Ruprecht Polenz

"Weg der Militärintervention ist nicht gangbar"

Ruprecht Polenz im Interview mit der Passauer Neuen Presse, vom 31.5. 2012

Berlin.
Ruprecht Polenz (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, sieht die Voraussetzungen für ein militärisches Eingreifen in Syrien nicht gegeben.

Weltweites Entsetzen über die Massaker in Syrien – ist die internationale Diplomatie gescheitert?

Ruprecht Polenz: Wir sind einer Lösung nicht näher gekommen. Die Lage in Syrien hat sich verschlechtert. Russland kommt jetzt eine Schlüsselrolle zu. Der Kreml vermittelt mit seiner Position im Weltsicherheitsrat und Waffenlieferungen Assad weiter den Eindruck, dass es ihm den Rücken freihält. Syrien ist ein enger Verbündeter Russlands, das will man nicht aufgeben. Aber solche Beziehungen wären auch mit einer neuen Führung möglich. Die Staaten der arabischen Liga sollten Moskau klar machen, dass es sich zwischen guten Beziehungen zu Assad oder zu den anderen Staaten der arabischen Welt entscheiden muss. Es kommt darauf an, dass dem syrischen Volk klar wird, Assad ist isoliert, ein Neuanfang geht nur ohne ihn.

Frankreichs Präsident Francois Hollande schließt ein militärisches Eingreifen nicht mehr aus. Wäre dies ein Weg, um das Morden zu beenden?

Polenz: Der französische Präsident hat von einer militärischen Intervention auf der Basis eines UN-Mandats gesprochen. Das wäre nur mit der Zustimmung Russlands möglich. Die sehe ich dafür nicht. Selbst wenn es ein UN-Mandat gäbe, müssten sich Staaten bereit erklären, dieses auch durchzusetzen. Anders als im Falle Libyens wären dafür nicht nur Luftstreitkräfte, sondern auch Bodentruppen notwendig. Da stellt sich die Frage, wer zu einem solchen Einsatz bereit und in der Lage wäre.

In Libyen hat auch erst der internationale Militäreinsatz den Durchbruch gebracht und das Morden beendet . . .

Polenz: Noch einmal: Eine militärische Intervention wäre in Syrien nicht ohne den Einsatz von Bodentruppen möglich. Ich sehe die Voraussetzungen dafür überhaupt nicht gegeben. Dazu fehlt offenbar auch die Bereitschaft. Außerdem: Die Arabische Liga lehnt eine militärische Intervention ab. Auch ein Einsatz mit UN-Mandat könnte sehr schnell als ein Einsatz des Westens und der alten Kolonialmächte denunziert werden. Die politische Ausgangslage ist anders. In Syrien laufen alle Konfliktlinien der Region zusammen. Eine militärische Operation wäre weitaus riskanter als in Libyen. Spekulationen über militärische Intervention bringen uns überhaupt nicht weiter, weil dieser Weg nicht gangbar ist. Wir müssen uns weiter auf ökonomischen und politischen Druck konzentrieren.

Ist der Annan-Plan gescheitert?

Polenz: Der Zeitplan des Sonderbeauftragten Kofi Annan ist obsolet. Aber wir haben im Augenblick kein besseres Konzept. Wir müssen weiter versuchen, den Annan-Plan durchzusetzen und einen Waffenstillstand erreichen. Deshalb hat sich Deutschland an der Entsendung von Beobachtern beteiligt. Aber es ist leider richtig: Von den sechs Punkten des Annan-Plans ist bisher nicht einmal der erste halb erfüllt. Da gibt es noch viel zu tun.

Frankreich und Großbritannien fordern eine dritte Syrien-Konferenz. Macht das im Augenblick überhaupt Sinn?

Polenz: Das kommt darauf an, wie sie organisiert würde. Wir brauchen mehr Klarheit von der syrischen Opposition wie sie sich den weiteren Weg des Landes nach einem Sturz Assads vorstellt. Es müssen Minderheitenschutz und religiöse Vielfalt garantiert werden. Eine solche Konferenz wäre eine Möglichkeit, um auf das Ende der Gewalt hinzuwirken. Wir müssen die Arabische Liga mit in die Pflicht nehmen. Wir Europäer sind nicht die alleinigen Weltpolizisten. Interview: Andreas Herholz