Ruprecht Polenz

Vehementes Interesse an Stabilität in Pakistan

Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Diese Debatte hat deutlich gemacht, dass wir alle anerkennen: Pakistan ist ein strategischer Schlüsselstaat - unabhängig von all den Problemen, die hier zu Recht beschrieben worden sind -, und zwar zum Ersten wegen seiner Atomwaffen und zum Zweiten wegen seiner Bedeutung im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
Wir dürfen es uns nicht zu einfach machen mit der Frage: Wie sieht es jetzt aus, und hätte man das verhindern können? - Wir müssen einfach erkennen, dass der Staat Pakistan von Anfang an ein großes Identitätsproblem gehabt hat, das er bis heute nicht hat lösen können. Es ist im Wesentlichen, wenn ich es richtig sehe, eine Art Antiidentität, die den pakistanischen Staat zusammenhält. Vor allem ist man antiindisch. Man ist jetzt zunehmend antiwestlich im Allgemeinen und antiamerikanisch im Besonderen.

Weil sich dieser Staat auf den Islam begründet hat, war von Anfang an der Widerspruch inhärent, den der Islam für das Staatsverständnis beinhaltet, nämlich eigentlich eine weltumfassende Umma der Gläubigen zu sein, was sich nicht einfach in eine nationalstaatliche Schublade stecken lässt. Aus der vorhin skizzierten Antiidentität heraus hat sich die spezielle islamische Ausprägung in Pakistan zunehmend zu einer Art Dschihad-Islamismus entwickelt.

Diese schwierige Grundlage hat dazu geführt, dass das Land in den 60 Jahren seiner bisherigen Unabhängigkeitsgeschichte 30 Jahre vom Militär regiert wurde, weil das Militär wohl immer wieder die einzige Klammer war, die das Land zusammengehalten hat. Aber wir wissen aus der Entwicklung in Lateinamerika und anderswo, dass Streitkräfte in einer solchen staatstragenden Rolle selten Geburtshelfer für demokratische Verhältnisse sind. Jetzt sehen wir, dass der Ausnahmezustand die Lage noch weiter zuspitzt. Ich kann mich natürlich allen Forderungen, die hier erhoben worden sind, anschließen.

Folgendes bleibt aber unabhängig von der schwierigen Problematik bestehen: Wir haben mit unseren 40.000 Soldaten der ISAF-Truppen in Afghanistan ein ganz vehementes Interesse an Stabilität in Pakistan und an einer pakistanischen Regierung, die in der Lage ist, den Kämpfernachschub nach Afghanistan unter Kontrolle zu bekommen. Wir haben natürlich - dazu will ich noch ein paar Worte in Ergänzung zu dem sagen, was der Kollege Hoyer angesprochen hat - das unmittelbare vitale Interesse, dass die Atomwaffen, über die Pakistan verfügt, nicht in die falschen Hände geraten. Diese Gefahr ist mit dem Ausnahmezustand gewachsen.

Wir haben, wenn wir ehrlich sind - das hat mein Kollege von Klaeden richtigerweise gesagt -, wenig eigene Einflussmöglichkeiten als Bundesrepublik Deutschland; diese Möglichkeiten sollten wir nicht überschätzen. Die Europäische Union muss - das würde ich mir, gerade im Hinblick auf die hier angemahnte Überprüfung der Militärzusammenarbeit, wünschen - hier zu gemeinsamen Positionen finden. Sonst nützen die Forderungen, unsere Form der Kooperation zu überdenken, wenig; das muss auf europäischer Ebene überprüft werden. Ich schließe mich durchaus dem Wunsch an, bei der Militärhilfe jetzt eine Art Moratorium vorzusehen, um zu schauen, mit wem wir es nach der - hoffentlich erfolgreichen - Bewältigung der Krise in Pakistan dauerhaft zu tun haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Bei der Überprüfung des Atomwaffensperrvertrages müssen wir mittelfristig natürlich auch darüber nachdenken, welche Brücken der Sperrvertrag Ländern wie Indien, Pakistan und Israel bieten kann, in das Regime zurückzukehren oder einzutreten. Darüber wird bisher nicht allzu viel nachgedacht. Ich möchte uns alle auch dazu auffordern, hier gemeinsam Wege zu finden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenigstens müsste man versuchen, aus dem indisch-amerikanischen Abkommen einen Weg generellerer Art zu finden, der dann auch für die anderen Länder gilt, die näher an den Atomwaffensperrvertrag herangeführt werden sollten.

Nun zum Kampf gegen den Terrorismus. Es wird immer gesagt, unsere offenen Gesellschaften seien besonders anfällig. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall: Unsere demokratischen Werte sind die stärkste Waffe im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt für das, was wir intern machen, und das muss mindestens mittelbar bei der Frage zum Ausdruck gebracht werden, mit welchen Partnern wir den internationalen Terrorismus bekämpfen. Deshalb bleibt es wichtig - dazu werden meine Kollegen gleich noch sprechen -, dass wir die Respektierung der Menschenrechte und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung einfordern und dass wir denen, die in Pakistan genau dafür kämpfen, unsere Solidarität zusichern. Das ist das Ergebnis dieser Aktuellen Stunde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)