Ruprecht Polenz

UN müssen gegenüber Birma Stellung beziehen

Ruprecht Polenz im Deutschlandfunk

Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz kritisiert die Zurückhaltung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gegenüber dem Militärregime in Birma. Er sei vom Verhalten Bans "etwas enttäuscht", da dieser keine Initiative ergriffen habe, den UN-Sicherheitsrat mit der Hilfe für die Wirbelsturmopfer zu befassen.
Christian Schütte: Die internationale Gemeinschaft hat die Verantwortung und das Recht, Menschen in der Not zur Seite zu stehen, auch wenn sich die eigene Regierung dagegen sträubt. Mit diesen Worten wird Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zitiert. Gemeint ist damit, angesichts der weiterhin katastrophalen Lage in Birma sollte die UNO mehr Druck auf die Militärführung dort ausüben, um eben noch mehr internationale Hilfe zuzulassen - Hilfe für die notleidenden Menschen nach dem Wirbelsturm vor über einer Woche. Wie aber verhält sich die UNO?

Was kann, was sollte, was will die Staatengemeinschaft noch ausrichten? Welche Druckmittel hat sie? Darüber spreche ich nun mit Ruprecht Polenz von der CDU. Er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Guten Morgen, Herr Polenz!

Ruprecht Polenz: Guten Morgen, Herr Schütte!

Schütte: Hat sich im Fall Birma einmal mehr gezeigt, wenn es schnell gehen muss ist die UNO handlungsunfähig?

Polenz: Ich finde schon enttäuschend, dass die UNO zum einen eine Behandlung des Themas im Sicherheitsrat bisher nicht zu Stande gebracht hat und natürlich das, was gerade geschildert wurde, wie Birma mit den Briefen und Gesprächswünschen des UN-Generalsekretärs umgegangen ist, das zeigt eben auch, dass Birma die UNO hier als Papiertiger einschätzt. Aber das könnte sich sehr schnell ändern, wenn sich der Sicherheitsrat endlich mit der Frage beschäftigen würde. Ich bin auch etwas vom Verhalten des Generalsekretärs enttäuscht. Ich erinnere mich, dass Kofi Annan, sein Vorgänger, in bestimmten Situationen durchaus Initiativen ergriffen hat, um dann auch den Sicherheitsrat mit bestimmten Fragen zu befassen.

Schütte: Herr Polenz, was ist Ihre Einschätzung? Warum lehnt es der Generalsekretär Ban Ki Moon ab, den Sicherheitsrat mit diesem Thema zu befassen?

Polenz: Ich glaube, er sieht einmal die skeptische bis ablehnende Haltung Chinas. China ist der weitere große Spieler in dieser Frage, von dem aus Einfluss auf Birma ausgehen könnte, denn China nutzt Birma praktisch als Rohstofflieferant, hat sehr enge Wirtschaftsbeziehungen, bekommt Gas und andere Rohstoffe aus diesem Land, und die Militärjunta ist sehr abhängig auch von dem, was China macht. China könnte natürlich seinen Einfluss ausüben. Es hat aber, als es den Versuch der Franzosen gab, den Sicherheitsrat zu befassen, sich quergelegt, genauso wie Russland und Südafrika. Vielleicht möchte es sich Ban Ki Moon mit denen nicht verderben.

Schütte: Das heißt, Ban Ki Moon, die UNO-Führung ist nicht den Menschenrechten verpflichtet?

Polenz: Sie ist den Menschenrechten schon verpflichtet, aber vielleicht wird hier etwas übertaktiert. Ich glaube, wenn sich jetzt nicht schnell konkret etwas ändert in Birma selbst, dass die Helfer ins Land dürfen, dass man die Katastrophenhilfe annimmt, die praktisch an den Grenzen Birmas wartet, dann kommen wir in eine Situation, wo die Verantwortung zum Schutz der Bevölkerung, also diese sogenannte Rechtsfigur "Responsibility to Protect" wirken würde - und sie ist zwar zunächst abhängig von einem Handeln des Sicherheitsrates -, aber ich darf daran erinnern: sie ist entwickelt worden nach der Intervention im Kosovo, und damals hat bekanntlich der Sicherheitsrat auch versagt.

Schütte: Sie sprechen den Sicherheitsrat an. Politiker auch aus Deutschland fordern weiterhin, dieser Sicherheitsrat müsse nun eingeschaltet werden. Ist der Ruf nach der UNO in dieser Situation nicht eher ein Ausdruck eigener Hilflosigkeit?

Polenz: Ja sicher sind wir in gewisser Weise zunächst hilflos, solange man sich jetzt auf die UNO fixiert, und dort wird durch China und Russland eine Aktion blockiert. Ich habe Ihnen gerade gesagt: Länder, die auf Birma Einfluss haben, sind China, mit Abstand Indien und sicherlich auch noch zu einem kleinen Stück die sogenannten ASEAN-Staaten. Das ist ein Bündnis von Staaten in Südostasien mit den Philippinen, Malaysia und anderen. Deren Einfluss ist aber schon deutlich schwächer als beispielsweise der von China. Wir können als Europäische Union außer Hilfe bereitstellen und appellieren zunächst einmal wenig machen, es sei denn, man entschließt sich außerhalb der Vereinten Nationen etwa zu einer Hilfe aus der Luft. Das würde zwar eine Verletzung des burmesischen Luftraums bedeuten, aber die "Responsibility to Protect" in einer solchen Situation, wo die eigene Regierung das Volk praktisch in Teilen dem Tode preisgibt, wäre nach meiner Auffassung eine solche Aktion legitimiert.

Schütte: Das heißt, wenn in einem Land mehr als eine Million Menschen Not leiden, weil die Regierung keine Hilfe zulässt, wenn Menschen deshalb sogar sterben, das heißt, Sie sagen, dann sollte man auch über militärische Konsequenzen nachdenken?

Polenz: Man muss sich das jetzt vielleicht so vorstellen, dass man dann versucht, aus der Luft zu helfen mit dem Abwurf von Lebensmitteln, von Hilfsgütern. Das wäre zunächst rechtlich gesehen eine Verletzung des Luftraums, aber gerechtfertigt durch diese neue völkerrechtliche Rechtsfigur "Responsibility to Protect", also Verantwortung zum Schutz von Menschen, deren eigene Regierung sie dem Untergang preisgibt in einer solchen Situation. Genau dieses Beispiel ist auch im Jahre 2005 auf der Konferenz der Vereinten Nationen als ein Beispiel für eine solche Notlage angeführt worden - allerdings immer noch auch mit dem Hintergedanken, der Sicherheitsrat müsse dann handeln. Aber es ist klar: Wenn der Sicherheitsrat in einer solchen schwerwiegenden Situation sich nicht in der Lage sieht zu handeln, weil Länder ihn blockieren, die ein Vetorecht haben, dann ist die internationale Staatengemeinschaft aufgefordert, nicht einfach tatenlos zuzusehen.

Schütte: Frankreichs Außenminister Kouchner ist offenbar weniger auf die UNO fixiert, weniger auf die EU. Er hat angekündigt, die Hilfsbereitschaft gewissermaßen zu unterstreichen, indem die Güter aus Frankreich per Kriegsschiff in die Region gebracht werden. Sollte nicht auch Deutschland hier eigenständig beherzter handeln, statt weiter zuzuschauen?

Polenz: Von nationalen Alleingängen halte ich nicht so viel. Es wäre dann eher eine Frage, ob sich die NATO-Länder gemeinsam zu einer solchen Aktion zusammenschließen würden und andere Länder, die sich mit ihren Hilfsgütern anschließen wollen, dazu einladen. Man braucht dann schon einen multilateral abgestimmten Einsatz. Es würde wahrscheinlich auch nicht ohne die Unterstützung der in dieser Region auch militärisch sehr stark präsenten Amerikaner gehen. Und man müsste natürlich auch flankierend eine solche Hilfsaktion absichern, mit China, mit Russland darüber sprechen, dass man sich aber dazu gezwungen sieht, weil der Sicherheitsrat die entsprechende Autorisierung nicht gibt. Aber man kann nicht einfach zuschauen, wie möglicherweise Hunderttausende von Menschen deshalb sterben, weil nach einer schwerwiegenden Katastrophe die Regierung Hilfeleistungen verweigert, die sonst verfügbar wären.

Schütte: Wenn wir über internationalen Druck reden und wie man ihn aufbaut - und wir haben ja auch das Stichwort China schon gehabt -, schauen wir einmal auf den Tibet-Konflikt. Sie wollen den Dalai Lama treffen, wenn er am Freitag nach Deutschland kommt. Was versprechen Sie sich davon an Druck?

Polenz: Zunächst einmal, es wird ein Treffen sein von den außenpolitischen Sprechern der Bundestagsfraktionen, also des Auswärtigen Ausschusses. Ich hatte den Dalai Lama um dieses Gespräch gebeten, und es hat mich gefreut, dass er die Einladung angenommen hat, denn wir wollen damit ein Zeichen setzen dafür, dass wir das Anliegen unterstützen, was er ja vertritt, gewaltfrei dafür zu werben, dass Tibet und die tibetische Bevölkerung kulturelle und religiöse Freiheiten bekommt, die sie jetzt nicht haben, und dass die Menschenrechtsverletzungen gegenüber ihrer Bevölkerung beendet werden. Diesem Anliegen wollen wir durch ein solches Gespräch auch eine Gewisse Sichtbarkeit geben.

Schütte: Können Sie aber auch nachvollziehen, dass andere Spitzenpolitiker das tibetische Oberhaupt nicht treffen wollen?

Polenz: Ich kann nachvollziehen, dass die Bundeskanzlerin das schlicht aus Zeitgründen nicht kann. Sie ist zum gleichen Zeitpunkt in Lateinamerika. Auf der anderen Seite sehen wir doch, dass der internationale Druck dazu geführt hat, dass jetzt sogar die chinesische Führung, was ich begrüße, mit Gesandten des Dalai Lama spricht. Also ich sehe eigentlich keinen Grund, weshalb andere Politiker mit Blick auf was auch immer den Dalai Lama nicht sehen wollen.

Schütte: Frau Merkel ist terminlich verhindert, aber auch die CDU tut sich ja ein wenig schwer mit dem Dalai Lama. Nehmen wir das Beispiel Horst Köhler, der Bundespräsident. Auch er verweigert sich hier.

Polenz: Der Bundespräsident war CDU-Mitglied, ist für die Zeit seiner Amtszeit keiner Partei angehörig.

Schütte: Aber dennoch steht er ja in gewisser Weise schon noch für die CDU.

Polenz: Ja, gut. Aber er ist das Staatsoberhaupt und - ich habe das in der Zeitung gelesen - aus terminlichen Gründen kommt dort kein Gespräch zu Stande. Ich will den Bundespräsidenten - das gebietet für mich persönlich auch der Respekt vorm Amt - jetzt deshalb nicht kritisieren. Er wird seine Gründe haben. Aber ich hätte es zum Beispiel begrüßt, wenn der Außenminister ihn gesehen hätte.

Schütte: Der ist derzeit unterwegs in Russland.

Polenz: Ich glaube, bis dahin ist er wieder zurück. Ich sehe den Dalai Lama nächsten Montag. Ich glaube, der Außenminister ist fünf Tage in Russland; heute ist er losgefahren. Ich glaube, er wäre jedenfalls wieder in Berlin. Aber auch er hat seine Entscheidung unter welchen Gründen auch immer getroffen. Ich sage nur: Ich hätte es begrüßt, wenn er ihn gesehen hätte.

Schütte: Nun sagt die SPD aber auch, da instrumentalisiert die Union diese ganze Diskussion zu innerpolitischen Zwecken.

Polenz: Nein, das tun wir nicht. Denn wir haben ja bei unserem Gespräch - ich hatte das vorhin gesagt - im Auswärtigen Ausschuss natürlich alle Fraktionen dabei, und wir haben auch noch den Vorstand der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe und des Tibet-Gesprächskreises, den es im Bundestag gibt, dazu eingeladen. Also von der Parlamentsseite her ist das eine parteiübergreifende Geschichte. Darauf lege ich auch großen Wert. Wir sind uns auch im Parlament in der Behandlung der Tibet-Frage völlig einig.

Schütte: Ruprecht Polenz von der CDU, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch.

Polenz: Bitteschön.

Interview im Deutschlandfunk am 13.5.2008