Ruprecht Polenz

"Der Terroismus ist in Afghanistan nicht von der Bildfläche verschwunden"

Ruprecht Polenz im Interview mit Zeitschrift "Cicero" zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan
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Was halten Sie von der Idee, bei der im Herbst anstehenden Bundestagsentscheidung über den weiteren Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan die drei derzeit bestehenden Mandate zu einem zusammen zu fassen, also den Anti-Terror-Kampf „Operation Enduring Freedom“ (OEF), die „Internationale Stabilisierungs- und Unterstützungsmission“ Isaf wie auch die Tornado-Aufklärungsflüge?

Ich halte es für sehr sinnvoll, dass wir über die Verlängerung des Bundeswehr-Engagements in Afghanistan in einem Durchgang im Parlament entscheiden. Wie die Mandate im einzelnen ausgestaltet werden, ist Sache der Bundesregierung. Es bleibt aber in jedem Fall erforderlich, dass auch die Operation Enduring Freedom weiter in Afghanistan aktiv ist. Denn der Terrorismus ist dort nicht von der Bildfläche verschwunden.

Doch sind die etwa 100 Soldaten aus dem Kommando Spezialkräfte (KSK), die Enduring Freedom zugeordnet sind, seit Ende 2005 nicht zum Einsatz gekommen.

Es stimmt, die KSK-Kräfte wurden längere Zeit nicht angefordert. Sie abzuziehen wäre dennoch die falsche Schlussfolgerung…

Warum, weil man die Verbündeten verprellen könnte?

Bei Enduring Freedom ging und geht es darum, terroristische Strukturen in Afghanistan zu bekämpfen. Niemand bestreitet, dass es diese Strukturen nach wie vor gibt. Auch wenn unsere KSK-Soldaten eine Zeitlang nicht angefordert wurden, wäre ein Rückzug gegenüber unseren Partnern in hohem Maße erklärungsbedürftig. Die Bündnissolidarität ist ein wichtiger Gesichtspunkt beim Einsatz in Afghanistan. Es entsteht oft der Eindruck, als sei Deutschland nahezu allein beim zivilen Aufbau des Landes engagiert. An Isaf sind etwa dreißig Nationen beteiligt. Auch OEF wird von vielen Staaten getragen. Deshalb ist es wichtig, verlässlich Solidarität zu zeigen, damit die Partner sich aufeinander verlassen können und es nicht zu dem Effekt kommt, dass am Ende der Letzte das Licht ausmacht.

Trotzdem würde ein Ausstieg aus OEF, wie jetzt diskutiert, mehr Spielraum beim Einsatz von Isaf bringen. Immerhin hat Isaf-Stabschef Kasdorf in diesen Tagen erklärt, die Truppe brauche zum einen mehr Leute, zum anderen mehr Flexibilität.

Wenn für den Isaf-Einsatz zusätzliche Kräfte erforderlich sind, muss die Bundesregierung dem Parlament einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten und dies begründen. Das Parlament ist gut beraten, hier nicht quasi als Ersatzfeldherr selber Vorgaben zu machen.

Sie wären also bereit zu einer Aufstockung des Kontingents?

Wir müssen die Signale aus Afghanistan, etwa von der Isaf-Führung, sehr ernst nehmen. Um den Erfolg des Mandats zu gewährleisten und um unsere Soldaten zu schützen, müssen wir das Kontingent so formieren, dass es wirksam arbeiten kann. Wenn dazu eine Aufstockung erforderlich ist und die Bundeswehr diese stemmen kann, sollten wir als Bundestag zustimmen.

Die sowohl aus Reihen der Union als auch aus der SPD geforderte Zusammenfassung der drei Mandate wird auch damit begründet, dass angesichts der hohen Opferzahlen bei der „Operation Enduring Freedom“ der Rückhalt in der Bevölkerung Afghanistans für diesen Einsatz sinkt. Auch in Deutschland wird die Skepsis größer.

Zivile Opfer sind immer eine menschliche Tragödie. Zugleich sind sie kontraproduktiv mit Blick auf die Ziele beim Aufbau Afghanistans, bei der Unterstützung der Regierung. Denn sie entfernen die Bevölkerung von den Streitkräften. Bei beiden Operationen, sowohl bei OEF wie bei Isaf, muss darum alles daran gesetzt werden, die Strategien darauf auszurichten, dass keine zivilen Opfer zu beklagen sind. Das ist schwierig, aber unerlässlich. Deutschland muss seinen Einfluss auf die „Operation Enduring Freedom“ offensichtlich stärken, um auf eine solche Strategie hinzuwirken…

Das dürfte schwierig werden, da die Amerikaner sich wenig hineinreden lassen…

Es ist aber ein Trugschluss zu glauben, wenn Deutschland sich aus OEF zurückzieht, würde es mit Fehlern, die im Rahmen dieser Mission unterlaufen, nicht mehr konfrontiert. Das wird weder von der Bevölkerung in Afghanistan noch hierzulande streng auseinander gehalten. Wir müssen erreichen, dass wir bei OEF die Vermeidung ziviler Opfer als Maxime der Vorgehensweise statuieren.

Auch in der SPD schwindet der Rückhalt. Bleibt es bei den drei Mandaten, stehen Sie vor dem Problem, dass es für OEF keine Mehrheit im Parlament geben könnte.

Hier ist die Führungskraft der Spitzen von Partei und Fraktion wie auch von der Bundesregierung gefordert, für die entsprechenden Anträge mit Überzeugungskraft zu werben.

Vom ehemaligen Bundesverteidigungsminister Peter Struck stammt der Satz, die Freiheit Deutschlands werde auch am Hindukusch verteidigt. Glauben Sie, die Bevölkerung hat dafür Verständnis?

Der Satz ist richtig. Allerdings ist zu bezweifeln, dass die Bevölkerung ihn auch nachvollzieht. Das liegt auch daran, dass dieser Satz in der Zwischenzeit zu wenig wiederholt und mit aktuellen Sachverhalten begründet wurde. Wir dürfen nach wie vor nicht zulassen, dass neue Trainingslager der Al Kaida in Afghanistan entstehen. Denn die Al Kaida-Attentäter haben in der Vergangenheit bereits in Europa zugeschlagen, sie versuchen es auch in Deutschland. Deshalb ist es richtig, wenn wir unsere Sicherheit und Freiheit auch am Hindukusch verteidigen.