Ruprecht Polenz

„Die arabische Jugend hat mehr bewegt als der Terror von Al Qaida“

Ruprecht Polenz in der Mai Ausgabe des Cicero

"Ruprecht Polenz, Vositzender der Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, über Bin Laden, das Ende eines vermeintlich starken Führers und seines starken Netzwerkes und die zweite große Gefahr für den Terrorismus: die friedliche Rebellion der arabischen Jugend.


Herr Polenz, was wissen Sie über die Umstände des Todes vom Al-Qaida-Führer Osama Bin Laden?
Ich kenne auch nur die Meldungen und die Rede des Präsidenten Barack Obama, in der er mitgeteilt hat, dass amerikanische Spezialkräfte bei einem Feuergefecht in der Nähe von Islamabad Bin Laden getötet haben.


Welche Auswirkungen hat diese Nachricht auf den internationalen Terrorismus?
Der Tod Osama Bin Ladens hat deshalb eine besondere Bedeutung, weil er sich gegenüber seinen Anhängern eine Art übermenschlichen Ruf zu verschaffen gesucht hat. Er wollte unverwundbar, unverletzlich wirken. Er wollte der starke Führer eines starken Netzwerkes sein. Insofern hat sein Tod auch seine Bedeutung beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Er zeigt, dass dieser Mann, der für den Tod vieler Tausend unschuldiger Frauen, Männer und Kinder verantwortlich ist, verloren hat. Bin Laden hat das Gift des Terrorismus in viele junge Menschen eingepflanzt und sie auch zu Mördern gemacht. Sein Tod macht nun deutlich, dass der Terrorismus verlieren wird. Allerdings muss man wohl davon ausgehen, dass das Terrornetzwerk Al Qaida noch nicht aufgibt.

Was bedeutet dies für Deutschland?
Für uns ist entscheidend, dass wir uns nicht einschüchtern lassen. Denn der Terrorismus lebt davon, dass er Furcht und Schrecken verbreitet und damit seine Wirkungen potenziert. Dem muss man widerstehen. Das ist die Kernbotschaft, wenn man sich mit Terrorismus auseinandersetzt. Und so ist dieses Ereignis jetzt ein gutes Signal.

Wobei Al Qaida offensichtlich mit seiner Zellenstruktur auch ohne einen Führer auskommt…
Das ist richtig. Aber wir dürfen nicht unterschätzen, dass es dazu Bausteine einer verbindenden Ideologie gibt. Diese Ideologie nährt sich zumindest teilweise aus dieser Selbstwahrnehmung: Wir Al-Qaida-Leute haben 1989 in Afghanistan die Sowjetunion besiegt und sind jetzt dabei, den Westen zu besiegen. Wir sind also unbesiegbar. Dieser Nimbus wird durch den Tod Bin Ladens erschüttert.
Die zweite ideologische Erschütterung erleben wir gerade in der arabischen Welt. Dort demonstrieren junge Leute gewaltfrei für Meinungsfreiheit, gegen Korruption und für freie Wahlen. Sie zeigen, dass sie auf diese Weise wirksam gegen ungerechte Verhältnisse und Korruption kämpfen können – ein Ziel, das sich angeblich auch die Terroristen auf ihre Fahnen geschrieben haben. Die Ereignisse in Tunesien oder Ägypten erschüttern den zweiten ideologischen Grundpfeiler von Al Qaida, der besagt, Veränderungen könne man nur mit Gewalt und Terror bewirken.
Deshalb sind die vergangenen Monate und der Tod von Osama Bin Laden aus unterschiedlichen Gründen zwei Meilensteine beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

Ist es üblich, im Kampf gegen den Terror Tyrannenmorde zu begehen? Gerade starb auch Gaddafis Sohn bei einem Nato-Luftangriff…
Das muss man auseinanderhalten. Die Nato hat durch die Resolution des Sicherheitsrates den Auftrag, die Zivilbevölkerung vor Gaddafis Truppen und seiner Gewalt zu schützen. Dazu gehört auch das Bekämpfen der Kommandozentralen von denen aus diese Truppen befehligt werden. Das war der Grund für den Angriff auf den Bunker, in dem auch Mitglieder der Gaddafi-Familie getroffen wurden. Es war nicht das primäre Ziel, bestimmte Personen zu töten, sondern es ging darum, eine Kommandozentrale auszuschalten. Das ist durch die UN-Resolution gedeckt, denn letztlich schützt man die Zivilisten umso besser, je weniger koordiniert die Milizen Gaddafis gegen sie vorgehen können.

Herr Polenz, vielen Dank für das Gespräch."

Das Interview führte Marie Preuß
 
Das Originalinterview finden Sie hier