Für den 9. Juli haben die iranischen Behörden alle Kundgebungen im Lande verboten. An diesem Tag jähren sich die Massenproteste von 1999. Mit Blick auf die gespannte Lage im Iran plädiert der Verteidigungsexperte und Nahostspezialist der CDU, Ruprecht Polenz, für eine Mischung von Dialog und Druck gegenüber Teheran - nicht mit dem Ziel eines Regimewechsels, wohl aber nach Einhaltung internationaler Standards.
Wie beurteilen Sie die Lage in Iran?
Den jüngsten Protesten fehlt bisher ein klares Ziel. Es beteiligten sich zu wenige Iraner daran. Es fehlt eine Führungsfigur. Nach Ansicht einiger Experten ist das klerikale System daher nicht gefährdet. Ich wäre da allerdings etwas vorsichtiger. Die jüngsten Proteste sind Ausdruck der Enttäuschung nicht nur von Studenten, sondern breiter Kreise der Bevölkerung. Aufbruchstimmung und Hoffnungen, die sich 1996 an die Wahl von Präsident Chatami knüpften, sind verflogen. Die wirtschaftliche und soziale Lage wird immer deprimierender.
Die USA wollen einen Regimewechsel. Sollten die Europäer die USA darin unterstützen?
Man sollte diese Forderungen nicht überbewerten. Die USA haben bisher weder eine klare Strategie gegenüber Iran noch Vorstellungen, wie ein solcher Wechsel aussehen soll. Ich halte es jedoch generell für kontraproduktiv, von einem Regimewechsel zu sprechen. Unsere Forderungen an Teheran müssen auf Verhaltensänderungen und die Einhaltung internationaler Standards gerichtet sein.
Schwenkte die EU mit der Erklärung von Thessaloniki nicht auf den konfrontativen Kurs Washingstons ein?
Europäer und Amerikaner waren sich immer einig über die Themen, die man gegenüber der iranischen Führung kritisch ansprechen muss. Das sind die Haltung Teherans zum Nahost-Friedensprozess, die Menschenrechte, die Unterstützung des Terrorismus und seit einiger Zeit auch die Frage, ob Iran nach Atomwaffen strebt. Es gibt verstärkt Verdachtsmomente, dass die Anstrengungen Teherans nicht nur auf die zivile Nutzung der Atomenergie gerichtet sind. Die Forderung der EU erscheint mir daher völlig berechtigt, dass Iran dass Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterschreiben muss.
Rechtfertigt der bloße Verdacht die Drohung, militärisch einzugreifen?
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde kam zu dem Schluss, dass Iran die Behörde in einigen Fällen nicht ordnungsgemäß über Details seines Atomprogramms informiert habe. In der Energieanlage Kalaje könnte hoch angereichertes, waffentaugliches Uran hergestellt werden. Zudem werden Langstreckenraketen entwickelt, die als Träger dienen könnten. In Iran sind sich Konservative und Reformer einig in dem Wunsch, Nuklearenergie zu zivilen Zwecken zu nutzen. Anders als die USA sagt die EU, dass Iran auch ein Recht dazu hat. Iran muss aber die nötige Transparenz herstellen, damit alle sicher sein können, dass die Anlagen tatsächlich nur zu zivilen Zwecken genutzt werden.
Verfügt die EU überhaupt über politische Mittel, Teheran zum Einlenken zu bewegen?
Die EU und Iran verhandeln derzeit über ein neues Handelsabkommen. Einerseits braucht Iran den Abschluss, andererseits hat die EU die oben genannten Forderungen und erwartet zu Recht, dass Iran zum Beispiel auch das Demonstrationsrecht achtet, keine paramilitärischen Gruppen zu deren Niederschlagung einsetzt und die Menschenrechte einhält. Teheran muss klar gemacht werden, dass es das eine ohne das andere nicht bekommen kann.
Opposition und Regierung in Deutschland scheinen erstmals seit Jahren einig über die Iran-Politik.
Die deutsche Zustimmung hat der EU-Erklärung von Thessaloniki ein besonderes Gewicht verliehen. Jetzt wünsche ich mir, dass diese gemeinsam formulierte Sicherheitsstrategie gegenüber Iran auch eingehalten wird und es dabei zu einem Schulterschluss mit den Amerikanern kommt. Natürlich besteht weiter das Risiko, dass auch die Iran-Frage die transatlantischen Beziehungen belasten könnte. Doch wir sind auf dem besten Weg, das zu vermeiden.
Wird das nicht auch von der Politik der USA abhängen?
Die Amerikaner setzen auf eine Strategie der Ausgrenzung Irans. Das aber lässt sich erstens nicht so leicht bewerkstelligen und ist zweitens auch nicht klug. Ohne Iran wird kein langfristiges, regionales Sicherheitskonzept funktionieren.
Das Gespräch führte M. Doering.