Polenz zum Atomstreit mit Teheran im SWR2 Tagesgespräch, am 25.09.2012
Zum Atomstreit mit Teheran: "Es geht darum, dass der Iran auch einen Ausweg gezeigt bekommt"
Der Vorsitzende des Auswärtigen Bundestags-Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU) rechnet damit, dass am Rande der UNO-Vollversammlung in New York neue Beschlüsse im Atomstreit mit dem Iran gefasst werden. Die sogenannte Sechsergruppe aus den 5 Vetomächten der UNO und Deutschland trifft sich am Donnerstag. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Polenz, die Europäische Union erwäge zusätzliche Sanktionen, nachdem die bereits beschlossenen Strafen schon Wirkung zeigten. Mit Reisebeschränkungen und einem „Zugriff auf andere Konten“ der Teheraner Eliten könne weiterer Druck auf die ausgeübt werden, die für den iranischen Kurs im Atomstreit verantwortlich seien. Sanktionen, die eine „breite Auswirkung“ auf die iranische Bevölkerung hätten, seien dagegen nicht zu erwarten. Für den Umgang mit Teheran bleibe weiter wichtig, auf eine Doppelstrategie zu setzen, sagte Polenz . Neben der Androhung neuer Sanktionen müsse dem Iran deutlich gemacht werden, dass nach wie vor das Angebot zu einer „wirklich umfassenden Zusammenarbeit“ auf dem Tisch liege, falls Teheran sich besinne.
Geissler: Die UNO-Vollversammlung steht von heute an für den Rest der Woche im Zeichen der Generaldebatte. Die Themenliste in New York bildet praktisch alles ab, was global derzeit die größten Sorgen macht – Syrien, der Atomstreit mit dem Iran und auch der jüngste islamische Aufruhr als Reaktion auf die Anti-Mohammed-Ausfälle. Obwohl schon diese drei Konfliktbündel die ganze Aufmerksamkeit beanspruchen dürften, will der palästinensische Präsident Abbas auch noch einen Pflock einschlagen in dieser Woche und den Antrag stellen, dass sein Land einen Beobachterstatus in der UNO erhält. Was meinen Sie, wird diese Initiative in so einem Umfeld von Brandherden noch die Resonanz finden können, die er sich erhofft?
Polenz: Das glaube ich eher nicht. Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen, Syrien und auch das Thema Iran stehen eigentlich im Fokus der Aufmerksamkeit. Und die Themen, die Abbas gerne transportieren möchte mit einem solchen Antrag, sind im Moment nicht im Hauptfokus.
Geissler: Der Antrag auf Voll-Mitgliedschaft Palästinas in der UNO, also im Prinzip auf Anerkennung als Staat, der liegt auf Eis im Sicherheitsrat. Die USA und Israel verlangen, dass erst ein Friedensvertrag geschlossen werden muss, bevor so etwas in Frage kommt. Deshalb will Abbas jetzt erst mal eine Light-Version, ähnlich der, die der Vatikan hat. Haben Sie Zweifel, dass der Antrag eine Mehrheit finden würde in der Vollversammlung?
Polenz: Nein. Es hätte im übrigen auch die große Version eine Mehrheit in der Vollversammlung gefunden. Das war von vornherein klar. Die Frage ist eben nur, hätte es wirklich geholfen. Das glaube ich nicht, denn vor Ort am Boden in Israel – Palästina hätte sich nichts geändert und dann wäre anschließend die Enttäuschung doch wahrscheinlich größer gewesen, weil man erst gedacht hätte, wir haben jetzt in New York einen Erfolg, jetzt geht’s bei uns auch aufwärts, dann wäre nichts gekommen und dann hätte man mit leeren Händen dagestanden.
Geissler: Deutschland hat ja seinerzeit, mit dem gleichen Argument wie die USA und Israel, eine Voll-Mitgliedschaft Palästinas solange abgelehnt, wie sich die beiden nicht untereinander geeinigt haben. Wie sollte sich Berlin jetzt verhalten, wenn über kurz oder lang in der Vollversammlung abgestimmt wird über diesen Beobachterstatus?
Polenz: Ich denke, man wird innerhalb der europäischen Union schauen, dass man zu einer gemeinsamen Position kommt, man wird auch mit Israel, mit den USA darüber sprechen. Man muss sich erst den Antrag genau anschauen, ehe man dann eine Aussage darüber machen kann, wie abzustimmen ist. Aber, wie gesagt, es wird nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit dieser Plenarversammlung stehen.
Geissler: Schauen wir dann kurz auf die ganz großen Themen der Vollversammlung, bei denen sich allerdings wenn, dann nichts im Plenum bewegen dürfte, sondern hinter anderen Türen, parallel sozusagen. Am Donnerstag treffen sich die Veto-Mächte plus Deutschland mit dem Iran in Sachen Atomstreit, und am Freitag geht es im Sicherheitsrat um Syrien. Bei welcher der beiden Zusammenkünfte rechnen Sie am ehesten mit Fortschritten?
Polenz: Ich glaube schon, dass es bei dem Treffen zum Iran eine weitere Entscheidung geben wird. Es ist so: die Europäische Union denkt über weitere Sanktionen nach und der Druck auf den Iran hat enorm zugenommen. Die Sanktionen wirken auch. Wichtig ist, dass die sechs aus New York ein gemeinsames Signal an Teheran senden, was a) heißt, ihr müsst den Kurs in der Nuklearfrage ändern und b) unser Angebot - wenn ihr das macht - zu einer wirklich umfassenden Zusammenarbeit mit dem Iran, steht weiterhin, so dass der Iran auf diese Weise auch einen Ausweg gezeigt bekommt aus dem Dilemma, in das er sich selber hineinbegeben hat, und was wirklich immer gefährlicher wird.
Geissler: Volker Perthes, der Chef der Stiftung Wissenschaft und Politik, hat gestern in der „Süddeutschen“ geschrieben, dem Iran müsse ein Rückweg aus der Isolation geboten werden. Da steckt der Appell drin, dass das für Teheran gesichtswahrend geschehen muss. Denken Sie, dass das noch möglich ist nach der Rhetorik der letzten Zeit?
Polenz: Es gibt ja genügend Möglichkeiten, wo Teheran einen solchen Weg anfangen könnte zu beschreiten. Es gab Angebote zur Mitwirkung an regionalen Sicherheitsgesprächen, etwa über den Irak, und möglicherweise wird es sowas auch geben im Hinblick auf Syrien. Da erleben wir allerdings im Augenblick einen Iran, der das Assad-Regime nicht nur mit Beratern stützt, sondern möglicherweise sogar mit Kämpfern.
Geissler: Und die Rede von Ahmadinedschad gestern lässt nicht unbedingt erwarten, dass da eine Wende kommen kann.
Polenz: Ahmadinedschad gibt seine Abschiedsvorstellung. Er ist sich selbst und seinen früheren Auftritten schuldig, dass die ähnlich ausfällt wie bei den letzten Malen. Er wird also sehen, dass er möglichst viel provoziert. Das sollte man nicht ernst nehmen in dem Sinne, als Ahmadinedschad ja auch nie derjenige im Iran ist, der die Zügel in der Hand hält. Das war und ist Chamenei, der geistige Führer. Und wie gesagt, es ist das letzte Mal, dass man Ahmadinedschad auf diese Weise ertragen muss.
Geissler: Sie haben vorhin neue Sanktionen angesprochen. Welche sind denn noch denkbar, nach dieser Fülle von Sanktionen der letzten Zeit?
Polenz: Nun, es geht immer noch darum, dass man weiteren Personen des Regimes die Reisemöglichkeiten beschneiden kann. Ich glaube, man kann auch nach wie vor noch Zugriff auf andere Konten nehmen und auf diese Weise versuchen, die Eliten, die für diesen falschen Kurs verantwortlich sind, zu treffen. Es wird sicherlich nicht darum gehen, Sanktionen zu überlegen, die eine recht schnelle breite Auswirkung auf die iranische Bevölkerung hätten.