Ruprecht Polenz

Rede von Ruprecht Polenz im Deutschen Bundestag anlässlich der Beratungen zum Bundeshaushalt 2011

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Diese Haushaltsplanberatungen finden in einer besonderen Atmosphäre in Deutschland statt. Wir bemerken überall eine starke Polizeipräsenz auf den Straßen. Das sind Vorkehrungen gegen den internationalen Terrorismus, und das macht einmal mehr deutlich, dass auch wir in Deutschland von dieser Geißel der Menschheit, so möchte ich es einmal nennen, betroffen sind. Von den ersten Anschlägen Ende der 90er-Jahre auf amerikanische Botschaften in Ländern Afrikas über den schrecklichen Anschlag am 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon und die Anschläge in London und Madrid bis zur Gegenwart hat uns der internationale Terrorismus immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Zum Glück haben wir es dank unserer Sicherheitsdienste bisher vermeiden können, dass solche Anschläge in Deutschland verübt wurden. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen, die bei den Sicherheitsbehörden, aber auch in der präventiven Außen- und Sicherheitspolitik dazu beigetragen haben, dass wir das bisher so hinbekommen haben, bedanken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nun gibt es Stimmen in Deutschland, auch bei uns im Parlament, die sagen: Wenn wir uns nicht einmischen würden, wenn wir nicht in Afghanistan wären, wenn wir uns im Nahen Osten nicht engagierten, dann hätten wir Ruhe vor dem internationalen Terrorismus; nach dem Motto: Wenn wir niemandem etwas tun, dann tut uns auch niemand etwas.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Die Chancen wären größer!)

Herr Gehrcke, es gibt keine groteskere Verkennung der Wirklichkeit und keine größere Verkehrung von Ursache und Wirkung als die, die diesem Argument, das gelegentlich leider auch von der Linksfraktion verwandt wird, zugrunde liegt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Terrorismus lebt von der Unschuld der Opfer. Deshalb gibt es nur die Antwort, ihm gemeinsam, geschlossen, fest und gelassen entgegenzutreten, wie wir das bisher gemacht haben. Deutschland übernimmt Mitverantwortung für die internationale Sicherheit, weil in einer globalisierten Welt ein Wagenburgdenken wir kapseln uns ab und schließen uns ein nicht zu mehr Sicherheit führt. Das ist ein völlig unrealistischer Ansatz.

Die deutsche Außenpolitik hat eine große Kontinuität aufzuweisen, über mehrere Regierungen hinweg. Nehmen Sie das Beispiel Afghanistan: Das ist ein Beleg dafür, wie wir internationale Verantwortung mit übernehmen, wie wir mit für internationale Sicherheit sorgen, damit Afghanistan, so hat es General Petraeus gestern als Ziel unserer Aufgabe beschrieben, nicht wieder Rückzugsraum für den internationalen Terrorismus werden kann.

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber mit wenig Erfolg!)

Die Übergabe in Verantwortung, auf die wir in Afghanistan jetzt gemeinsam zusteuern, ist natürlich abhängig von den Fähigkeiten Afghanistans einerseits und der Entwicklung der Sicherheitslage im Land andererseits. Wir werden darüber im Zusammenhang mit den Fortschrittsberichten der Regierung der erste wird in neuer Form im Dezember vorgelegt im Parlament zu diskutieren haben.

Mir kommt es darauf an, zu betonen, dass wir eine große Kontinuität in der Außenpolitik haben, ausgehend von dem Beschluss der damaligen rot-grünen Bundesregierung, dass wir uns in Afghanistan engagieren, über die jeweiligen Mandatsverlängerungen bis heute. Wenn ich diese Kontinuität erwähne, ist das gleichzeitig ein Appell an diejenigen, die diese Politik seinerzeit eingeleitet haben und sich jetzt in der Opposition möglicherweise einen schlanken Fuß machen wollen, weil sie nicht bereit sind, die Verantwortung für die internationale Sicherheit zu tragen. Das werden wir bei den weiteren Diskussionen über die Mandatsverlängerungen, insbesondere im Zusammenhang mit Afghanistan, sehen.

Heute werden wir noch über Atalanta diskutieren. Dabei geht es um die Pirateriebekämpfung vor Somalia, weil Somalia nicht in der Lage ist, die eigenen Küstengewässer zu schützen.

Wir werden heute auch die Diskussion über die Mission Althea in Bosnien führen. Auch hier zeigt sich, genauso wie im Fall des Kosovo, die große Kontinuität deutscher Außenpolitik. Die damalige Interventionsentscheidung, mit der NATO die Albaner im Kosovo vor den Serben zu schützen, war eine Entscheidung der rot-grünen Bundesregierung, die von der Opposition unterstützt worden ist. Wir sind heute noch dabei, mit den Folgen dieser richtigen Entscheidung so umzugehen, dass der Balkan in die Lage versetzt wird, sich selbsttragend zu stabilisieren. Eine Folge ist letztendlich auch - das ist das Versprechen aus dem Stabilitätspakt für den Balkan, das die Europäische Union gegeben hat -, dass einmal alle Länder dieser Region der Europäischen Union beitreten können.

Wir haben einen wichtigen Zwischenerfolg dahin gehend erreicht - da möchte ich dem Außenminister gratulieren -, dass Serbien - diesem Land fällt die Anerkennung des Kosovo und die Kenntnisnahme der damit verbundenen Fakten nach wie vor sehr schwer - bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen auf einen Kurs des Dialogs mit der Europäischen Union über diese Frage eingeschwenkt ist. Auch hier gibt es also eine große Kontinuität deutscher Außenpolitik.

Wer heute Morgen die Zeitung gelesen hat, der wird festgestellt haben, dass sich das Weltgeschehen nicht nur bei uns abspielt. Die Menschen in Asien machen sich Sorgen vor einem neuen Koreakrieg. Da haben wir als Deutsche und als Europäer relativ wenige Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Einmal wieder schauen alle Augen auf Washington und in diesem Falle auch auf Peking.

Wir haben darüber nachgedacht, was der Ausgang der amerikanischen Kongresswahlen für die Fähigkeit der Amerikaner bedeutet, sich außenpolitisch zu engagieren. Egal welche Schlussfolgerungen man da im Einzelnen ziehen möchte, ist für mich eines klar: Die Europäer werden im Zweifel eher mehr als weniger Verantwortung übernehmen müssen. Wir werden nicht alles auf die Amerikaner abladen können, die jetzt auch bei der Lösung der Korea-Krise in starkem Maße gefordert sind. Eher mehr Verantwortung für Europa heißt natürlich auch: eher mehr Verantwortung für Deutschland.

Das gilt auch mit Blick auf den Nahen Osten, wo die Europäer sicherlich nicht diejenigen sein können, die es den Palästinensern und Israelis leichter machen können, Frieden zu schließen. Aber wir können an dieser Stelle hilfreich sein. Ich hoffe, dass die Verhandlungen in den nächsten drei Monaten zu einer Einigung über den Grenzverlauf führen; denn eine solche Einigung zwischen Israel und einem palästinensischen Staat würde endlich die Abwärtsspirale stoppen, in der sich der Friedensprozess spätestens seit Beginn der zweiten Intifada im Jahre 2000 befindet.

Lassen Sie mich noch etwas zum Iran sagen. Der Iran legt - das wissen alle, die mit iranischen Politikern sprechen - größten Wert darauf, dass er mit Würde und Respekt behandelt wird und dass man ihm auf Augenhöhe begegnet. Aber er muss sich dann auch entsprechend verhalten und zunächst die Menschenwürde der eigenen Bürgerinnen und Bürger respektieren.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört, dass Wahlen so durchgeführt werden, dass dieser Respekt vor den eigenen Bürgerinnen und Bürgern und ihrer Entscheidung zum Ausdruck kommt. Dazu gehört auch, dass die barbarischste Form der Todesstrafe, die Steinigung, ohne Wenn und Aber abgeschafft wird.

(Beifall im ganzen Hause)

Natürlich darf die Steinigung von Frau Aschtiani nicht vollzogen werden. Wir fordern, dass sie einen fairen Prozess bekommt.

Was die beiden deutschen Journalisten angeht, will ich an dieser Stelle Folgendes sagen: Es ist eigentlich ein Akt der Selbstverständlichkeit, dass für sie die Möglichkeit besteht, sich zu Weihnachten mit ihren Familien zu treffen. Wenn sie eine Ordnungswidrigkeit begangen haben sollten, dann muss dies in einem schnellen, geordneten und fairen Verfahren festgestellt und zu einem Abschluss gebracht werden, damit die beiden Journalisten möglichst bald zurück in Deutschland sein werden.

Zur Nuklearpolitik. Auch hier besteht eine große Kontinuität in der deutschen Außenpolitik. Die „EU-3 plus 3“-Verhandlungen kommen jetzt wieder in Gang. Es wird darum gehen, vom Iran Garantien für eine dauerhafte friedliche Ausrichtung seines Atomprogramms zu bekommen. Als Erstes wird es um Transparenz gehen. Diese Transparenz liegt im eigenen iranischen Interesse. Denn mangelnde Transparenz birgt schon jetzt das Risiko, dass ein nukleares Wettrüsten in der Region einsetzt, weil die umliegenden Länder nicht genau wissen, was der Iran tatsächlich im Schilde führt. Deshalb hoffe ich sehr, dass die Verhandlungen zu einem Erfolg führen.

Der amerikanische Verteidigungsminister Gates hat gesagt: Die einzige langfristige Lösung, iranische Nuklearwaffen zu vermeiden, ist die Einsicht des Irans selbst, dass Atomwaffen nicht in seinem Interesse liegen. - Die Sanktionspolitik soll diese Einsicht befördern, indem sie deutlich macht: Erstens. Iran isoliert sich. Zweitens. Die Weltgemeinschaft steht gegen dieses Programm. Drittens. Die politischen und moralischen Kosten werden durch die Sanktionen erhöht. Viertens. Wir machen gleichzeitig ein Kooperationsangebot für den Fall, dass der Iran seine Politik ändert.

Letzter Satz. Als Parlamentarier daran möchte ich ausdrücklich festhalten dürfen wir den Gesprächsfaden zum Iran auch weiterhin nicht abreißen lassen, trotz aller Probleme, die es im Augenblick gibt. Ich sage das deshalb, weil mich, wie wahrscheinlich viele andere Kollegen, viele Briefe und E-Mails erreicht haben, in denen die Reisen unserer Kollegen kritisiert wurden. Ich weise das zurück. Die Reisen waren sinnvoll, und wir müssen auf diesem Weg weiterarbeiten, sonst werden wir im Iran keine Änderung der Politik mit diplomatischen bzw. politischen Mitteln erreichen. Denn dazu gehört auch der direkte Kontakt zwischen Parlamentariern und ihren Counterparts in Teheran.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)