Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf der Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass unsere eigene Sicherheit durch den transnationalen Terrorismus bedroht ist, dann hat ihn das Tonband vom vergangenen Mittwoch geliefert, das mutmaßlich von Osama Bin Laden stammt. Es enthält nämlich auch Drohungen gegen Deutschland, Großbritannien, Italien, Kanada und Australien. Es waren ja auch Deutsche unter den Toten von Djerba und Bali. Die Botschaft der Terroristen war die gleiche wie schon am 11. September: Unser Hauptfeind sind die USA. Haltet euch raus; dann geschieht euch nichts! – Es wäre fatal, wenn dieser Botschaft gefolgt würde, wenn es Bin Laden gelingen würde, unsere Antiterrorallianz zu spalten und damit zu schwächen. Über kurz oder lang würden wir dann erst recht zum Ziel terroristischer Anschläge. Es gibt gegenüber Terroristen kein Appeasement. Mit ihnen gibt es nichts zu verhandeln. Nur gemeinsam in der internationalen Antiterrorkoalition können wir den transnationalen Terrorismus besiegen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt deshalb dem Antrag der Bundesregierung zur weiteren Beteiligung deutscher Soldaten an Enduring Freedom zu. Wir danken unseren Soldaten dafür, dass sie seit nunmehr einem Jahr auch in diesem gefährlichen Einsatz so erfolgreich für unsere Sicherheit eintreten.
Ich möchte daran erinnern, dass es kaum ein Jahr her ist, da wäre die Bundesregierung an dieser Frage fast gescheitert. Scharenweise haben sich Abgeordnete der Grünen und der SPD von dieser Linie abgesetzt. Der Bundeskanzler musste die Notbremse der Vertrauensfrage ziehen; sonst wäre seine Regierung vor die Wand gefahren. Damit das nicht wieder passiert, haben Sie die Debatte diesmal möglichst niedrig gehängt und haben gesagt, es handle sich um ein unverändertes Mandat. Das haben Sie immer wieder betont, nach dem Motto: Ihr habt damals zugestimmt, also könnt ihr auch jetzt zustimmen. Es ist richtig: Es handelt sich um ein unverändertes Mandat. Allerdings haben wir es mit einer deutlich veränderten Sicherheitslage zu tun: in Afghanistan selbst, aber auch in der Region und vor allem vor dem Hintergrund der Irakkrise. Eine weitere Zuspitzung dort hätte unzweifelhaft Auswirkungen auf die Einsätze im Rahmen von Enduring Freedom. Der Bundeskanzler und der Außenminister haben gesagt, es gebe keine deutsche Beteiligung an militärischen Maßnahmen gegen den Irak. Aber es gibt Überlappungen bei den Einsatzgebieten, insbesondere für unsere Marine und möglicherweise auch für die in Kuwait stationierten ABC-Spürpanzer. Außerdem könnte es Rückwirkungen auf unsere KSK-Kräfte in Afghanistan haben, wenn sich die USA verstärkt auf den Irak konzentrieren würden. In den Unterlagen, die wir zur Abstimmung bekommen haben, heißt es, die KSK-Kräfte sollten „eine eigenständigere Rolle“ übernehmen. Damit bin ich beim Irakdilemma der Bundesregierung. Der Bundeskanzler hat die UN-Resolution begrüßt, für deren Zustandekommen die Bundesregierung nichts, aber auch gar nichts getan hat; das Gegenteil ist vielmehr der Fall.
Das Lob aus Bagdad, Herr Außenminister, sollte die Bundesregierung wenigstens nachdenklich machen. Bezeichnend für deren Schlingerkurs in der Irak-Frage ist das Hin und Her um die ABC-Spürpanzer. Sie sind im Rahmen von Enduring Freedom in Kuwait stationiert. Aber was soll mit diesen ABC-Abwehreinheiten geschehen, wenn es zu militärischen Maßnahmen gegen den Irak kommt? Der Bundeskanzler im Frühjahr: Die Spürpanzer bleiben, auch im Fall eines einseitigen Vorgehens der Amerikaner. Ihr Abzug hätte nicht absehbare Folgen für das deutsch-amerikanische Verhältnis der nächsten 30 bis 50 Jahre. – Verteidigungsminister Struck im Wahlkampf: Die Spürpanzer werden zurückgezogen. – Verteidigungsminister Struck nach der Wahl: Die Spürpanzer bleiben; ihr Abzug wäre außenpolitisch fatal. – Verteidigungsminister Struck Anfang November: Die Frage ist rein theoretischer Natur; niemand weiß, ob es einen Angriff auf den Irak gibt.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Herr Kollege Beck, hat vorgestern gesagt, falls Amerika den Irak angreife, müsse in jedem Fall ein neuer Beschluss des Bundestages darüber herbeigeführt werden, was aus den deutschen Fuchs-Panzern werden solle.
Nur, Herr Kollege, was passiert in der Zeit zwischen einem möglichen Kriegsbeginn und der Verabschiedung eines solchen Bundestagsbeschlusses? Sollen die deutschen Soldaten in Kuwait so lange die weiße Fahne hissen, so wie 1991 weiße Betttücher aus deutschen Wohnzimmerfenstern hingen, als die internationale Koalition gegen Saddam Husseins Überfall auf Kuwait vorging?
Wären die deutschen Abwehrkräfte nicht zur Nothilfe verpflichtet, wenn Saddam Hussein chemische oder biologische Waffen gegen unsere Verbündeten einsetzen würde? Präzise gefragt, Herr Außenminister: Was geschieht, wenn der Sicherheitsrat nach der Feststellung eines ernsthaften Verstoßes gegen die UN-Resolution die angedrohten ernsthaften Konsequenzen zieht und die Weltgemeinschaft dann mit militärischen Mitteln gegen den Irak vorgeht? Die Bundesregierung muss hier rechtzeitig Klarheit schaffen, nicht erst dann, wenn militärische Auseinandersetzungen begonnen haben. Das ist sie auch unseren Soldaten schuldig.
Die fehlende Klarheit in der Irakpolitik der Bundesregierung kann auch für die Kräfte der Marine zu Problemen führen. Im Rahmen von Enduring Freedom gehören alle Seegebiete zu ihrem Einsatzgebiet, die an die Arabische Halbinsel und an Nordostafrika angrenzen. Zu den Aufgaben unserer Marinekräfte zählt auch, anderen Schiffen Geleitschutz gegen terroristische Angriffe zu geben. Ich frage Sie, Herr Außenminister: Gilt dieser Auftrag auch dann fort, wenn diese Schiffe im Fall einer militärischen Auseinandersetzung mit dem Irak Nachschub für die gegen den Irak kämpfenden Streitkräfte transportieren? Hier müssen Sie endlich Klarheit schaffen. Typisch für den außenpolitischen Nebel, den Sie hier verbreiten, waren die Aussagen Ihres früheren Adlatus Volmer am vergangenen Mittwoch im Auswärtigen Ausschuss.
Herr Volmer, zunächst haben Sie die UN-Resolution gelobt und gesagt – ich habe es mir aufgeschrieben –: Auf dieser Basis wollen wir jetzt gemeinsam handlungsfähig werden. Ergänzend haben Sie gesagt: Aber die militärische Eskalationsschwelle darf nicht überschritten werden. – Trotzdem haben Sie gehofft – ich habe es mir wörtlich aufgeschrieben –, „dass die UN die Kraft haben, Saddam Hussein zu nötigen, alle Bedingungen zu erfüllen“. Wenn die Bundesregierung jetzt endlich dazu beitragen will, dann muss sie erklären, dass sie eventuell erforderliche ernste Konsequenzen der Weltgemeinschaft gegen Saddam Hussein unterstützt. Es geht nicht, dass Sie im Sicherheitsrat zustimmen und danach weiterhin abseits stehen. Lassen Sie mich noch zu einem zweiten Themenkomplex kommen, der ebenfalls im Zusammenhang mit dem internationalen Terrorismus steht, nämlich Tschetschenien. Die bekannte russische Korrespondentin Anna Politkowskaja, die auch jetzt noch kritische Berichte aus dem Kriegsgebiet liefert, hat in dieser Woche im „Spiegel“ wörtlich gesagt: Die Zahl möglicher Selbstmordattentäter ist sprunghaft angestiegen, weil die Armee in diesem Jahr auf besonders brutale Art so genannte Säuberungsaktionen durchgeführt hat – so, als wolle man den Terrorismus geradezu hervorrufen. Das hat auch bislang gemäßigte Kräfte radikalisiert. Herr Bundeskanzler, diese Problematik haben Sie bei Ihrem Treffen mit Putin in Oslo offensichtlich nicht angesprochen.
Die Schlagzeilen zu den Artikeln, in denen über dieses Treffen berichtet wird, lauten allesamt so oder ähnlich: „Schröder lobt Putins Tschetschenien-Politik“; er habe „gute Ansätze“ gesehen. Herr Bundeskanzler, Memorial und andere Menschenrechtsorganisationen waren entsetzt.
Sie haben – daran möchte ich erinnern – die Kritik an Ihren Äußerungen zur amerikanischen Irakpolitik zurückgewiesen und der Opposition Leisetreterei vorgeworfen, mit der man in der Irakfrage gegenüber den Amerikanern nichts erreiche. Sie haben die amerikanische Regierung als Abenteurer bezeichnet und das damit gerechtfertigt, dass man sich unter Freunden schließlich auch offen die Meinung sagen können müsse.
Herr Bundeskanzler, wenn man Sie mit Putin in der Talkshow mit Alfred Biolek gesehen hat oder wenn man die Berichte über Ihre gemeinsame Schlittenfahrt mit dem russischen Präsidenten noch in Erinnerung hat, dann kommt man zu der Erkenntnis, dass der Eindruck eines freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Ihnen und dem russischen Präsidenten vermittelt werden sollte.
Wo sind denn nun die klaren Worte von Schröder zur Tschetschenien-Politik seines Freundes Putin geblieben?
Gegenüber Präsident Bush und den USA hat der Bundeskanzler als Tiger die Zähne gefletscht und gebrüllt; gleichzeitig hat er sich Putin als Bettvorleger angedient.
Es wird höchste Zeit, dass die Außenpolitik der Bundesregierung Maß und Orientierung zurückgewinnt.
Ich erwarte von der Bundesregierung auch, dass sie den Protest, den der Presseattaché der russischen Botschaft gegen die Berichterstattung der ARD im Zusammenhang mit der Geiselnahme jetzt vorgebracht hat – von diesem hat die ARD das Außenministerium informiert –, zurückweist und sich hinter die freie und ungehinderte Berichterstattung der ausländischen Korrespondenten in Russland stellt und damit wenigstens ein Zeichen dafür setzt, dass man sich in Sachen Pressefreiheit und Tschetschenien- Politik Russlands nicht alles diktieren lässt, wie es der russische Präsident offensichtlich möchte.
Vielen Dank.