Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz über die Krise in Weißrussland und die Gründe eines Einsatzes deutscher Soldaten im Kongo. Ruprecht Polenz leitet den Auswärtigen Ausschuss des Bundestags. Im Gespräch mit Stefan Braun fordert er eine harte Linie gegenüber der weißrussischen Führung – und verteidigt ein deutsches Engagement im Kongo.
[FRAGE] Herr Polenz, in Weißrussland spitzt sich die Lage zu, nachdem in der Nacht auf Freitag die Polizei gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen ist. Wie muss der Westen darauf reagieren?
[ANTWORT]Die EU und der Westen müssen Weißrussland unmissverständlich klar machen, dass die Menschenrechtsverletzungen nicht hingenommen werden. Wir müssen die unverzügliche Freilassung aller Inhaftierten fordern.
[FRAGE]Sind schärfere Sanktionen nötig?
[ANTWORT] Auch darüber muss gesprochen werden. Allerdings dürfen Sanktionen nicht die Lage der Bevölkerung weiter verschlechtern. Sie müssen die Regierenden treffen.
[FRAGE] Muss die EU Lukaschenkos Schutzherrn Wladimir Putin in die Pflicht nehmen? Trägt er nicht eine Mitverantwortung?
[ANTWORT] Wir sollten Putin klar machen, dass in den Augen der Welt auch Russland für die schlimmen Vorgänge in Weißrussland mitverantwortlich gemacht wird und dass das Vorgehen Lukaschenkos auch dem Ansehen Russlands in der Welt schadet.
[FRAGE] Welche Parallelen sehen Sie zur so genannten orange Revolution in der Ukraine?
[ANTWORT] Die Opposition begehrt offen gegen die ungerechte Herrschaft auf. Weil sie nichts mehr zu verlieren hat, hat sie keine Angst. Dieser Mut und der Einsatz für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte verdient unsere Unterstützung.
[FRAGE] Zum Einsatz im Kongo: Warum sollen deutsche Soldaten dort Wahlen sichern?
[ANTWORT] Die Wahlen sollen der Abschluss eines länger andauernden Versöhnungsprozesses sein, der einen jahrelangen Bürgerkrieg beendet, bei dem über vier Millionen Menschen ums Leben gekommen sind. Dieser Prozess des Ausgleichs hat dazu geführt, dass eine Verfassung angenommen wurde, dass viele tausend Kindersoldaten entwaffnet worden sind, dass sich 25 Millionen Wähler haben registrieren lassen. All das deutet darauf hin, dass es eine sehr gute Chance gibt, mit den Wahlen eine Regierung zu bekommen, unter der sich das Land dauerhaft stabilisieren kann.
[FRAGE] Trotzdem: was haben die Deutschen im Kongo verloren?
[ANTWORT] Deutschland hat sich schon jetzt im Kongo mit umfangreicher Entwicklungshilfe engagiert. Außerdem haben wir bei der Vorbereitung der Wahlen kräftig mitgeholfen. Wir tun das aus dem eigenen Interesse, dass Stabilität in Zentralafrika eine wichtige Voraussetzung ist, um Flüchtlingsströme aus Afrika zu vermeiden. Wenn wir vor Ort helfen können, sollten wir uns nicht zurücklehnen, bis die Probleme zu uns kommen.
[FRAGE] Wenn der Grund so auf der Hand liegt, warum ist es auch nach Wochen nicht gelungen, die Kritiker zu überzeugen? >P>[ANTWORT] Es liegt daran, dass man sich die ganze Zeit mit dem Thema Kongo in Deutschland öffentlich sehr wenig, ja zu wenig beschäftigt hat. Weder der Bürgerkrieg noch die Fortschritte bei der Stabilisierung sind in den Medien und in der Politik angemessen diskutiert worden. Außerdem ist es ungewohnt, deutsche Soldaten auch bei der Beendigung von Krisen in Schwarzafrika einzusetzen. Aber eines muss klar werden: Schwarzafrika ist unser Nachbar. Wir können uns da nicht einfach raushalten, als ginge uns das alles nichts an.
[FRAGE] Tagelang hat sich der deutsche Verteidigungsminister mit dem EU-Außenbeauftragten Solana über das Procedere gestritten. Warum ist der Konflikt Berlin – Brüssel nicht schneller zu lösen gewesen?
[ANTWORT] Zum einen haben die UN bei ihrer Anfrage im Dezember einen ungewöhnlichen Weg gewählt. Manche EU-Regierungen haben gesagt, sie seien nur über die Presse von dem Wunsch, die Wahlen durch die EU abzusichern, informiert worden. Zum Zweiten: Wenn es eine europäische Mission werden soll, muss es wirklich eine europäische werden, nicht eine, bei der neben Deutschland ein bisschen Frankreich mitmacht, und das war’s. Die Diskussion, was sollen wir dort, gibt es deshalb auch in anderen EU-Ländern.
[FRAGE] Ist es ein Fehler gewesen, dass Frau Merkel den Franzosen sehr früh eine Beteiligung Deutschlands zugesagt hat?
[ANTWORT] Es gab überhaupt keine bindende Vorfestlegung der Bundesregierung in dem Sinne, dass das Parlament darüber seine Entscheidungsfreiheit verloren hätte. Vorabsprachen sind notwendig, um in der Sache voranzukommen – aber immer unter dem Vorbehalt, dass die letzte Entscheidung der Bundestag trifft.
[FRAGE] Der Bundestag könnte noch Nein sagen?
[ANTWORT] Das kann er zu jedem Antrag der Bundesregierung tun. Er muss das Für und Wider sehr sorgfältig abwägen. In diese Abwägung muss natürlich eingehen, welche Absprachen im Vorfeld getroffen wurden. Das klingt wie ein Widerspruch. Ist es aber nicht. Anders können solche multilateralen Auslandseinsätze nicht vorbereitet werden.