„Fatal ist der Ansatz, diejenigen zu bestrafen, die ohnehin schon kämpfen müssen. Noch mehr erzwungene Gebühren würden die Unternehmen nur noch mehr belasten. Dieser Weg führt nicht zum Ziel: Neue Lasten schaffen eben gerade keine neuen Lehrstellen.“ Das sagte Ruprecht Polenz (CDU), Bundestagsabgeordneter für die Stadt Münster, zu den Plänen der Rot-Grünen Bundesregierung für eine Ausbildungsabgabe.
Nach einem Eckpunktepapier der SPD-Bundestagsfraktion vom November 2003 soll ein zentraler Fonds auf Bundesebene eingereichtet werden, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Es sollen Quoten für den fehlenden Lehrstellenbedarf festgelegt werden. Dazu müsste die Ausbildungsleistung eines jeden Betriebes geprüft werden.
In diesen neuen Fonds sollen Betriebe, die nur unzureichend ausbilden, einzahlen, und die „überproportional“ ausbildenden Unternehmen Geld erstattet bekommen. „Kaum ein Betrieb bildet exakt so viel aus, wie eine wo auch immer genau angesiedelte Quote vorgibt. Das bedeutet, wir hätten es zunächst einmal mit einem gigantischen Umverteilungs-System zu tun, das an sich noch keinen einzigen neuen Ausbildungsplatz schafft.“ erklärte Polenz.
Die SPD-Bundestagfraktion selbst spricht von „mehreren 100 Millionen Euro“, die die Einführung einer Ausbildungsabgabe kostet. Allein der bürokratische Aufwand wäre enorm. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln errechnete eine mögliche Gesamt-Verwaltungskosten-Summe von 690 Millionen Euro. „Dieses Geld wäre für die direkte Schaffung von Ausbildungsplätzen mit Sicherheit besser angelegt“, kommentierte Polenz.
Die Kosten für einen Ausbildungsplatz werden in der Regel mit 7.500 bis 8.000 Euro ausgegeben. Die Zahl der gegenwärtig tatsächlich fehlenden Lehrstellen mit 50.000 anzusetzen, ist sicher nicht zu hoch gegriffen. Geht man von dreijährigen Lehrzeiten aus, wären derzeit 1,2 Milliarden Euro erforderlich, die die Ausbildungsabgabe nach Abzug aller Verwaltungskosten erbringen müsste, um diese Lücke zu stopfen.
Dazu kommen schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken. Die Erhebung einer Steuer oder Sonderabgabe für die Finanzierung zusätzlicher Ausbildungsplätze ist ein gravierender Eingriff in die marktwirtschaftliche Ordnung. Auch verstößt die von der Bundesregierung geplante Mitarbeitergrenze, ab der die Abgabe relevant werden soll, gegen den im Art 3 GG verankerten Gleichheitsgrundsatz. Die Belastung der Betriebe, die knapp über der Grenze liegen, stünde in einem krassen Missverhältnis zu nicht wesentlich kleineren Betrieben, die keine Abgabe zu zahlen hätten. „Hier beißt sich die Katze in den Schwanz.“ Stellt Polenz dazu fest: „Wenn eine Firma gerne Ausbildungsplätze schaffen möchte, jedoch feststellt, dass sie mit den Neueinstellungen diese Mitarbeitergrenze überschreitet, wird sie das Risiko kaum eingehen. Anstatt konkrete Ausbildungsplätze zu schaffen, wird sie in Zukunft lieber die Abgabe zahlen. Damit ist wirklich niemandem gedient.“ Polenz erinnerte an die traurige Realität im Zusammenhang mit der Behinderten-Abgabe: Deren Einführung hat nicht zur vermehrten Einstellung Behinderter geführt, sondern vermehrt dazu, dass Betriebe sich von ihrer Einstellungsverpflichtung freikaufen.
Wenn ein Unternehmen heute nicht oder nur eingeschränkt ausbildet, liegt dies nicht immer an einem Mangel an Ausbildungsbereitschaft. Die Ausbildungsplatzzahlen folgen dem Arbeitsmarkt. 2003 gab es acht Prozent mehr Arbeitslose als im Vorjahr. Die Beschäftigung ist gleichzeitig um 400.000 Stellen eingebrochen, so stark wie seit zehn Jahren nicht mehr. Betriebe, die keine Zukunft haben, können auch keine Zukunft geben. Gerade in dieser Situation wäre eine Ausbildungsabgabe weiteres Gift für das wirtschaftliche Wachstum. Schon die Androhung einer weiteren Abgabe führt zur Verunsicherung der Betriebe und wird einen Rückgang des Angebots an Ausbildungsplätzen auslösen.
„Ein weiteres Thema ist die mangelnde Ausbildungseignung vieler Jugendlicher. Seit langem können viele existierende Ausbildungsplätze nicht besetzt werden, weil die Jugendlichen nicht die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausbildung mitbringen. Hier kommen wir auf das weite Feld der Schulpolitik, die immer noch viel zu viele Jugendliche ohne jeden Abschluss auf den Arbeitsmarkt entlässt.“ Ergänzte Polenz.
Die erwarteten Folgen der Ausbildungsabgabe für die Betriebe wäre ein schwerer Schlag für die Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere der mittelständischen Unternehmen und im Handwerk, die Verunsicherung der Betriebe nähme zu, damit die Bereitschaft einzustellen ab und durch die rollende Pleitewelle in Deutschland gehen weitere Lehrstellen verloren.
Die Folgen für die Auszubildenden wäre ein noch geringeres Angebot auf dem Markt der betrieblichen Lehrstellen. Zahlreiche Unternehmen würden die neue Lage nutzen, um sich von ihren Verpflichtungen „freizukaufen“. Neue Lehrstellen entstünden im Wesentlichen außerbetrieblich, d.h. die Jugendlichen würden in Warteschleifen und Ersatzmaßnahmen geparkt, hätten kaum Praxisbezug und damit kaum Chancen, später auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzukommen.
Alles in allem ist es unverständlich, dass die Bundesregierung zur Bewältigung des Lehrstellenproblems überhaupt einen Deutschland-weiten Rundumschlag ins Auge fassen kann. Erfahrungen zeigen, dass regionale Projekte, die auf freiwilliger Basis und im Einvernehmen von Unternehmen und Gewerkschaften entstehen, die beste Grundlage zur Schaffung neuer Ausbildungsplätze bilden. Polenz fügte hinzu: „Für Münster beispielsweise wäre die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe Blödsinn. Bei uns ist – und darüber freue ich mich sehr - der Ausbildungsmarkt weitgehend ausgeglichen.“
„Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Pläne für eine zentrale Ausbildungsabgabe aufzugeben und statt allgemeiner Eckpunkte einen konkreten Entwurf für die Novellierung des Berufsbildungsgesetzes vorzulegen. Bereits für das kommende Ausbildungsjahr ab September 2004 müssen die Weichen für eine Stärkung der betrieblichen Ausbildung gestellt werden.“ So Polenz.