Fall dazu führen werden, dass wir in Zukunft mehr für unsere Gesundheit und eine mögliche Pflegebedürftigkeit im Alter ausgeben müssen.
Andere fordern – zu Recht – ein Ende der Verschuldungspolitik, sind aber verärgert, wenn der Staat seine Ausgaben für die Entfernungspauschale oder die Wohnungsbauförderung kürzt.
Ich will die bisherigen Ergebnisse der großen Koalition nicht schönreden, schließlich haben wir alle eine Koalition mit der FDP angestrebt. Aber die Wähler haben anders entschieden und wir müssen jetzt das beste für unser Land daraus machen. Leider liegt es nicht selten in der Natur der politischen Sache, dass wir uns mit der SPD (allzu)oft nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner einigen können, obwohl angesichts der Probleme größere Schritte notwendig wären.
Trotzdem hat die große Koalition wichtige Entscheidungen deutlich anders getroffen, als dies die rot-grüne Regierung getan hätte. Allein daran lässt sich die Handschrift der Union in der Regierung ablesen:
- Die schrittweise Festlegung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit und wird wesentlich dazu beitragen, dass wir auch in Zukunft Altersarmut weitestgehend vermeiden können, ohne die junge, beitragszahlende Generation zu überfordern.
- Die Föderalismusreform ermöglicht schnellere politische Entscheidungen, einen gewissen Wettbewerb zwischen den Ländern um die bessere Lösung und erhöht die Transparenz politischer Entscheidungen.
- Die Mittelstandsinitiative der Bundesregierung verlagert die wirtschaftspolitische Aufmerksamkeit von der Großindustrie (Schröder als Autokanzler) auf den Bereich unserer Wirtschaft, der die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt und der auch in Zukunft als Innovations- und Wachstumsmotor unerlässlich ist, damit Deutschland weiter ein Land mit hohen Löhnen und guten sozialen Leistungen bleiben kann.
- Die Einsparungen im Bundeshaushalt und die Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung haben dazu geführt, dass Deutschland schon im nächsten Jahr die Kriterien für den Euro-Stabilitätspakt wieder erfüllen wird, nachdem dies unter rot-grün mehrere Jahre hintereinander nicht mehr der Fall gewesen war.
- Es liegt auch an diesen und anderen Verbesserungen der Rahmenbedingungen, dass die deutsche Wirtschaft wieder wächst und inzwischen mit den aktuellen Wachstumsraten im europäischen Mittelfeld liegt. Unter rot-grün war Deutschland Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum in Europa.
- Dies wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus: Seit einiger Zeit gehen die Arbeitslosenzahlen Monat für Monat leicht zurück.
Die jüngsten Fahndungserfolge im Zusammenhang mit den versuchten Bombenanschlägen auf Regionalzüge in Koblenz und Dortmund zeigen auch, dass die große Koalition zur Verbesserung unserer Sicherheit handeln kann, wo ein wirksames Vorgehen mit der FDP so nicht möglich wäre: Wir werden die Video-Überwachung von Bahnhöfen, Flughäfen und Verkehrsknotenpunkten verstärken und wir werden den Informations- und Datenaustausch zwischen der Polizei und den Geheimdiensten zum Zweck der Terrorismusbekämpfung durch eine Terrorismusdatei verbessern. Beides ist dringend notwendig, um Terroranschlägen in Deutschland so weit wie möglich vorzubeugen. Die FDP wehrt sich dagegen, obwohl andere und ältere Demokratien als Deutschland mit diesen Maßnahmen gute Erfahrungen gemacht haben.
Alles in allem hat die große Koalition in den ersten 10 Monaten ihrer Amtszeit durchaus einiges auf den Weg gebracht, was unserem Land weiterhilft. Es hängt nicht zuletzt von den Erwartungen ab, ob das Glas nun halbleer oder halbvoll gesehen wird bei den Zwischenbilanzen derzeitiger Meinungsumfragen.
Letztlich werden diese Bundesregierung und damit CDU/CSU und SPD daran gemessen werden, wie weit wir bei den notwendigen Strukturreformen kommen, ohne die weder ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum noch eine dauerhafte Senkung der Arbeitslosigkeit möglich sind. Und wenn der kleinste gemeinsame Nenner dabei nur kleine Schritte zulassen sollte, müssen sie – anders als beim Antidiskriminierungsgesetz - wenigstens in die richtige Richtung gehen.