Ruprecht Polenz, CDU, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, im Gespräch mit Rudolf Geissler
Das Tagesgespräch
des SWR2 vom 11.04.2012
Der Vorsitzende des Auswärtigen Bundestags-Ausschusses, Ruprecht Polenz, hält die gestrige Rede von Syriens Präsident Assad für ein Zeichen von dessen „Schwäche“. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Polenz, wichtig sei allerdings, dass die syrische Opposition nun so schnell wie möglich eine gemeinsame Linie zur Überwindung des Assad-Regimes entwickle.
Ein schlüssiges Konzept habe sie bisher noch nicht. Das sei aber wichtig, um gegen Assads Verschwörungstheorien klar zu machen, dass nicht das westliche „Ausland hier irgendwelche Fäden zieht“. Die syrische Führung müsse außerdem dazu gebracht werden, wieder Journalisten ins Land zulassen, damit sich die Welt ein objektives Bild von der Lage machen könne, verlangte Polenz.
Die Beobachtungsmission der Arabischen Liga sei bisher ein „ziemliches Trauerspiel“ gewesen.
Geissler: Die Rede, die Syriens Präsident Assad gestern gehalten hat, war die in Ihren Augen ein Zeichen dafür, dass er zunehmend geschwächt oder immer noch sehr stark ist?
Polenz: Nun, er hat wieder davon gesprochen, das Ausland habe sich verschworen, es seien Terroristen, es werde alles gut. Ich halte es eher für Durchhalteparolen und für ein Zeichen der Schwäche, ihm fällt nicht mehr viel ein.
Geissler: Er scheint sich aber doch relativ stark zu fühlen, wenn er das Volk über eine neue Verfassung abstimmen lassen will. Oder können wir von vorne herein davon ausgehen, dass das keine echte Wahl, kein wirklich freies Referendum sein wird, sondern die Wahlfälschung schon vorprogrammiert?
Polenz: Es kommt darauf an, worüber man abstimmt. Wer hat den Verfassungsentwurf, über den abgestimmt werden soll, wie er das angekündigt hat, ausgearbeitet? Wie sieht der konkret aus? Und dann ist natürlich ein Referendum in Syrien immer eine Sache, die man mit gemischten Gefühlen anschauen muss. Das Ergebnis einer solchen Abstimmung darf man vorher erwarten mit einem Ja. 80/90 Prozent wird dann schon aus den Urnen herauskommen. Also, die entscheidende Frage ist doch: Ist Assad, wäre Assad wirklich bereit, in einer neuen Verfassung auch seine eigene Macht in Frage stellen zu lassen? Davon hat er nicht gesprochen.
Geissler: Halten Sie das denn für wahrscheinlich?
Polenz: Nein.
Geissler: Nun hören und lesen wir allerdings, dass trotz aller bürgerkriegsähnlichen Zustände in Teilen Syriens die breite Masse des Volkes sich einem Umsturz gegenüber eher abwartend verhält, aus Angst offenbar auch, dass die Verhältnisse ganz und gar im Chaos münden könnten. Schließen Sie aus, dass Assad diese Furcht noch ausnutzen kann?
Polenz: Nein, dass schließ ich nicht aus, und da haben Sie einen wichtigen Punkt angesprochen. Meine Gespräche mit Vertretern der syrischen Opposition in den zurückliegenden Wochen und Monaten, haben immer auch zum Gegenstand den Wunsch der Opposition gehabt, die internationale Staatengemeinschaft müsse deutlicher machen, dass sie mit Assad nichts mehr zu tun haben will, dass er zurücktreten soll. Dann würde auch in der syrischen Bevölkerung der noch abwartende Mittelstand und der Teil der Bevölkerung, der jetzt noch glaubt, Assad sei vielleicht international noch tragbar, sich eines anderen besinnen. Also, es kommt jetzt auch wieder darauf an, dass die internationale Gemeinschaft klar macht, was sie von diesem Regime hält.
Geissler: Es fällt allerdings auf, dass auch die Christen in Syrien, genauer gesagt, der Patriarch, das Oberhaupt der mit Rom unierten syrisch-katholischen Kirche, dass der den westlichen Regierungen vorwirft, sie verfolgten in Syrien geostrategische und wirtschaftliche Interessen. Wie kann man denn diesen Verdacht, der ja in Peking und Moskau ganz ähnlich gesehen wird, wie kann man diesen Verdacht nachhaltig zerstreuen?
Polenz: Ich glaube, entscheidend ist es, dass die syrische Opposition, die ja sich im Exil einerseits, aber auch im Land formiert, deutlich macht, sie ist die Kraft, die auf Veränderungen drängt. Sie ist auch die Kraft, die zunehmend jedenfalls, was den Weg zu Veränderungen angeht, auch gleiche Vorstellungen entwickelt, wie man sich einen Übergang vorstellen müsse, und wie dann das syrische Volk letztlich selbst über seine Zukunft entscheidet. Es geht in der Tat nicht darum, dass das Ausland hier irgendwelche Fäden zieht, sondern Assad hat durch sein Regime sich von seiner Bevölkerung so entfernt, dass er kein Vertrauen mehr genießt, dass er nur noch mit großer repressiver Gewalt die Sache unter Kontrolle halten kann.
Geissler: Hat denn die Opposition schon ein schlüssiges Konzept, oder muss da eine andere Art von Zusammenhalt her?
Polenz: Nein, das hat sie bisher nicht. Also, sicherlich nicht, was die Zukunft des Landes angeht und das ist vielleicht auch etwas viel verlangt. Syrien war und ist ja immer noch sehr autoritär regiert. Der Geheimdienst ist allgegenwertig und da fällt es natürlich sehr schwer, sich politisch zu organisieren, ohne dass die Akteure gleich verhaftet werden und ins Gefängnis gesteckt werden. Wir erleben jetzt Konferenzen außerhalb Syriens, wo die Opposition versucht, sich abzustimmen und ein gemeinsames Konzept zu entwickeln. Das muss man sehen. Vielleicht gewinnt ja auch die Arabische Liga noch eine größere Bedeutung. Wir haben über die Beobachtermission noch nicht gesprochen, das war bisher ein ziemliches Trauerspiel. Aber vielleicht schafft man es ja, die Beobachtungsmission wirksam zu gestalten, sodass dann auch die Weltöffentlichkeit erfährt, was tatsächlich in Syrien los ist. Eine wichtige internationale Forderung, wenn ich das noch sagen darf, wäre natürlich auch, dass Assad endlich ausländische Journalisten wieder ins Land lässt, damit sich die Welt ein objektives Bild von der Lage in Syrien machen kann.