Der Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz (CDU) hat in einem Schreiben an den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan gegen die Verurteilung des Chefredakteurs der Istanbuler Zeitung „Agos“, Hrant Dink, protestiert. Dink ist aufgrund Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches wegen „Erniedrigung der türkischen Identität“ zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der Redakteur hatte sich einem Beitrag mit der Erinnerung an die Massaker an den Armeniern von 1915 bis 1917 auseinandersetzt.
Auch der Schriftsteller Orhan Pamuk, der in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten wird, ist auf Grundlage des Paragraphen 301 angeklagt. Er hatte öffentlich gesagt, in der Türkei seien 30.000 Kurden und eine Million Armenier umgebracht worden. Bereits im September hatte Polenz sich ebenfalls an Erdogan gewandt und das Verfahren gegen Pamuk kritisiert.
„Beide Verfahren zeigen, dass der Paragraph 301 des Strafgesetzbuches, das am 1. Juni 2005 in Kraft getreten ist, ebenso wie der Paragraph 159 des alten Strafgesetzbuches von Vertretern der türkischen Justiz dazu missbraucht wird, die Presse- und Meinungsfreiheit einzuschränken. Die Formulierung der Vorschrift, wonach die „Beleidigung und Verhöhnung des türkischen Staates und seiner Institutionen“ ebenso unter Strafe gestellt wird wie ein Verstoß gegen die „nationalen Interessen“ der Türkei ist offensichtlich viel zu unbestimmt, um solchem Missbrauch vorzubeugen,“ so der CDU-Politiker in seinem Schreiben an den türkischen Ministerpräsidenten.
Polenz weiter: „Sie selbst, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, haben wiederholt in Ihren Reden hervorgehoben, wie wichtig Meinungs- und Pressefreiheit für eine demokratische Türkei sind. Ich möchte mich deshalb der Forderung von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen anschließen, die dringend darum bitten, die notwendigen Initiativen zu ergreifen, damit der Paragraph 301 des türkischen Strafgesetzbuches ersatzlos abgeschafft wird.“