Ruprecht Polenz

Polenz: "Amerika kann nicht mehr alle Konflikte allein lösen“

Ruprecht Polenz im Interview  mit  FOCUS Online, vom 09.11.2012.

Barack Obama bleibt für vier weitere Jahre Präsident der USA. Wie sieht Deutschland seine Wiederwahl? Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), gibt Antworten.

FOCUS Online: Was bedeutet die Wiederwahl von Barak Obama für die transatlantische Zusammenarbeit?

Ruprecht Polenz: „Ich bin froh, dass wir jetzt wieder Klarheit haben, wer die nächsten vier Jahre Präsident ist. In den letzten Monaten herrschte bei allen wichtigen Themen Stillstand, weil in Nahost und anderswo auf die Entscheidung gewartet wurde. Ich hoffe, dass Obama bei den außenpolitischen Prioritäten bleibt, die er bei seinem Amtsantritt vor vier Jahren als Agenda verkündet hat, für die er auch Friedensnobelpreis bekommen hat.“

FOCUS Online
: Das heißt kein Krieg mit Israel gegen den Iran?

Polenz: Der Iran muss durch politisch-ökonomischen Druck und durch Verhandlungen dazu gebracht werden, dauerhaft und nachprüfbar kein Atomwaffen-Programm zu verfolgen. Letztlich muss es auch direkte Verhandlungen der USA mit Iran geben, so, wie die USA auch mit Nordkorea über Sicherheitsgarantien sprechen.

FOCUS Online: Und wie kann Obama die Blockade Russlands im Sicherheitsrat überwinden?

Polenz: Amerika müsste mit Russland auch noch über andere Themen sprechen als Syrien, beispielsweise noch mal über die Raketenabwehr. Dann könnte Russland vielleicht einwilligen, in einem Übergangsprozess ohne Assad, mit einer Übergangsregierung unter Einschluss der Opposition und einer verfassungsgebenden Versammlung

FOCUS Online: Welche Impulse erhoffen Sie sich für den Nahost-Friedensprozess?

Polenz: „Es sollte möglich sein, jetzt zu erreichen, dass substanzielle Verhandlungen zwischen Israel und Palästinensern begonnen werden, die noch in Obamas Amtszeit in einer Zweistaatenlösung münden. Das ließe sich in den Grenzen von 1967 am besten erreichen.“

FOCUS Online: Welche Rolle spielt Amerika dabei?

Polenz: Die Amerikaner bleiben eine unverzichtbare Nation. Es gibt keinen Konflikt auf der Welt, der ohne Bemühen der USA gelöst werden könnte. Andererseits haben die USA auch aufgrund ihrer Finanzlage nicht mehr die Möglichkeit, diese Konflikte alleine zu lösen.“

FOCUS Online: Bedeutet das auch, dass sich Europa und Deutschland künftig stärker finanziell und militärisch beteiligen müssen?

Polenz: Ja, hier wird auch Deutschland künftig stärker gefordert sein. Wir können kein Interesse daran haben, dass sich die USA auf ihre insulare Situation zurückziehen und die Welt sich selbst überlässt. Aber das internationale Engagement wird für Obama auch innenpolitisch zunehmend eine Herausforderung sein.“

FOCUS Online: Eine andere Herausforderung ist die Wirtschaftslage. Wie kann sich Obama die Blockade im Kongress lösen, um wichtige Entscheidungen zu erzwingen?

Polenz: „In der Tat ist jetzt die spannendste Frage, wie schnell sich Demokraten und Republikaner im Kongress zusammenraufen. Der Druck zum Kompromiss wächst für beide Seiten. Die Republikaner müssen auf Obama zugehen. Das wird ihnen jetzt leichter fallen, weil er nicht noch einmal antreten kann. Aber auch Obama wird die eine oder andere Kröte schlucken müssen.“

FOCUS Online:
Könnte die Selbstkritik der Republikaner nach dem Wahlverlust zu mehr Demut führen?

Polenz: „Das Merkmal von ideologischen Bewegungen wie der Tea Party ist es, dass sie bei Niederlagen nicht dazu neigen, Fehler zu korrigieren, sondern die Dosis zu erhöhen. Die Republikaner könnten daher in die Versuchung geraten, die US-Gesellschaft weiter zu polarisieren. Das wäre für die internationalen Beziehungen nicht gut.“

FOCUS Online: Wenn es nicht zu einer Einigung im Kongress kommt, müssen wir dann im schlimmsten Fall eine Rezession für die USA und damit vielleicht auch die Welt befürchten?

 
Polenz: „Nein. Ich traue den USA mit ihrem Optimismus viel zu. Letztlich ist es eine Gesellschaft, die immer wieder die Ärmel hochkrempelt.“
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