Ruprecht Polenz

"Wir müssen sicherlich mit weiteren Anschlägen rechnen."

freenet.de: Droht eine Terrorwelle unbekanntes Ausmaßes über uns einzubrechen?
Ruprecht Polenz: Seit dem 11. September ist deutlich geworden, wie groß die Bedrohung durch den transnationalen Terrorismus ist. Der Anschlag auf Bali oder vorher der Anschlag in Djerba haben gezeigt, dass nicht nur westliche Metropolen oder offizielle Einrichtungen wie Botschaften Ziel von Anschlägen sein können. Terroristen geht es darum, Angst und Schrecken zu verbreiten und damit den Zusammenhalt zivilisierter Gesellschaften zu untergraben. Der Tod einer immer größen Zahl von unschuldigen Opfern wird dabei nicht nur in Kauf genommen, sondern ist Mittel zum Zweck. Wir müssen sicherlich mit weiteren Anschlägen rechnen.

freenet.de: Experten glauben, dass sich die El Kaida reorganisiert hat. Wo tut sie dies? Welche Länder sind strategische Stützpunkte der Terroristen?

Ruprecht Polenz: Grundsätzlich kommen immer solche Länder als Ruheräume oder Stützpunkte in Frage, wo schwache Regierungen nicht in der Lage sind, das Land zu kontrollieren. Länder, in denen Anarchie und Bürgerkrieg herrschen, sog. failed states, sind die "schwarzen Löcher" im Kampf gegen den transnationalen Terrorismus. Wie wir aus Ermittlungen in Deutschland wissen, suchen Terroristen auch unerkannt Unterschlupf in westlichen Demokratien. Hier gilt es, die Aufklärungsanstrengungen weiter zu verstärken. Dies ist eine besondere Herausforderung für unsere Nachrichtendienste und die Kriminalpolizei.

freenet.de: Was kann überhaupt gegen den Terror unternommen werden? Schauen wir etwa nach Nordirland, so sitzen dort ehemalige Terroristen in politischen Vertretungen. Ist dies mit islamistischen Terroristen denkbar. Heißt, könnten wir ihren Forderungen nachgeben?

Ruprecht Polenz: Nur, wer auf terroristische Gewalt endgültig und unwiderruflich verzichtet, kann politischer Gesprächspartner sein. Wir dürfen uns niemals erpressen lassen. Den Kampf gegen transnationalen Terrorismus müssen wir mit polizeilichen, nachrichtendienstlichen und ggf. auch militärischen Mitteln führen. Wir werden dazu einen langen Atem brauchen und verlässliche internationale Zusammenarbeit.

freenet.de: Wie wird sich Amerika angesichts der neuen Terroranschläge verhalten?

Ruprecht Polenz: Amerika verfügt über besondere Fähigkeiten der Aufklärung und über besondere Möglichkeiten seiner Nachrichtendienste und Polizei, die sicherlich jetzt noch entschlossener und verstärkt eingesetzt werden. Die Wachsamkeit der USA wird weiter zunehmen und wir sollten dafür dankbar sein.

freenet.de: Wie sollte sich Deutschland verhalten?

Ruprecht Polenz: Wie alle zivilisierten Gesellschaften ist auch Deutschland durch den transnationalen Terrorismus prinzipiell herausgefordert und bedroht. Deshalb muss Deutschland selbst seine Anstrengungen für die innere und äußere Sicherheit erheblich verstärken. Davon ist in den Koalitionsverhandlungen von Rot-Grün wenig zu spüren. Gemeinsam mit unseren europäischen und amerikanischen Verbündeten sollten wir unseren Beitrag in der weltweiten Koalition gegen den Terrorismus leisten. Die Bundesregierung sollte auf europäischer Ebene initiativ werden, um ein verstärktes und eng abgestimmtes europäisches Vorgehen zu erreichen. Den notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung für eine solche Politik muss die Bundesregierung durch eine offene Debatte über die tatsächlichen Gefahren und Risiken für unsere äußere und innere Sicherheit herbeiführen. Auch hierzu scheint der rot-grünen Bundesregierung Einsicht, Kraft und Mut zu fehlen.