Ruprecht Polenz

Woche der Entscheidung für die Koalition - Der aktuelle Kommentar von Ruprecht Polenz

Wir brauchen noch große Anstrengungen vor der parlamentarischen Sommerpause, um die notwendigen Reformen erfolgreich auf den Weg zu bringen. Bei den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner wird deutlich: die großen Parteien sind nicht austauschbar. Inhaltlich trennen uns grundsätzliche Vorstellungen. Uns eint aber der Wille, gemeinsam zu Lösungen zu kommen, die Deutschland wieder voranbringen. Darum wollen wir in der verbleibenden Sitzungswoche vor der Sommerpause die Föderalismusreform beschließen sowie eine Einigung bei den Eckpunkten der Unternehmenssteuerreform und der Gesundheitsreform erzielen. Bei der Reform des Föderalismus erwarten wir von der SPD die Zustimmung zum vereinbarten Paket. Hier ist jetzt Disziplin gefragt, denn die Bevölkerung hätte für ein taktisches Scheitern keinerlei Verständnis. Es würde das zurückgewonnene Vertrauen in die Gestaltungskraft von Politik beschädigen.
Beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) konnten wir uns in entscheidenden Punkten noch durchsetzen. Eine Arbeitsgruppe der Koalition ist beauftragt, die Eckpunkte einer Unternehmenssteuerreform zu formulieren. Aus unserer Sicht müssen dabei folgende Ziele erreicht werden: Absenkung der Steuerbelastung der Unternehmen auf unter 30% bei Einbeziehung von Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen, eine international wettbewerbsfähige Kapitalertragsbesteuerung sowie die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Unternehmenssteuer; mindestens muss aus Sicht unserer Fraktion aber die Ausweitung der Substanzbesteuerung bei der Gewerbesteuer verhindert werden. Teil dieser Reform muss auch eine mittelstandsfreundliche Regelung des Übergangs von Betriebsvermögen sein. Eine entsprechende Erbschaftssteuerreform soll bereits zum 1. Januar 2007 in Kraft treten.

Bei der Gesundheitsreform stehen noch schwierige Gespräche vor uns.

• Halbzeit bei der WM – Erfolgreiche Sicherheitskonzepte sorgen für fröhliche Atmosphäre: Die Halbzeitbilanz der Fußballweltmeisterschaft ist positiv. Die Sicherheitskonzepte haben sich bisher hervorragend bewährt. Allen Sicherheitskräften gilt unser besonderer Dank. Sie gewähren die nötige Sicherheit, ohne die individuellen Freiheiten unnötig einzuschränken. Polizei und Katastrophenschutz haben die Lage bisher jederzeit hervorragend im Griff gehabt. Hierzu trägt auch die enge internationale Zusammenarbeit auf Flughäfen, Bahnhöfen und an den Grenzen mit den Polizeikräften aus den europäischen Ländern bei. Auch die vielen freiwilligen Helfer sind für die reibungslose Durchführung der Turnierspiele und Fanfeste eine unschätzbare Hilfe. Die Freude der Menschen und die Gastfreundschaft der Deutschen tragen zu einem positiven Bild Deutschlands im Ausland bei. Die Leistungen der WM-Stäbe im Bundesinnenministerium sowie in den einzelnen Bundesländern verdienen unsere Hochachtung.

• Finnische EU-Ratspräsidentschaft: Ab 1. Juli übernimmt Finnland für sechs Monate den Vorsitz im Europäischen Rat. Wir freuen uns, dass sich die finnische Ratspräsidentschaft zum Ziel gesetzt hat, die Entscheidungsmechanismen in den Institutionen der EU zu verbessern und den Mehrwert der EU für die Bürger besser herauszustellen. Inhaltliche Schwerpunkte der Debatten sollen die Energiepolitik sowie die Beziehungen zwischen der EU und Russland sein.


Die Woche im Parlament:

• Föderalismusreform: Mit Veränderungen im Grundgesetz sowie einem entsprechenden Begleitgesetz bringen wir mit der Reform der bundesstaatlichen Ordnung eines der wichtigsten Reformvorhaben der Koalitionsfraktionen auf den Weg: Die Zuständigkeiten von Bund und Ländern werden klarer abgegrenzt, die Gesetzgebung wird weniger kompliziert und langwierig. Die Föderalismusreform bedeutet auch einen wichtigen Schritt zu mehr Bürgerfreundlichkeit, weil in Zukunft wieder leichter nachvollziehbar ist, wer für welche Entscheidung Verantwortung trägt. Eine anschauliche Übersicht wesentlicher Punkte der Reform findet sich unter http://www.cducsu.de/upload/foederalismusuebersicht060307.pdf.

• Steueränderungsgesetz 2007: Unter dem Motto „Sanieren - Investieren - Reformieren" verfolgen wir mit der Bundesregierung ein finanz- und steuerpolitisches Gesamtkonzept, das darauf abzielt, die zurzeit dringendsten Herausforderungen zu bewältigen und die Weichen für eine dauerhaft tragfähige Finanzpolitik zu stellen. In zweiter und dritter Lesung beraten wir daher diese Woche das Steueränderungsgesetz. Mit dem Steueränderungsgesetz werden die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Maßnahmen umgesetzt. Zu den Veränderungen zählen die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, die Absenkung der Altersgrenze für die Gewährung von Kindergeld sowie die Reduzierung der Pendlerpauschale und des Sparer-Freibetrages. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf für besonders hohe private Einkommen (Ledige über 250.000 Euro, Verheiratete über 500.000 Euro) einen Zuschlag von 3 Prozentpunkten auf den Spitzensteuersatz vor.

• Verbraucherinformationsgesetz: In zweiter und dritter Lesung wollen wir das „Gesetz zur Neuregelung des Rechts auf Verbraucherinformation“ be¬schließen. Damit wird den Verbrauchern Zugang zu den vorhandenen Informationen bei Behörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzes sowie des Weingesetzes eröffnet. Außerdem werden die Voraussetzungen erweitert, unter denen Behörden die Öffent¬lichkeit über marktrelevante Vorkommnisse informieren können. Die Auskunftspflicht besteht allerdings nur für Behörden und nicht für Unternehmen. Damit erhalten wir ein schlankes Verbraucherinformationsgesetz, das dem Leitbild des mündigen Verbrauchers gerecht wird.

• Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen: Zur Umsetzung der Energiesteuerrichtlinie (2003/96 EG) ist eine gesetzliche Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen erforderlich. Gleichzeitig wird das Mineralölsteuergesetz durch ein neues Energiesteuergesetz abgelöst.

• Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse im Mittelstand: Bürokratie und Überregulierung binden insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen sowie bei Existenzgründern in nicht mehr vertretbarem Umfang betriebliche Ressourcen, behindern so deren Dynamik und Leistungsfähigkeit und lähmen insgesamt die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Darum schaffen wir in verschiedenen Rechtsbereichen unnötige Vorschriften ab und reduzieren bestehende Regelungen und gesetzliche Anforderungen verantwortungsbewusst auf ein Mindestmaß.

• Gesetz zur Umsetzung des neu gefassten Bankenrichtlinie: Die EU-Kommission hat eine Reihe von Maßnahmen aufgelistet, die zur Vollendung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen erforderlich sind. Dem Gesetzentwurf liegt die neu gefasste „Bankenrichtlinie“ (2000/12/EG) des Europäischen Parlaments und des Rates über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute sowie über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten zugrunde. Gegenstand des Gesetzentwurfs ist die Erfassung von Risiken, die Banken und Wertpapierhäuser bei der Kreditvergabe und ihren sonstigen Geschäften eingehen.

• Europäisches Haftbefehlsgesetz: Mit dem Gesetz soll der Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in veränderter Form in nationales Recht umgesetzt werden. Die Neuregelung ist erforderlich, nachdem zuvor das Bundesverfassungsgericht das EuHbG wegen dessen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz aufgehoben hatte.

• Gesetz über elektronische Handelsregister: In Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen verlangt die Richtlinie 2003/58/EG, dass die offenlegungspflichtigen Daten über ein Unternehmen spätestens ab dem 1. Januar 2007 über „eine Akte“ zentral elektronisch abrufbar sind. Auch die Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, gibt vor, dass ein „amtlich bestelltes System für die zentrale Speicherung vorgeschriebener Informationen“ zur Verfügung gestellt werden muss. Um diesen Vorgaben Rechnung zu tragen, muss die derzeit in Deutschland bestehende Zersplitterung der Datenbanken mit Unternehmensinformationen überwunden werden und eine Umstellung auf eine elektronische Registerführung erfolgen. Der zu beschließende Entwurf sieht vor, dass die Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister ab dem 1. Januar 2007 zwingend elektronisch zu führen sind. Die Registerführung bleibt den Amtsgerichten zugewiesen und wird infolge der Umstellung auf die elektronische Form vereinfacht. Die Länder stellen sicher, dass sowohl die in den Registern enthaltenen Daten als auch die Bekanntmachungen der Registereintragungen über das Internet zugänglich sein werden. Zudem sieht der Entwurf vor, dass die Einreichung von Unterlagen zum Handelsregister künftig zwingend in elektronischer Form zu erfolgen hat.

• Jahresbericht 2005 des Wehrbeauftragten: Seit fünfzig Jahren verfügt der Deutsche Bundestag über eine Kontrollinstanz, die in dieser Form weltweit einmalig ist. Als Hilfsorgan erstattet der Wehrbeauftragte uns jedes Jahr einen ausführlichen Bericht über seine Tätigkeit und bietet einen intensiven Einblick in das Innenleben der deutschen Streitkräfte. Aus dem Bericht wird deutlich: In ihrem 50. Jubiläumsjahr hatte die Bundeswehr kaum Zeit zur Rückschau, sondern war an vielen Stellen gefordert. Die Beteiligung am internationalen Einsatz nach der Tsunami-Katastrophe wurde zum größten internationalen Hilfseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr. Bei internationalen Missionen zur Konfliktprävention und Krisenbewältigung leisteten insgesamt rund 6.500 Soldaten im Rahmen von EUFOR (European Union Force), KFOR (Kosovo Force), ISAF (International Security Assistance Force) und OEF (Operation Enduring Freedom) Dienst in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, in Afghanistan oder am Horn von Afrika. Darüber hinaus unterstützte die Bundeswehr Militärbeobachtermissionen im Sudan, in Äthiopien, Eritrea, Georgien und Aceh. Allerdings mahnt der Bericht auch an, dass im Spannungsfeld zwischen wachsenden internationalen Verpflichtungen und den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln die Bundeswehr immer deutlicher an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stoße.

Daten und Fakten

• Ifo-Geschäftsklimaindex steigt weiter: Der ifo-Geschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirtschaft Deutschlands ist im Juni von 105,7 Punkten
im Vormonat auf 106,8 Punkte gestiegen. Ihre augenblickliche Geschäftssituation bewerteten die befragten Unternehmen deutlich besser als im Mai. Die aktuelle Lage wurde von ihnen damit zum siebten Mal in Folge günstiger als im jeweiligen Vormonat eingestuft. Ähnlich hoch habe das Konjunkturbarometer zuletzt zu Zeiten der Wiedervereinigung im Februar 1991 notiert. Die Zuwächse kämen nicht mehr allein aus dem Export, auch das Inland ziehe jetzt nach. Zudem löse sich der lange anhaltende Investitionsstau allmählich. Selbst in Ostdeutschland war der Anstieg des Geschäftsklimaindex nahezu gleich stark wie im Bundesdurchschnitt. Für den erneuten Anstieg machen die Konjunkturexperten Vorzugseffekte durch die Mehrwertsteuererhöhung sowie Impulse der Fußballweltmeisterschaft verantwortlich. Zusätzliche Touristen und längere Öffnungszeiten kämen insbesondere dem Einzelhandel zugute.
Auch im Hinblick auf die Beschäftigungssituation einzelner Branchen sei die gute Stimmung bereits angekommen. Insgesamt zeigt die ifo-Konjunkturuhr zeigt weiterhin auf „Boomphase“.
(Quelle: ifo-Institut München, http://www.cesifo.de/link/KT_06_06.pdf, 27.06.2006

• Die 500 größten Unternehmen steigern Umsätze und erhöhen Mitarbeiterzahl: Die 500 größten Unternehmen in Deutschland haben im vergangenen Jahr ihr Wachstum beschleunigt. Im Durchschnitt stiegen die Umsätze um 9,2%, nach 5,8% im Vorjahr. Bemerkenswert ist der Beschäftigungsanstieg. Mit 3,9% mehr Beschäftigten gegenüber dem Vorjahr konnte der höchste Personalzuwachs seit dem Boomjahr 2000 verzeichnet werden. Zudem planen die Konzernstrategen wieder mehr Investitionen.
(Quelle: „Die Welt“ in Kooperation mit Accenture, http://www.welt.de/data/2006/06/25/932394.html, 26.06.2006)


• Studie: Konzerne favorisieren Standort Deutschland: International tätige Unternehmen beurteilen den Standort Deutschland positiv: 18% dieser Unternehmen bezeichnen Deutschland als einen der drei attraktivsten Standorte weltweit. Damit ist Deutschland aus der Sicht international tätiger Unternehmen der attraktivste Standort in Europa und kommt im weltweiten Ranking auf Platz drei hinter den USA und China. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Kennzeichen D“ der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young. Besonders geschätzt wird Deutschland für seine Infrastruktur, die Qualität von Forschung und Entwicklung, die gute Ausbildung der Arbeitskräfte und die Attraktivität des Binnenmarktes.
(Quelle: Ernst&Young Studie „Kennzeichen D – Standortanalyse 2006“ http://www.ey.com/global/download.nsf, 08.06.2006)