CDU-Politiker hält Entsendung einer Blauhelm-Truppe für vorstellbar
  Ruprecht Polenz im Gespräch mit Mario Dobovisek, Dradio am 28. März 2013
  
  Ruprecht  Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, hält es  für problematisch, syrische Rebellen mit Waffen zu beliefern. Er könne  nicht beurteilen, ob die Waffen in die richtigen Hände kämen. Dafür sei  die Situation zu unübersichtlich, sagt der CDU-Politiker. 
  Mario Dobovisek: Weiter also keine  wirkliche Einigkeit über Waffenlieferungen für die syrische Opposition.  Am Telefon mitgehört hat Ruprecht Polenz, der CDU-Politiker ist  Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Guten Morgen,  Herr Polenz!
  
  Ruprecht Polenz: Einen schönen guten Morgen!
  
  Dobovisek:  Zwei Jahre Blutvergießen in Syrien, erstmals sollen auch Chemiewaffen  zum Einsatz gekommen sein - ist es an der Zeit, die syrische Opposition  auch mit Waffen zu unterstützen?
Polenz:  Sie haben ja gerade die Diskussion der europäischen Außenminister  referiert und darüber berichtet. Ich glaube, es ist deshalb so  schwierig, weil man wirklich in einem Dilemma ist. Die Situation ist ja  die: Es gibt kein internationales Waffenembargo, verhängt etwa durch den  Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Das führt zu einer Lage, dass  beispielsweise Russland und der Iran jede Menge Waffen an das  Assad-Regime liefern, und dass Länder aus der Region, wie man hört,  Saudi-Arabien oder Katar, Geld und Waffen an die Rebellen liefern - und  dort wohl nicht nur an die Gruppen, wo man sagen würde, ja, das ist in  Ordnung, die sind unter dem Kommando etwa von General Idriss und sind  keine extremistischen Gruppen. Also man hat da schon die Sorge, dass  auch besonders radikale Gruppen, die es ja unter den Rebellen auch gibt,  Waffen bekommen.    
Dobovisek: Was  spräche also dagegen, dass man seitens der Europäischen Union die Kräfte  fördert, die einem dann doch vielleicht ein bisschen sympathischer  wirken?    
Polenz: Ja, das ist genau  die Frage, die sich jetzt Frankreich und Großbritannien gestellt haben.  Dazu müsste man das europäische Waffenembargo aufheben. Die andere  Möglichkeit wäre: Man erreicht tatsächlich ein Waffenembargo, das der  Sicherheitsrat beschließt. Aber bisher war Russland und in der Gefolge  auch China nicht dazu bereit. Das ist die Ausgangslage. Auf der anderen  Seite spricht natürlich weiterhin gegen die Lieferung von Waffen die  Unübersichtlichkeit der Situation in Syrien. Kann man wirklich  ausschließen, dass Waffen in falsche Hände fallen? Wie wirkt sich das  aus, wenn man jetzt weiter auf militärische Auseinandersetzung setzt?  Und wird das Blutvergießen nicht dadurch möglicherweise noch schlimmer?  Das sind die Fragen, die die Entscheidung der Außenminister so schwierig  machen, und ich kann die Bundesregierung gut verstehen, wenn sie das  auf die Formel bringt: Wir sind weiter skeptisch. Ich selber als  Abgeordneter habe nicht die Möglichkeit, zu beurteilen: Wie sicher kann  man sein, wenn man Waffen liefert, ob sie in die richtigen Hände geraten  oder nicht?    
Dobovisek: Sie  sprachen an, dass das Waffenembargo ja ausgesetzt werden könne. Wenn ich  es richtig verstanden habe, wird das Ende Mai ohnehin auslaufen, muss  von allen 27 Mitgliedsstaaten einstimmig verlängert werden oder  abgeändert werden. Wenn das nicht geschieht, dann gibt es einfach kein  Waffenembargo mehr. Und William Hague, der britische Außenminister, hat  gestern ganz klar damit gedroht, auch im Alleingang zu handeln, sprich,  möglicherweise eine solche Verlängerung zu blockieren. Was klingt da  raus?    
Polenz: Interessanterweise  haben die Franzosen das so nicht gesagt, und ich fände es auch besser,  wenn sich die Europäische Union auch weiterhin auf ein gemeinsames  Vorgehen verständigen könnte, was auch darin liegen könnte letztlich,  dass die EU insgesamt sagt: Wir verlängern das Waffenembargo nicht und  sind dann auch dafür, dass eins der Länder, die sich das Urteil darüber  zutrauen, dass die Waffen in die richtigen Hände kommen, dann von ihren  Möglichkeiten Gebrauch machen. Aber das wäre dann Ende Mai der Fall,  diese Situation, wenn das Waffenembargo ausläuft. Die Frage, die sich  natürlich auch stellt, ist: Was passiert bis dahin? Wir haben im  Augenblick eine Situation in Syrien, wo nach den Meldungen, die wir  bekommen, täglich 120 bis 200 Menschen ums Leben kommen.    
Dobovisek:  Israels Staatspräsident Schimon Peres hat vor dem EU-Parlament in  seiner Rede ganz klar ein UN-Mandat gefordert für eine Blauhelm-Mission.  Wäre das aus Ihrer Sicht eine Option? So könnte man ja zumindest  sicherstellen, dass die Waffen nicht in falsche Hände geraten.    
Polenz:  Also eine UN-Mission, eine Blauhelm-Mission mit dann einer starken  Truppe und mit einem Kapitel-VII-Mandat könnte sicherlich die Situation  beruhigen. Die Frage ist nur: Wird der Sicherheitsrat so etwas  beschließen? Das würde auch bedeuten, dass Russland seine bisherige  Position ändern muss, und wir kommen immer wieder, wenn es um die  Vereinten Nationen geht, an diesen Punkt. Russland ist bisher nicht  bereit, seine schützende Hand von Assad wegzunehmen, von einem Assad,  der immer brutaler gegen die Bevölkerung vorgeht, der mit Skatraketen  auf Wohngebiete schießen lässt, und der seine Luftwaffe die Zivilisten  bombardieren lässt.    
Dobovisek: Welche Möglichkeit hätte da die Europäische Union ohne Russland zu agieren?    
Polenz:  Wir haben die Möglichkeit, zunächst einmal alles das zu tun, was jetzt  getan wird. Wir helfen humanitär, wir versuchen, uns so gut es geht, um  die Flüchtlinge zu kümmern, und wir versuchen, politischen Druck zu  machen.    
Dobovisek: Und Sie könnten Waffen liefern.    
Polenz:  Das könnten einige europäische Länder machen, und ich gebe ja jetzt  auch nur diese Debatte wieder, die jetzt in Irland geführt worden ist.    
Dobovisek: Dann möchte ich noch mal festhalten, Herr Polenz: Halten Sie persönlich eine Waffenlieferung für richtig? Ja oder nein?    
Polenz:  Ich persönlich bin auch weiterhin skeptisch, weil aus meiner Kenntnis  ich persönlich nicht sicher bin, dass sie in die richtigen Hände kommen.  Ich persönlich kann es nicht beurteilen. So haben Sie gefragt, so würde  ich Ihnen antworten.    
Dobovisek:  Der Stabschef der Freien Syrischen Armee Selim Idris sagt oder  behauptet, sobald aus der EU Waffenlieferungen kämen, würde das Regime  Assads innerhalb eines Monats gestürzt werden. Wie klingt denn, anders  gefragt, wie klingt denn diese Option für Sie?    
Polenz:  Ich habe schon vor einem halben Jahr von syrischen Oppositionellen  gehört: Es ist nur noch eine ganz kurze Frage der Zeit, bis Assad  militärisch aufgeben muss. Ich kann verstehen, dass man zu solchen  Einschätzungen kommt, aber niemand kann vorhersehen, ob sie tatsächlich  zutreffen. Ich glaube, dass General Idris diese Aussage nach seinem  besten Urteil gemacht hat, aber bisher haben wir solche Urteile auch von  anderen Oppositionellen gehört und sie sind nicht eingetreten.    
Dobovisek:  Bisher fehlen ja auch die Waffenlieferungen aus der Europäischen Union.  Darüber haben gestern die Außenminister der Europäischen Union beraten,  und es bleibt auch dabei: keine Waffen aus der EU für den Kampf gegen  Assad. Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz war das. Ich danke Ihnen  für das Gespräch!    
Polenz: Bitte schön!