Ruprecht Polenz

Polenz: Griechenland braucht "dringend eine handlungsfähige Regierung"

Ruprecht Polenz über die Wahlen in Griechenland und Syrien im Deutschlandfunk vom 8. Mai 2012. Das Gespräch führte Mario Dobovisek.

Die Troika wird in Griechenland vor der Auszahlung der nächsten Tranche einen Ansprechpartner verlangen, so Ruprecht Polenz (CDU). Er warnt allerdings vor erneuten Wahlen, da denn kurz aufeinander folgende Wahlen in einer schwierigen Situation ergeben aus Erfahrung keine stabilen Verhältnisse. Die Wahl in Syrien war "eine Farce", so Polenz.

Mario Dobovisek: Zwischen Ratlosigkeit und der Gefahr des Scheiterns tänzeln oder vielmehr straucheln die Parteien in Griechenland auf der Suche nach einer probaten Regierungskoalition. Der erste Versuch ist bereits nach wenigen Stunden gescheitert, am Abend gab der konservative Samaras den Auftrag zur Regierungsbildung wieder an den Präsidenten zurück. Jetzt muss die zweitstärkste Partei, die extreme Linksallianz, ihr Glück versuchen.
Am Telefon begrüße ich den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, den CDU-Politiker Ruprecht Polenz. Guten Morgen, Herr Polenz.
Ruprecht Polenz: Einen schönen guten Morgen!

Dobovisek: So schnell also streicht die konservative Nea Dimokratia in Griechenland die Segel, bereits am Tag nach der Wahl nach nur fünf Stunden. Überrascht Sie das, Herr Polenz?

Polenz: Es hat mich überrascht. Ich hatte natürlich das griechische Wahlergebnis als außerordentlich schwierig für eine Regierungsbildung eingeschätzt, weil die bisherigen Parteien der Regierung alleine keine Mehrheit mehr hatten, um ihre Koalition fortzusetzen. Sie brauchen also einen neuen Partner, zwei Stimmen fehlen ihnen zur Mehrheit und eine ganz knappe Mehrheit ist ja dann auch nicht besonders stabil. Aber es ist wohl so gewesen, dass alle anderen Parteien gestern der Reihe nach gesagt haben, sie gehen nicht in eine Koalition mit Nea Dimokratia und Pasok, und dann hat der Chef von Nea Dimokratia gesagt, dann kann ich auch keine Regierung bilden, und den Auftrag zurückgegeben.

Dobovisek: Das war ja in gewisser Weise erwartbar, weil nur die beiden großen bisherigen Regierungsparteien den Sparkurs unterstützt haben, die fünf kleineren waren strikt dagegen. Wie kann es jetzt also weitergehen?

Polenz: In dem gerade gehörten Beitrag ist ja das formale Prozedere beschrieben worden. Jetzt bekommt der nächste den Regierungsauftrag und man wird sehen, ob und wie er damit fertig wird, ob es eine Regierung gibt, und dann wird es noch mal weitergehen, möglicherweise auch noch mal von vorne los. Das Ganze ist natürlich nicht gut, weil die griechische Situation dringend eine handlungsfähige Regierung braucht. Es bekommen im Nachhinein natürlich auch diejenigen Recht, die Sorge hatten, in dieser aufgeheizten Atmosphäre wählen zu lassen, aber das ist nun Schnee von gestern. Jetzt muss man mit der Situation umgehen, wie sie eingetreten ist.

Dobovisek: Ist Demokratie also nicht immer unter allen Umständen hilfreich?

Polenz: Nein, so würde ich es nicht formulieren. Aber die Sorge, in dieser jetzigen Phase wählen zu lassen, die hatte ja zum Gegenstand, dass es möglicherweise sehr schwierige Verhältnisse geben könnte, und wenn dann jetzt schon der Ruf nach erneuten Wahlen laut wird, da kann ich aus der Geschichte nur warnen. Es ist selten so, dass dann beim nächsten Mal auf einmal stabile Verhältnisse herauskommen. Kurz aufeinander folgende Wahlen in einer schwierigen Situation stärken meistens eher die extremen Positionen und machen die Lage schlimmer statt besser.

Dobovisek: Wie viel Geduld, Herr Polenz, werden Sie als deutscher Außenpolitiker mit den griechischen Parteien mitbringen, bevor Sie den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone fordern?

Polenz: Ich werde den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone nicht fordern, sondern es ist die Aufgabe Griechenlands auf der einen Seite, auf der anderen Seite sicherlich auch die Bereitschaft der Europäischen Union, Griechenland zu helfen. Aber der Zwang der Verhältnisse - Sie haben vorhin richtig gesagt -, zur Auszahlung der nächsten Tranche wird die Troika einen Ansprechpartner haben wollen. Wenn sie den nicht findet, wird es kein Geld geben, die Lage wird sich weiter verschlimmern. Es ist außerordentlich kompliziert, aus der jetzigen Situation so herauszufinden, dass nicht noch größerer Schaden entsteht. Ich hoffe, dass mit etwas Besinnung auch jetzt in Griechenland unter den handelnden Akteuren klar wird, wie dicht man an einem finanziellen Abgrund steht, dass man das, was abgelehnt wird, dieses Sparpaket, als Hilfspaket verstehen muss, ohne das Griechenland noch weniger Chancen hat. Ich hoffe, dass diese Nachrichten zur Vernunft aller Beteiligten führen, so dass auch eine gewisse Kompromissbereitschaft eintritt. Ich habe den Eindruck, dass gestern auch noch ein bisschen der Wahlkampf fortgesetzt worden ist.

Dobovisek: Weitere Wahlen sollen uns auch an diesem Morgen beschäftigen, nämlich die Parlamentswahlen in Syrien gestern.

Beitrag Ulrich Leidholdt

Dobovisek: Damit zurück zum CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz. Die Opposition in Syrien hat also die Wahlen boykottiert. Ist das eine vertane Friedenschance?

Polenz: Nein. Ich glaube, die Bedingungen, unter denen diese Wahlen durchgeführt worden sind, waren nicht akzeptabel. Eine Beteiligung der Opposition hätte auch wenig geändert, denn was viele nicht wissen: Die Hälfte der 250 Parlamentssitze waren vorbehalten für sogenannte Vertreter der Arbeiter und Bauern, und deren Organisationen werden wiederum von der Baath-Partei kontrolliert. Also die Mehrheit für Assad war von vornherein sichergestellt. Und dazu kommt: Wir haben in Teilen des Landes bürgerkriegsähnliche Situationen. Beobachter der Vereinten Nationen - Sie haben es gerade gesagt - sind mal gerade drei Hand voll im Land, internationale Beobachter, die man bei solchen Wahlen sicherlich bräuchte, davon ist überhaupt nicht die Rede gewesen. Also die Wahl war eine Farce und dann darf mal als Opposition auch nicht das Feigenblatt spielen.

Dobovisek: Wie lange lässt sich die internationale Gemeinschaft das noch gefallen?

Polenz: Das ist eine schwierige Frage, denn die Möglichkeiten der internationalen Gemeinschaft sind begrenzt. Wir können, die internationale Gemeinschaft kann und muss den Druck auf Assad weiter erhöhen. Die Sanktionen sind verschärft worden, die wirken auch, aber darüber hinaus geht ja die Diskussion, soll etwa militärisch interveniert werden. Da halte ich überhaupt nichts von. Syrien liegt im Schnittpunkt aller Konfliktlinien des Nahen Ostens, Nachbarn haben eigene Interessen im Land, die Situation würde sich durch eine militärische Intervention nur verschlimmern, zumal ja jeder auch sieht, so wie in Libyen allein aus der Luft, das würde nicht ausreichen, man müsste mit Bodentruppen reingehen, wer soll das machen. Und im Übrigen: Es gibt auch keine Resolution im Sicherheitsrat, die dazu legitimieren würde. Also das kommt nicht infrage. Insofern bleiben die Möglichkeiten begrenzt, so bitter das ist.

Dobovisek: Ruprecht Polenz, für die CDU ist er Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Vielen Dank!

Polenz: Bitte schön!