Gerade rast rechts ein dunkler Kombi vorbei, das Klingeln der Fahrradglocke wird immer lauter. Menschenstimmen, eifriges Treiben im Schatten der großen Bäume der Promenade in Münsters Innenstadt. Mitten im Geschehen steht der Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz, einige Beobachter schauen zu. Polenz fällt es schwer, mit der Flut der Informationen klar zu kommen und sich gleichzeitig auf die verletzte Radfahrerin zu konzentrieren. Die junge Frau liegt neben ihm, auf dem kalten Asphalt der Promenade. Auf der Haut sind sind blutende Schürfwunden des Sturzes zu sehen. Die Hose ist gerissen, verfärbt sich langsam mit dunkelrotem Blut aus dem aufgeplatzten Knie „Was jetzt?“ – Diese Frage müsste sich der Bundestagsabgeordnete vielleicht stellen, wenn er Medizin-Student an der Universität Münster wäre und im Studienhospital seine ersten praktischen Übungen am Patienten absolvieren müsste.
Dr. Bernhard Marschall, Studiendekan der Medizinischen Fakultät und Facharzt für Chirurgie führt eine zehnköpfige Gruppen durch die Räume des Studienhospitals der Universität Münster. Um die Studenten die Angst vor dem Patienten zu nehmen, das Selbstbewusstsein und das Reaktionsvermögen zu stärken werden im Studienhospital reale Situationen nachempfunden. So kann man in dem Raum, in dem der Arzt und der Bundestagsabgeordnete stehen, eine Szene nachstellen. Im Hintergrund läuft auf einer halbkreisförmigen, den halben Raum füllenden Leinwand eine alltägliche Situation. Aufgabe des Studenten ist es, dem Patienten mit fiktiven Symptomen zu helfen. In den Zuschauerreihen sitzen auf roten Kinosesseln Studenten und Dozenten, die anschließend auswerten, wie die Reaktion des zukünftigen Arztes war. Auch die fiktiven Patienten, die von ausgebildeten Theaterschauspielern gemimt werden, geben ihr Feedback.
Ein anderes Zimmer – ein anderes Bild. Es wirkt bedrückend, die Luft scheint steril, das Krankenbett ist frisch bezogen. Die Zeitschrift Geo auf der Ablage erzählt mit ihren bunten Bildern von schönen Landschaften in Südafrika. Doch der alten Dame im Krankenbett scheint es nicht gut zu gehen. Sie ist blass, ihren Augen sind eingefallen, die Hände liegen müde auf der Bettdecke, die Finger sind gekrümmt. „Auch damit muss man erst umzugehen lernen“, erklärt Dr. Marschall. Wenn dem Patienten nur noch palliativ geholfen werden könne, dann kommen Emotionen ins Spiel. Der Arzt baue eine Beziehung zu dem Patienten auf, erzählt Dr. Marschall „In solch einem Moment die richtigen Worte zu finden, ist sicherlich nicht leicht“, meint auch Ruprecht Polenz, der sehr beeindruckt ist von dem praktischen Angebot, dass die Fakultät Medizin ihren Studenten macht. Polenz würde sich über ebensolche kreative Lehre an den anderen Instituten der Hochschule freuen und lobt: „Das Studienhospital ist ein ausgezeichnetes Beispiel für innovative Forschung und Lehre.“
Von Kerstin Kotterba