Ruprecht Polenz

"Von außen stellt sich die EU als einzigartige Erfolgsgeschichte dar" Polenz zum möglichen EU-Beitritt Kroatiens

Ruprecht Polenz am 11. 06.2001 im Inteview mit der Berliner Zeitung

"Die EU kann noch wachsen"

Die Kommission der Europäischen Union empfiehllt den EU-Beitritt Kroatiens. Zagreb will sich für weitere Kandidaten in Südosteuropa stark machen. 

Ruprecht Polenz (CDU), der Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, warnt davor, jetzt den EU-Erweiterungsprozess zu bremsen.

Herr Polenz, die Europäische Union wird in ihren Gründerländern immer mehr in Frage gestellt; gleichzeitig scheint sie für Beitrittsaspiranten nichts an Attraktivität eingebüßt zu haben. Können Sie sich diesen Widerspruch erklären?


In jenen Staaten, die schon lange dabei sind, werden die Vorteile und Errungenschaften der Union immer selbstverständlicher hingenommen. Von außen jedoch stellt sich die EU als einzigartige Erfolgsgeschichte dar: als Friedensordnung - gerade in einem Land wie Kroatien, das noch in den 90er Jahren in Kriege verwickelt war. Als gemeinsamer Markt, der Wohlstand verspricht. Und als Antwort auf die Globalisierung, in welcher jedes einzelne europäische Land allein keine Chance hätte, seine Interessen durchzusetzen.

Mit Kroatien ist nun sechs Jahre verhandelt worden. Ist das Land reif für den Beitritt?

Zu diesem Ergebnis kommt die Europäische Kommission im Rahmen eines sehr aufwendigen Verfahrens. Der Begriff "Beitritts-Verhandlungen" ist ja irreführend. Im Grunde wird ja nicht verhandelt, sondern Kroatien - wie andere Länder davor - verpflichtet sich, den gesamten EU-Rechtsrahmen national umzusetzen.

Zuletzt gab es Zweifel, ob die Regierung in Zagreb etwa bei der Justizreform oder der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität die Beitrittskriterien erfüllt.

Nach Erkenntnissen der Kommission sind die notwendigen Fortschritte erreicht worden. Da der EU-Beitritt in allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss und sich dies über ein Jahr hinziehen wird, bleibt Kroatien unter Beobachtung. Denn die Erfahrung lehrt, dass nach den Anstrengungen des Beitrittsprozesses die Kräfte des designierten EU-Mitglieds erlahmen können.

Wie begründet ist die Euphorie in Serbien, dass man jetzt - nach der Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Mladic - praktisch freie Fahrt gen Europa hat?

Die Auslieferung ist zweifellos ein wichtiger Schritt. Allerdings steht auch Serbien ein langer, beschwerlicher Weg bevor; mit einer besonderen Hürde, nämlicher der Klärung der Kosovo-Frage.

Viele sagen Ja: Kroatien noch, dann muss eine längere Erweiterungspause eingelegt werden. Zu Recht?

Mit der Vertragsreform von Lissabon ist die Handlungsfähigkeit der EU deutlich verbessert worden. Sie ist damit auch wieder aufnahmefähiger worden. Es wäre ein Fehler und kontraproduktiv, wenn die Union jenen Kandidaten, die große Anstrengungen unternehmen, sich EU-reif zu machen, die Botschaft vermittelte: Macht mal langsam, wir sind noch nicht soweit!

Die Türkei genießt schon seit 1999 EU-Kandidaten-Status. Welche Reaktionen würde ein positiver Bescheid für Zagreb in Ankara hervorrufen?

Ich hoffe sehr, dass man in der Türkei auch nach den bevorstehenden Parlamentswahlen keine Bange vor weiteren Reformen haben und am Kurs Richtung Europa festhalten wird. Dieser Wille sollte aber deutlicher erkennbar sein als in den vergangenen Monaten.

Das Gespräch führte Michael Bergius.


Lesen Sie das Interview im Original auf den Seiten der Berliner Zeitung.