Historische Vergleiche bergen die Gefahr, die aktuelle Politik in die Irre zu führen. Wer angesichts des russischen Vorgehens gegen Georgien davon spricht, dass jetzt der kalte Krieg wieder ausbreche, legt gleichzeitig auch eine bestimmte Strategie im Umgang mit Russland fest: Eindämmung und Isolierung.
Aber die bipolare Welt des kalten Krieges gibt es nicht mehr. Zu sehen sind eher Vorboten einer multipolaren Welt des 21. Jahrhunderts. Russland glaubt, sich als imperiale Großmacht alten Stils benehmen zu können: Staaten im „nahen Ausland“ will Moskau nur eine begrenzte Souveränität zugestehen, sieht sie als eigenen Einflussbereich, den es gegen andere zu verteidigen gelte. Dieses Denken lässt sich durch Zusammenarbeit und Dialog eher verändern als durch Versuche, Russland zu isolieren, wenn gleichzeitig deutlich wird, dass es vom russischen Verhalten abhängt, wie eng wir die Zusammenarbeit gestalten können.
Statt zu einer Lösung der „eingefrorenen“ Nationalitätenkonflikte im Kaukasus beizutragen hat Russland sie benutzt und angefacht, um das nach Westen strebende Georgien unter Druck zu setzen. Russland will Georgien kontrollieren, weil das Land für die Energieversorgung Europas von strategischer Bedeutung ist. Moskau will sicherstellen, dass Gas und Öl aus den zentralasiatischen Staaten nur über russisches Territorium oder durch von Russland kontrollierte Länder mit Pipelines nach Europa transportiert werden kann.
Europa hat deshalb an der Unabhängigkeit Georgiens ein vitales Interesse. Die EU muss das Land weiter unterstützen auf seinem Weg zu Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft. Russland gegenüber muss die EU unmissverständlich deutlich machen, dass das militärische Vordringen auf georgisches Kernland und die Bombardierung georgischer Städte und Dörfer völkerrechtswidrig war.
Russland sieht sich selbst als europäisches Land. Wer politisch zu Europa gehören will, muss europäische Werte teilen und sich entsprechend verhalten. In den jetzt beginnenden Verhandlungen über das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen wird sich herausstellen, ob Russland wirklich zu Europa gehören will.
Dieser Text erschien als "Gastkommentar" in der "Braunschweiger Zeitung" vom 18. August 2008