Ruprecht Polenz

Rede im Deutschen Bundestag von Ruprecht Polenz anlässlich Regierungserklärung durch die Kanzlerin zum G8-Gipfel in Deauville am 26./27.5.2011

Präsident Dr. Norbert Lammert: Nun freuen wir uns, dass der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses seinen heutigen Geburtstag mit einer Rede im Plenum des Deutschen Bundestages für die CDU/CSU-Fraktion schmücken möchte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst herzlichen Dank für die freundlichen Glückwünsche.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD hat in seiner Rede kritisiert, dass die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung so oft von Zuhören, von Beitragen und von Unterstützen gesprochen hat. Ich bin gerade aus Tunis und Kairo zurückgekommen, wo wir in der vergangenen Woche mit einer Delegation des Auswärtigen Ausschusses gewesen sind. Die neuen Kräfte dort, die Menschen, die auf dem Tahrir-Platz so mutig demonstriert und Kopf und Kragen riskiert haben und weiter riskieren, erwarten genau das von uns, nämlich, dass wir zuhören, dass wir beitragen und dass wir unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Dr. Rolf Mützenich (SPD))

Sie sagen zu Recht: Das ist unsere Revolution. Wir wollen nicht länger bevormundet werden weder von unserer Regierung noch vom Westen. Deshalb war die Kritik, es sei hier zu wenig aktiv und mit eigenen Vorschlägen vorgegangen worden, meines Erachtens völlig neben der Sache. Mit einer besserwisserischen Hoppla-jetzt-komme-ich-Außenpolitik würden wir den Erwartungen und Hoffnungen der arabischen Freiheitsbewegung überhaupt nicht gerecht werden.

Freiheit, Würde, Arbeit: Dafür sind Jung und Alt, Männer und Frauen überall in der arabischen Welt auf die Straße gegangen, und sie tun das noch oft, wie zum Beispiel jetzt in Syrien immer wieder, unter Einsatz ihres Lebens. Wir bewundern diesen Mut, wir teilen diese Werte, wir hoffen und wollen helfen, soweit wir können, damit diese Bewegung auch Erfolg hat. Dem arabischen Frühling müssen ein Sommer und eine Ernte folgen, es darf keine neue Eiszeit geben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Freiheit, Würde, Arbeit: Die Menschen in Tunesien und in Ägypten wollen frei und in Würde leben. Sie wollen eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit drückt hier besonders. Deshalb ist es genau der richtige Ansatz, dass jetzt auf dem G 8 Gipfel auch auf Vorschlag der Bundesregierung hierauf ein Schwerpunkt gesetzt wird. Alle Gesprächspartner in Tunis und Kairo haben uns gesagt, dass für den Erfolg der arabischen Revolution neben der Schaffung demokratischer Institutionen und rechtsstaatlicher Strukturen vor allen Dingen die Wirtschaft entscheidend ist. Deshalb ist es auch gut, dass Tunesien und Ägypten an dem G 8 Gipfel teilnehmen. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden: Wir wollen das partnerschaftlich auf Augenhöhe miteinander besprechen.

Man darf aber nicht übersehen: Die beiden Ministerpräsidenten stehen einer Übergangsregierung vor. Es sind eher technokratische Regierungen, wobei die Legitimation in Tunesien sicherlich ein beträchtliches Stück höher ist als im Augenblick in Ägypten. Tunesien ist insgesamt auf einem guten Weg. Dort kann man die Hoffnung haben, dass die Überleitung in demokratische Institutionen gelingt.

Bei Ägypten muss man leider sagen: Das ist noch nicht ganz sicher. Die Bundeskanzlerin hat zu Recht gesagt: Mehrparteiensystem, marktwirtschaftliche Strukturen und Rechtsstaat - davon wollen wir unsere Hilfe abhängig machen. Ich möchte nur darauf hinweisen das muss auch auf dem G 8 Gipfel ein Thema sein : In Ägypten gilt noch immer der Ausnahmezustand. In Ägypten urteilen Militärgerichte über Demonstranten, und sie verhängen Gefängnisstrafen von drei bis fünf Jahren. Es gibt in Ägypten das ist hier von fast niemandem kommentiert worden ein Parteiengesetz zur Registrierung neuer Parteien, wonach man nicht nur 5 000 Mitglieder braucht darüber lässt sich ja noch reden , sondern diese Mitglieder müssen sich auch notariell registrieren lassen, ihre Namen werden in den größten Tageszeitungen Ägyptens veröffentlicht, und sie müssen eine Geldsumme bezahlen. Welchen Mut es erfordert, sich in einem solchen Land für eine neue Partei zu entscheiden und mit dem eigenen Namen dafür einzustehen, wenn man vielleicht noch die Sorge haben muss, dass daraus die nächste Internierungsliste wird, wenn die Sache nicht so gut ausgeht, wie man es sich erhofft, können diejenigen nachempfinden, die sich öfter mit Systemen beschäftigen, die noch keine Demokratien sind. All das muss, finde ich, auch auf dem Gipfel angesprochen werden.

Der Militärrat hält in Ägypten nach wie vor das Heft in der Hand und lässt sich nicht in die Karten schauen. Hier ist Transparenz gefordert. Notwendig ist auch mehr Klarheit in der Frage, wie der Übergang organisiert werden soll. Es hat keinen Sinn, Geld in die alten ägyptischen Strukturen zu geben. Das will ich an dieser Stelle festhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Besondere an der arabischen Revolution ist Analysen zufolge: Es gibt keinen Führer. Es gibt keine Partei. Es gibt kein Programm. Das ist jetzt ein Problem. Man war sich einig in den Forderungen nach einem Rücktritt von Ben Ali und Mubarak und darin, künftig in Würde und Freiheit leben zu wollen. Das heißt, keine Repression, keine Korruption und kein Nepotismus mehr. Aber wie kommt man dahin?

Hier setzt die Beratungsaufgabe ein. Dabei leisten die Stiftungen hervorragende Arbeit. Davon haben wir uns überzeugt. Auch das Goethe-Institut hat in beiden Ländern seine Programme so umgestellt, dass es für die Entwicklung in Richtung Demokratie und Rechtsstaat hilfreich ist. Die Frage ist nun: Was hilft wirtschaftlich? Man muss wissen, dass es in Ägypten einen gigantischen Wasserkopf gibt: Über 45 Prozent der Beschäftigten sind im öffentlichen Dienst. Das bedeutet einen Wust an Bürokratie und jede Menge Möglichkeiten zum Handaufhalten und zur Korruption, etwa wenn es um Genehmigungen geht. Man muss mit der Regierung auch darüber sprechen, wie man sich hier Änderungen vorstellt.

Aber es gibt eine Möglichkeit, wie im Grunde jeder dazu beitragen kann, dass es in Tunesien und Ägypten wirtschaftlich wenigstens wieder etwas aufwärtsgeht, und zwar durch den Tourismus. Der Tourismus hat nicht nur den Vorteil, dass von dieser Branche ein Großteil der Wirtschaft abhängt. Selbst wenn vielleicht das eine oder andere Hotel in falschem Besitz ist, gibt es über die Beschäftigung in der Tourismusbranche auch einen Trickle-down-Effekt, der allen Menschen in diesen Ländern zugute kommt. Deshalb wäre es sehr wichtig, dass wir uns auch darüber Gedanken machen das richte ich auch an Ernst Hinsken , wie wir zum Tourismus in Richtung Tunesien und Ägypten ermutigen können, damit er wieder in die Gänge kommt. Denn die Sicherheitsprobleme, die zur Zurückhaltung geführt haben, sind, glaube ich, gelöst. Hier kann jeder, dem die arabische Revolution am Herzen liegt, einen eigenen Beitrag leisten. Er hat auch einen Vorteil: Es geht in schöne Länder.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)