Ruprecht Polenz

"China soll konstruktiven Einfluss ausüben - auch bei Menschenrechten"

Ruprecht Polenz im SWR2-Tagesgespräch mit Uwe Lueb vom 27.06.2011.
Das Hörfunkinterview können Sie
hier Nachhören.

Lueb: In Berlin beginnen heute die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Die ersten dieser Art überhaupt. Wie steht es um die deutsch-chinesischen Beziehungen?

Polenz:
Die Beziehungen zwischen Deutschland und China sind, ich denke, für beide Länder sehr wichtig. China ist ein wichtiger Partner für die Lösungen der internationalen und globalen Fragen im 21. Jahrhundert und die Bundeskanzlerin hat auch aus diesem Grunde bei ihrem Besuch in China diese Regierungskonsultation vereinbart, die jetzt stattfinden.


Lueb: Bundesaußenminister Westerwelle hat angekündigt, er werde etwa den Fall des chinesischen Künstlers Ai Weiwei ansprechen, der vor wenigen Tagen frei kam, aber unter strengen Auflagen. Auch der Menschenrechtler Hu Jia ist nach jahrelanger Haft gestern frei gekommen. Zeitlich fällt das ja zusammen mit der Europareise des chinesischen Regierungschefs Wen Jiabao. Halten Sie das für einen Zufall oder sehen Sie dahinter chinesische Taktik?

Polenz: Nein, Zufall ist es sicherlich nicht, dass der Zeitpunkt jetzt von der chinesischen Seite so gewählt wurde. Man wollte einen Punkt von der Tagesordnung runternehmen, der sicherlich auf die Tagesordnung gehört, nämlich diese beiden Fälle, aber natürlich die Menschenrechtslage insgesamt. Das wird auch Raum einnehmen in den Gesprächen, sowohl
bei der Bundeskanzlerin als auch beim Außenminister. Aber es geht natürlich auch darum, wenn Sie den Außenminister ansprechen, die Lage in Nordafrika zu besprechen, im Sudan beispielsweise, aber auch rund um Afghanistan vor allen Dingen Pakistan, überall dort übt auch
China Einfluss aus und wir wollen, dass das ein konstruktiver Einfluss ist.

Lueb: Wie groß wird der Raum sein, den Menschenrechtsfragen einnehmen? Immerhin gibt es in China Menschenrechtsverletzungen zum Beispiel auch als Folge dieser „Ein-Kind-Politik“ in dem Land. Tausende Mädchen werden gezielt abgetrieben, als Babys
ausgesetzt oder verkauft. Es gibt Berichte über Zwangsabtreibungen. Das muss die CDU doch quasi alarmieren?

Polenz: Das tut es auch, und es wird sicherlich auch ein Thema sein. Einmal die Menschenrechtslage in China selbst, aber uns wird es auch darum gehen, mit China darüber zu reden, welchen Stellenwert die Menschenrechte bei der Politik gegenüber Drittländern haben.
Sehen Sie, wir sind jetzt gerade in Nordafrika dabei zu schauen, was kann man tun, damit aus dem arabischen Frühling ein Sommer wird, damit in den arabischen Ländern die Menschenrechte mehr respektiert werden, als das unter den autoritären Regierung der Fall war.
Und da wüssten wir gerne, ob China da auch an unserer Seite steht oder, ob es das wieder unter der Überschrift ´Keine Einmischung in innere Angelegenheiten´ nicht als Bestandteil der eigenen Politik akzeptiert.

Lueb:
China ist eine rasant wachsende Wirtschaftsmacht. Am Wochenende hat Wen Jiabao in Ungarn angekündigt, China werde weiterhin europäische Staatsschulden investieren und den Euro stützen. Im Klartext: Europa, die Eurozone und damit auch Deutschland werden immer abhängiger von China. Vor diesem Hintergrund klingen Mahnungen zur Demokratie und der Einhaltung von Menschenrechten doch wie eine Pflichtübung ohne Konsequenzen, oder?

Polenz: Nein, zunächst einmal ist es ja wichtig und auch richtig, dass China ein Interesse daran hat, dass der Euro stabil ist und dass es neben dem Dollar eine weitere Reservewährung auf dieser Welt gibt. China hat ja auch schon bisher Gelder, also Devisen, erworben in Euro, in der Eurowährung. Und natürlich müssen wir achtgeben, dass jetzt Europa nicht in eine einseitige Abhängigkeit gerät, aber das liegt natürlich auch an den Europäern selbst. Die Eurozone steht für ein Viertel der Weltwirtschaftsleistung, wenn wir selber uns nicht genügend anstrengen,
etwas den Euro stabil zu halten, dann wird China Staatsschulden mit kaufen. Also es liegt auch an den Europäern selbst, inwieweit der chinesische Einfluss hier zunimmt oder nicht.

Lueb: Wie abhängig ist Deutschland von China?

Polenz: Ich glaube, es ist eine gegenseitige Abhängigkeit. Von den Größenordnungen her haben wir einen Außenhandel mit China gehabt im letzten Jahr von 130 Milliarden Euro. Das ist eine Menge Geld, aber gemessen an der Gesamtwirtschaftsleistung Deutschlands ist es keine
so Riesengröße.

Lueb:
Wird China in den kommenden Jahren möglicherweise wirtschaftlich zu stark und damit auch politisch zu mächtig?

Polenz:
Das denke ich nicht. Wenn man die chinesische Lage analysiert, dann stellt man fest, dass China ja auch vor immensen Problemen steht. Wir hören immer die großen Wirtschaftszahlen: acht Prozent, neun Prozent. Aber chinesische Wissenschaftler selbst sagen: ´wenn wir die Kosten, die wir beispielsweise in den Erhalt der Umwelt investieren müssten, weil die Art, wie wir produzieren sehr stark zu Lasten der Umwelt geht, wenn wir die
dagegenrechnen würden, wären wir bei Wachstumsraten von vielleicht ein, zwei Prozent.´

China hat also große Umweltprobleme, China hat große Energieprobleme und vor allen Dingen: China hat das große Problem, dass es immer noch nicht über ein politisches System verfügt, was der Freiheit, die man im wirtschaftlichen Raum den Menschen gewährt hat, im politischen
Raum entspricht.