"Niemand darf wegen seiner Herkunft, seiner Weltanschauung oder aus sonstigen Gründen diskriminiert werden, auch nicht am Arbeitsplatz". Darin sind sich der Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz und die Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen ebenso einig wie in ihrer Einschätzung über das von der Bundesregierung geplante Antidiskriminierungsge-setz, das genau dies sicherstellen soll: "Es wird nicht im erhoff-ten Maße dazu beitragen, Diskriminierungen zu verhindern, schießt deutlich über die von der EU gestellten Anforderungen hinaus und wird aufgrund der damit einhergehenden Bürokratie und der zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten zu einer weiteren Belastung für die deutsche Wirtschaft", so das Fazit von Polenz und dem für Recht zuständigen IHK-Geschäftsführer Dr. Jo-chen Grütters nach einem Gespräch in Münster.
Unverständlich ist für Grütters und Polenz vor allem, warum der deutsche Gesetzentwurf noch über die "ohnehin zu weit ge-henden Richtlinien aus Brüssel" hinaus geht. Das Gesetz sei ein "Anschlag auf die Vertragsfreiheit und das Gegenteil der versprochenen Entbürokratisierung", machte Grütters klar. Die Regeln schafften keinen akzeptablen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Betroffenen und der ebenfalls ver-fassungsrechtlich geschützten Vertragsfreiheit der gewerbli-chen Wirtschaft. Der IHK-Geschäftsführer spricht deshalb von einer unnötigen Einschränkung der Handlungsfreiheit und einer Unverhältnismäßigkeit der Mittel.
Spürbare Auswirkungen befürchtet Grütters auf die Einstel-lungspolitik der Unternehmen: „Wenn sich die Arbeitgeber dar-auf einstellen müssen, dass sie Bewerbungsgespräche nur noch unter Hinzuziehung von neutralen Zeugen führen sollten, damit ihnen bei einer Stellenbesetzung keine Diskriminierung vorgeworfen werden kann, werden sie sich zukünftig jede Neu-einstellung gut überlegen", prognostiziert Grütters. Wie bei-spielsweise solle der Inhaber einer Bäckerei sicherstellen, dass ein Kunde eine weibliche Verkäuferin nicht als "Tratschtante" bezeichnet? Wenn ein Arbeitgeber dagegen keine Schutzmaß-nahmen ergreife, gehe er nach dem Gesetzentwurf das Risiko ein, dass die Arbeitnehmerin die Arbeit verweigert und trotzdem einen Lohnanspruch behält. Zudem müsse der Arbeitgeber für die nicht beeinflussbaren Äußerungen Dritter haften, macht Grütters die Tragweite des Gesetzes deutlich.
Das deutsche Recht enthalte bereits jetzt an verschiedenen Stellen Sanktionen für diskriminierendes Verhalten, machten Polenz und Grütters deutlich. Durch Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes sei ein Diskriminierungsverbot schon lange Leitgedanke für das deutsche Rechtssystem. Eine vernünftige Anwendung der bestehenden Gesetze müsse ausreichen. Bei-de Fachleute sehen erheblichen Nachbesserungsbedarf bei dem geplanten Antidiskriminierungsgesetz.