Ruprecht Polenz

Eine Institution wie Guantanamo kann und darf auf Dauer so nicht existieren

Rede von Ruprecht Polenz im Deutschen Bundestag zur Bundestagsdebatte "Guantanamo schließen: Für die Einhaltung von grundlegenden Menschenrechten und Grundfreiheiten beim Umgang mit Gefangenen" am 26.01.2006
Eine Institution wie Guantanamo kann und darf auf Dauer so nicht existieren.Es müssen Mittel und Wege für einen anderen Umgang mit den Gefangenen gefunden werden. Das steht für mich außer Frage.“
Audiomitschnitt (MP3)
Diese eindeutige und unmissverständliche Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel findet – so denke ich – die Unterstützung von uns allen.

Wir sind der Bundeskanzlerin dankbar dafür, dass sie dies nicht nur vor ihrer USA-Reise in einem Spiegel-Gespräch gesagt hat, sondern dass sie diese Position auch gegenüber dem amerikanischen Präsidenten mit Nachdruck vertreten hat.

Wir teilen die Auffassung der Bundesregierung, dass diese Gefangenen in Übereinstimmung mit demhumanitären Völkerrecht und den menschen-rechtlichen Mindeststandards zu behandeln sind.>P>Dazu gehören: menschliche Behandlung, Achtung der Person und der Ehre, Schutz vor Gewalttätigkeit und Einschüchterung, Anspruch auf ärztliche Behandlung sowie Gerichtsverfahren mit rechtsstaatlichen Garantien.

Es geht um die Frage:Wie führen wir den Kampf gegen den internationalen Terrorismus?

Wir verteidigen in diesem Kampf unser Recht auf Sicherheit für Leib und Leben. Wir verteidigen dieses Recht gegen Terroristen, die ihre Angriffe bevorzugt gegen sogenannte „weiche Ziele“ richten - eine zweifelhafte Umschreibung für Kinder, Frauen, alte Menschen, Zivilisten, unschuldige Opfer.Gegen Terroristen, die Angst und Schrecken verbreiten wollen durch immer grausamere Anschläge, denen möglichst viele Menschen zum Opfer fallen sollen.

Wir verteidigen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus unsere Freiheit, so zu leben, wie wir wollen, ohne anderen dadurch zu schaden.

Und wir verteidigen unsere Werte.

Wir verteidigen die Unantastbarkeit der Menschenwürde gegen Terroristen, die in einem rigiden Freund – Feind – Denken gefangen sind und für den Feind nur die Vernichtung übrig haben.

Wir verteidigen unseren Rechtsstaat gegen Terroristen, die sich keinerlei Recht verpflichtet fühlen.

Deshalb ist der internationale Terrorismus die gewalttätige, mordende Antithese zur Zivilisation.

Das, was wir verteidigen, definiert auch die Grenze der zulässigen Mittel.

Deshalb haben wir bei der Verabschiedung der sogenannten Anti-Terrorpakete zur Erhöhung unserer inneren Sicherheit darauf geachtet, die Freiheit nicht stärker einzuschränken als unabdingbar notwendig.>P>Aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde folgt zwingend ein absolutes Folterverbot. Man darf auch nicht „foltern lassen“. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde verbietet auch Handlungen, die eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe darstellen.>P>Und Rechtsstaatlichkeit gibt Anspruch auf rechtliches Gehör und faire Gerichtsverfahren.

Unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September haben die Vereinten Nationen alle Staaten dazu aufgefordert, beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus zusammenzuarbeiten, weil dieser Kampf nur in dieser Gemeinsamkeit aller Staaten gewonnen werden kann.

Das bedeutet, dass wir – nicht zuletzt, um Gefahren für unser Land abzuwehren – diese Zusammenarbeit nicht nur auf solche Staaten begrenzen können, die rechtsstaatliche Demokratien sind wie wir.

Aber wir dürfen bei dieser Zusammenarbeit die Grenzen nicht überschreiten, die uns unser Rechtsstaat setzt.

Die Zusammenarbeit kann umso enger sein, je mehr wir nicht nur im Ziel der Bekämpfung des Terrorismus einig sind, sondern auch im Hinblick auf die Grenze der zulässigen Mittel.

Auch in den USA, der ältesten Demokratie der Welt, wird mit großem Ernst um die Grenzen gerungen, die es auch beim Kampf gegen den Terrorismus einzuhalten gilt.

Welchen Rechtsstatus haben Mitglieder der Terror-Organisation Al Kaida?Wie sollen Gefangene behandelt werden, die des Terrorismus beschuldigt werden?Welche Verhörmethoden sind zulässig und wo liegen die Grenzen?

Ich finde die Offenheit und Intensität dieser inneramerikanischen Debatte beeindruckend.

Mein Eindruck ist, dass sich die amerikanische Diskussion in den bisher unterschiedlich bewerteten Fragen immer mehr den Positionen annähert, die auch von uns für richtig gehalten werden.

So hat die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice nach ihrem Europabesuch klargestellt, dass die US-Regierung ihre Verpflichtungen aus der Anti-Folter-Konvention anerkenne „- ob innerhalb oder außerhalb der USA“. Und sie hat zugesagt, dass internationale Vereinbarungen in den USA nicht anders ausgelegt werden als in Europa.

Und der US Supreme Court hat am 28. Juni 2004 in drei grundlegenden Urteilen entschieden, dass den Guantanamo – Gefangenen der Rechtsweg zu US-Gerichten offen stehe und sie sich auf die Justizgrundrechte der US – Verfassung berufen können.

Umgekehrt wächst auch bei uns die Erkenntnis, dass der internationale Terrorismus neue völkerrechtliche Fragen aufgeworfen hat, auf die auch wir und die Europäer noch keine befriedigende Antwort gefunden haben.

Die Bundeskanzlerin hat dem amerikanischen Präsidenten vorgeschlagen, diese Fragen noch stärker als bisher im Rahmen der Vereinten Nationen zu diskutieren.

Wir sollten diese Diskussion mit unseren amerikanischen Partnern und Freunden in einem Geist und mit einer Sprache führen, die deutlich machen, dass wir uns den gemeinsamen Werten verpflichtet fühlen.

Lassen Sie mich schließen mit einem Zitat des amerikanischen Senators John Mc Cain:

„Die Feinde, die wir bekämpfen, haben keine Achtung vor menschlichem Leben oder vor den Menschenrechten. Sie verdienen nicht unser Verständnis. Aber es geht nicht darum, wer sie sind. Es geht darum, wer wir sind. Es sind unsere Werte, die uns von unseren Feinden unterscheiden und wir dürfen unseren Feinden nie und niemals erlauben, uns diese Werte wegzunehmen.“