In der Debatte über die Anträge der Linken "Einsatz des Kommandos Spezialkräfte in Afghanistan beenden" bzw. "Das Mandat für die Operation Enduring Freedom beenden" führte Ruprecht Polenz folgendes aus:
Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Die Linken beantragen, das Mandat für die Operation Enduring Freedom zu beenden und das KSK zurückzuziehen. Mit diesen Anträgen – das möchte ich ganz deutlich sagen – verabschieden Sie sich vom Kampf der Staatengemeinschaft gegen den internationalen Terrorismus.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])
Auch wenn Sie das nicht wollen – Sie werden dadurch zum Türöffner für die Taliban und al-Qaida.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN: Oh!)
Die Anträge der Linken zielen darauf ab, die Sicherheitslage in Afghanistan für Soldaten, zivile Aufbauhelfer und für die afghanische Bevölkerung selbst deutlich zu verschlechtern, und sie ignorieren dabei die tatsächliche Bedrohungslage vor Ort völlig. Der Einsatz in Afghanistan, sowohl von Enduring Freedom als auch von ISAF, dient der Bekämpfung der Terroristen, die vor dem Sturz der Taliban – ich finde es zynisch, wenn auf solche Umfragen hier im Bundestag Bezug genommen wird, Herr Gehrcke – ungehindert ausgebildet wurden und die auch nach dem Sturz vehement daran arbeiten, in Afghanistan wieder an Einfluss zu gewinnen.
Die Taliban sind im vergangenen Jahr deutlich wiedererstarkt und
(Zurufe von der LINKEN)
waren in keinem Jahr seit ihrem Sturz so aktiv wie 2006.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist doch das Problem, Herr Polenz!)
Jetzt Kräfte aus Afghanistan abzuziehen, würde ihnen in die Hände spielen. Die Taliban würden es als Zeichen verstehen, mit ihren Anschlägen die Staaten der internationalen Gemeinschaft zum Rückzug bewegen zu können. Damit hätten sie genau das erreicht, was sie wollen.
Die Anträge der Linken zielen außerdem darauf ab, die Bündnissolidarität zu verletzen. Ich sage Ihnen: Wir werden uns unserer Verpflichtung nicht entziehen. Unsere Partner können sich auf den Einsatz auch unserer Soldaten verlassen.
(Beifall des Abg. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg [CDU/CSU] sowie des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])
Es sind 26 Nationen, die sich an der Operation Enduring Freedom beteiligen, darunter elf, die nicht der NATO angehören, beispielsweise Ägypten, Kenia, Australien und Neuseeland. Auch diesen Ländern gegenüber sind wir verpflichtet, wie wir in Westfalen sagen würden, hier „Poal“ zu halten.
Die Bedrohung durch die Taliban betrifft auch uns in Deutschland. Auch unsere Sicherheit hängt entscheidend von der Entwicklung in Afghanistan ab; denn die Aktivitäten der Taliban und insbesondere von al-Qaida beschränken sich nicht auf Afghanistan. Die Anschläge in London, Madrid, Istanbul und nicht zuletzt der beabsichtigte Kofferbombenanschlag in Deutschland illustrieren das auf deutliche Weise. Wenn Sie, lieber Kollege Gehrcke, in den letzten Tagen aufmerksam Zeitung gelesen hätten, dann dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass der Talibanführer Mullah Obaidullah Achund auch unsere Soldaten vor Ort massiv mit dem Tod bedroht hat. Ich zitiere: Keine der westlichen Truppen werde verschont, nicht die Deutschen, nicht die Briten, nicht die Kanadier und schon gar nicht die Amerikaner. Wir werden sie alle töten, wir dürsten nach ihrem Blut.
Vor diesem Hintergrund wäre es absolut unverantwortlich, Kräfte, die dort dem Schutz unserer Soldaten dienen, abzuziehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)
Eine wesentliche Aufgabe des KSK ist nämlich die Aufklärung. Wenn wir wollen, dass die Begleitschäden bei den Kämpfen mit den Taliban durch präzise Aufklärung und eine gezielte Vorgehensweise möglichst gering bleiben, dann muss dort, wo Nachrichtendienste und Polizeikräfte wegen mangelnder Ausrüstung nicht eingesetzt werden können, der Einsatz von Spezialkräften möglich sein, um einen optimalen Erfolg zu erzielen.
Experten sehen durch die ständig veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen in Afghanistan für die Zukunft sogar einen erhöhten Bedarf für den Einsatz von Spezialstreitkräften; denn gerade die Schnelligkeit und Flexibilität des KSK ermöglichen es, gegen Kräfte zu operieren, die Kriegsführung mit asymmetrischen Mitteln betreiben. Im Übrigen war das KSK bereits auf dem Balkan beim Zugriff auf Kriegsverbrecher erfolgreich. Warum wollen Sie diese Kompetenz zur Bekämpfung der Taliban und zum Schutz der eigenen Soldaten von vornherein ausschließen?
Es ist mir besonders wichtig, an dieser Stelle noch einmal anzumerken, dass der Einsatz von Spezialkräften nur einen Teilbereich des internationalen Engagements in Afghanistan darstellt. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Um diese wichtige zivile Aufbauarbeit zu ermöglichen, ist die Sicherheitskomponente in unserer Strategie allerdings unabdingbar. Sollte diese Säule wegfallen, wie Sie in Ihrem Antrag fordern, werden auch die Bemühungen um einen erfolgreichen Wiederaufbau des Landes keine Chance mehr haben, sich gegen die zerstörerischen Anstrengungen der Taliban durchzusetzen.
Allein in den letzten zwei Jahren sind in Afghanistan fast 100 Entwicklungshelfer ums Leben gekommen. In nur 18 Monaten wurden über 200 Attentate auf Lehrer, Schulen und Schüler verübt. Aus einigen südlichen Provinzen des Landes haben sich Entwicklungshilfeorganisationen aufgrund der instabilen Sicherheitslage bereits vollständig zurückgezogen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Polenz, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hänsel?
Ruprecht Polenz (CDU/CSU):
Ja.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Bitte.
Heike Hänsel (DIE LINKE):
Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Polenz, Sie haben gerade gesagt, dass angesichts der Sicherheitslage die Tornado-Entsendung und auch die Präsenz der Bundeswehr für die zivilen Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer wichtig sind. Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hatte eine Reise nach Afghanistan geplant. Diese Reise wurde unter anderem aus Sicherheitsgründen abgesagt. Uns, den Ausschussmitgliedern, wurde vom BKA mitgeteilt, dass sich die Situation selbst in Kabul stark geändert hat.
(Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg [CDU/ CSU]: Klassisches Eigentor!)
Unabhängig davon, ob man der US-Fahne oder der deutschen Fahne zugerechnet wird, ist es in Kabul mittlerweile so, dass man als Besatzer wahrgenommen wird. Die Tornado-Entscheidung hat das Klima in Kabul weiter verschärft.
Ich wiederhole: Unser Ausschuss – er ist eigentlich derjenige, der für das Thema „ziviler Wiederaufbau“ zuständig ist – konnte aus Sicherheitsgründen nicht nach Afghanistan fahren, weil weder die Bundeswehr noch das BKA unsere Sicherheit gewährleisten konnten.
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Wann kommt das Fragezeichen?)
Das BKA selbst hat einen Zusammenhang zur Tornado-Entscheidung und dazu, dass ein Journalist im Austausch freigelassen wurde, hergestellt. Was sagen Sie zu dieser Einschätzung?
Ruprecht Polenz (CDU/CSU):
Zunächst einmal bedanke ich mich bei Ihnen für den langen Vorspann, der noch einmal deutlich gemacht hat, dass das, was ich zur Sicherheitslage ausgeführt habe, um weitere Beispiele hätte ergänzt werden können.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das war mir wegen meiner beschränkten Redezeit aber nicht möglich.
(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das zeigt doch nur, dass der Krieg verloren ist!)
– Sie machen den Zwischenruf: „Das zeigt doch nur, dass der Krieg verloren ist!“ Wenn Sie damit – wie in Ihren Anträgen – dafür werben wollen, dass wir uns aus Afghanistan zurückziehen, dann sollten Sie sich als Erstes bewusst machen, was das für diejenigen Afghanen heißt, die bisher mit uns zusammengearbeitet haben, um dieses Land aufzubauen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn die Taliban an die Macht kämen, wären sie die Ersten, die die Taliban einen Kopf kürzer machten. Wenn Sie das unter verantwortlicher Politik verstehen – im Grunde liegt auch Ihren Anträgen dieser Geist zugrunde –, dann sind Sie in der Tat völlig ungeeignet, deutsche Außenpolitik mitzugestalten und mitzubestimmen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Diese Außenpolitik wollen wir nicht mitverantworten! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Das ist Kriegspolitik!)
Es kann auch nicht in unserem eigenen Interesse sein, dass alle unsere Anstrengungen zum Wiederaufbau des Landes zunichte gemacht werden, wie es die Folge der Strategie wäre, die uns die Linke anempfiehlt.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die machen Sie selber zunichte!)
Bis zum Jahr 2010 stellt Deutschland über 1 Milliarde US-Dollar für den Wiederaufbau des Landes zur Verfügung. Wir müssen mit den uns zur Verfügung stehenden Kräften also auch gewährleisten, dass diese Gelder ihrer Bestimmung gemäß eingesetzt werden können.
Mit Ihrem Antrag beanstanden Sie, dass die Bundesregierung ihrer Unterrichtungspflicht gegenüber dem Parlament nur unzureichend nachkomme. Wenn man Unterrichtung verlangt, muss man natürlich immer einbeziehen, um welche Gegenstände es dabei geht. Es ist uns allen klar, dass die KSK-Einsätze ihrer Natur nach einer besonderen Geheimhaltung unterliegen müssen, wenn sie erfolgreich sein sollen. Das muss zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Art und Weise der Unterrichtung haben. Der Vorwurf, es werde dann der Grundsatz der Parlamentsbeteiligung – Stichwort: Bundeswehr als Parlamentsheer – verletzt, ist billig, wenn er diesen Sachverhalt ausklammert und außer Acht lässt.
Wir hatten gerade am vergangenen Montag eine Unterrichtung über diese Frage; Sie haben darauf hingewiesen, Herr Kollege Gehrcke. Es gibt jetzt ein zwischen der Bundesregierung und den Fraktionen vereinbartes Verfahren. Ich glaube, dass das auch funktionieren kann. Von daher finde ich auch diesen Teil der Begründung Ihrer Anträge nicht schlüssig.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal festhalten, warum wir in Afghanistan sind. Nach den Anschlägen vom 11. September hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen diese Anschläge als Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit qualifiziert und das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung unterstrichen. Es ist leider so: Das Terrornetzwerk al-Qaida mit seinen lokalen und regionalen islamistischen Strukturen ist noch nicht zerschlagen. Die umfassende Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist und bleibt eine zentrale Herausforderung für die internationale Gemeinschaft. Deshalb darf auch Deutschland in seinen Anstrengungen in diesem Bündnis nicht nachlassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ihr Vorwurf der Völkerrechtswidrigkeit ist völlig falsch. Die Operation Enduring Freedom fußt auf einem klaren Mandat der Vereinten Nationen.
(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Ach was!)
Wir folgen außerdem einer klaren Aufforderung der USA, den Terror gemeinsam zu bekämpfen. Um in diesem Kampf erfolgreich zu sein, ist ein breites internationales Bündnis erforderlich, an dem wir uns weiterhin beteiligen.
Wenn die Position der Linken international Schule machte, sozusagen als Beispiel auch für andere diente, wenn sich also alle Bündnispartner so verhielten und einen Rückzug der Kräfte verlangten – die Frage muss man sich immer stellen, wenn man hier Anträge einbringt –, hieße das, vor dem Terrorismus zu kapitulieren. Das wäre in meinen Augen im Hinblick auf unsere eigene Sicherheit unverantwortbar.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)