KFOR für den Aufbau eines sicheren Umfeldes und Unterstützung beim Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen im Kosovo unverzichtbar
Es gibt nun die neue Aufgabe, die Einheit des Kosovo sicherzustellen "Die Unionsfraktion wird dem Antrag der Bundesregierung, das Mandat für KFOR zu verlängern, zustimmen. Nach den Beratungen im Auswärtigen Ausschuss können wir auch davon ausgehen, dass die Zustimmung auch vom Bündnis 90/Die Grünen und von der FDP, also von einer breiten Mehrheit im Deutschen Bundestag, getragen wird. Das hat auch gute Gründe; denn jeder, der sich mit der Lage im Kosovo befasst, weiß – Herr Stinner hat darüber gerade gesprochen –, dass die KFOR für den Aufbau eines sicheren Umfeldes für alle Bewohner und die weitere Unterstützung beim Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen im Kosovo unverzichtbar ist.
Wahr ist, dass der eigentlich sorgfältig vorbereitete Weg, beim Kosovo zu einer Statusänderung zu kommen, nicht zu einer einvernehmlichen Lösung geführt hat. Aber der Zustand war auch nicht länger haltbar. Denjenigen, die sagen – ich spreche hier vor allem die Linksfraktion an –, es sei falsch gewesen, dass die Bundesrepublik Deutschland den anderen Ländern, die die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt haben, gefolgt sei, möchte ich sagen, dass eine einvernehmliche Lösung nicht mehr zu erwarten war.
(Dr. Norman Paech [DIE LINKE]: Das ist die Frage!)
25 Monate ist verhandelt worden, zuerst unter Ahtisaari, dann im UN-Sicherheitsrat, dann unter Beteiligung der Troika von Russland, den USA und der Europäischen Union sowie von Wolfgang Ischinger. Alles war ergebnislos. Der Status quo war nicht länger tragbar. Insofern sind wir nun bei der zweitbesten Lösung. Damit müssen wir umgehen.
Über die zweitbeste Lösung zu sprechen, bedeutet gerade angesichts des Besuchs des russischen Präsidenten in Berlin, zwei, drei Sätze zur Rolle Russlands in diesem Prozess zu sagen. Russland hat seinerzeit eine Resolution des UN-Sicherheitsrats für eine Intervention verhindert, obwohl Genozidgefahr bestand. Russland hat dann eingelenkt und die UN-Resolution 1244 mitgetragen. Russland hat dem Mandat für Ahtisaari zugestimmt. Ich selber habe mit Ahtisaari zu Beginn seiner Verhandlungsmission gesprochen. Er, der ein erfahrener Politiker ist, hat damals den festen Eindruck gehabt, dass die Ziele, die er in sogenannten Private Messages nach Priština und Belgrad vermittelt hat, von allen ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates geteilt werden. Russland ist dann irgendwann ausgeschert und hat mit dem internationalen Konsens gebrochen. Deshalb haben wir nun das Problem, einen Übergang von UNMIK, der Mission der Vereinten Nationen im Kosovo, die eine Art Protektoratsregime innehatte, zu einer von der Europäischen Union und der EULEX-Mission überwachten und kontrollierten Unabhängigkeit des Kosovo zu finden. Es wird nicht so laufen wie geplant. Dazu sage ich gleich noch etwas.
Es gibt nun die neue Aufgabe, die Einheit des Kosovo sicherzustellen. Es gibt den serbisch besiedelten Norden, den Serbien gerne als Hebel zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Kosovo nutzen möchte. Nicht nur die Parlamentswahlen, sondern auch die Kommunalwahlen, die Serbien rechtswidrig beispielsweise in Mitrovica hat durchführen lassen, haben gezeigt, dass sich daraus noch ein Problem ergeben könnte. Falls in Belgrad die Europabefürworter die Regierung bilden werden, haben sie das Problem, dass es sich aus serbischer Sicht bei den Vertretern in Mitrovica um Hardliner in Amt und Würden handelt, die möglicherweise den ganzen Prozess noch weiter erschweren.
Es besteht die Gefahr, dass sich im Norden ein Machtvakuum bildet und dass Priština den Anspruch erhebt, die Unabhängigkeit des ganzen Kosovo erklärt zu haben. Nun kann man auf Zeit spielen. Es wird uns auch nicht viel anderes übrig bleiben, gerade wenn es um den Übergang von UNMIK zu EULEX geht. Angesichts der Kürze der Debatte nur so viel: Wahrscheinlich wird entgegen den Planungen UNMIK bleiben, und EULEX wird unter dem Dach von UNMIK ein Pfeiler. Eine andere Lösung kann ich mir nicht vorstellen. Aber beim zeitlichen Aspekt müssen auch die Nebenwirkungen in der Region beachtet werden.
Damit bin ich bei Mazedonien, Herr Jung. Ich glaube, wenn in Mazedonien angesichts der jetzigen Lage der Eindruck entsteht, der Norden des Kosovo sei auf einem erfolgreichen Weg, sich abzuspalten, wird die Versuchung für die albanische Minderheit in Mazedonien sehr stark wachsen, darüber nachzudenken, ob man das auch machen könnte. Deshalb ist es ganz wichtig, dass auch die deutsche Regierung und vor allem die Europäische Union den Namensstreit zwischen Mazedonien und Griechenland als ein erstrangiges Problem wahrnehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn für die Stabilisierung Mazedoniens sind die Mitgliedschaft in der NATO und die EU-Perspektive, die es ohne die Lösung des Namensstreites natürlich nicht gibt, essenziell. Mein Eindruck, gerade auch in der Vorbereitung des NATO-Gipfels, war, dass die meisten gemeint haben, Griechenland vertrete eine aberwitzige Position und werde schon einknicken. Ich will die griechische Position gar nicht bewerten. Nur, eines will ich Ihnen sagen: Jeder, der auch nur drei Stunden in Athen war, hätte erkennen können, dass es für jede griechische Regierung völlig unmöglich war, im Namensstreit nachzugeben. Und dass Griechenland einige Erfahrungen damit hat, EU-Entscheidungen zu blockieren, wissen wir aus anderen Zusammenhängen. Also, hier bitte mehr Aufmerksamkeit auch der deutschen Politik für diesen Namensstreit. Wir müssen sehen, dass wir ihn in diesem Jahr vom Tisch bekommen.
Eine letzte Anmerkung: Wir werden auch Wert darauf legen müssen, Russland und Serbien so gut es geht irgendwie wieder in die Prozesse einzubeziehen. Hier kommt die OSZE als eine Möglichkeit ins Spiel, über die wir stärker nachdenken müssten, als das vielleicht bisher geschehen ist. Die OSZE ist als ziviler Stabilisierungsfaktor im Land dabei – 800 Mitarbeiter in allen Gemeinden des Kosovo –, den Aufbau demokratischer Institutionen zu fördern, zum Beispiel mit Monitoringaufgaben, was Menschenrechte, Minderheitenschutz und die Medienentwicklung in Kosovo angeht. Sie unterstützt die Dezentralisierung, und sie betreibt Polizei- und Gerichtsmonitoring, sogar eine eigene Polizeischule. Jetzt kommt der politische Aspekt. Die OSZE arbeitet unter der Prämisse der Statusneutralität und könnte dadurch eine Klammer in der jetzigen Frage zu Russland und zu Serbien darstellen. Es ist ganz wichtig, dass gerade Deutschland deutlich macht, dass wir nach wie vor eine wichtige Rolle der OSZE wünschen. Nach dem, was man hört, könnte demnächst ein Wechsel an der Spitze der OSZE-Mission anstehen. Ich möchte gerade von dieser Stelle die Anregung geben, dass Deutschland sich um eine Übernahme dieser Führungsposition bemüht, zumal die Position von Herrn Rücker bei UNMIK demnächst auslaufen wird und wir zu den Ländern gehören, die ein besonderes Interesse am Kosovo haben, dann aber in keiner Führungsposition mehr bei den internationalen Organisationen vertreten sein würden. Das wäre auch ein Signal dafür, dass wir den Weg des Kosovo weiter begleiten wollen, auch weil es in unserem Inte-resse liegt, diesem Armenhaus des früheren Jugoslawiens, dem Armenhaus des jetzigen Europas, zu helfen. Es ist reich an Bodenschätzen – die drittgrößten Braunkohlenreserven Europas liegen dort, und es gibt viele Erz- und Mineralvorkommen, die sehr wichtig sind.
Eine allerletzte Bemerkung: 13 Prozent des kosovarischen Bruttosozialprodukts bei einer Arbeitslosigkeit von 50 Prozent kommen von den Überweisungen von Exilkosovaren in ihre Heimat. Ich finde es etwas widersinnig, dass wir mit sehr viel Geld vor Ort tätig sind, aber eine Politik der Rückführung von Kosovaren, die hier gut integriert sind, die hier ihre Wohnung und ihren Arbeitsplatz haben – die Arbeitgeber kommen sogar mit ihnen in unsere Sprechstunden und sagen, dass diese ihre besten Mitarbeiter seien, und fragen, warum wir die zurückschicken –,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
betreiben und auf diese Weise das Kosovo von einer wirtschaftlichen Einnahmequelle abschneiden, die das Land auf absehbare Zeit noch brauchen wird.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Kollege Polenz, gestatten Sie nicht eine Zwischenfrage, sondern eine Nachfrage? Ihre Redezeit ist nämlich schon vorüber.
Ruprecht Polenz (CDU/CSU):
Ja. Ich weiß.
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Kollege Polenz, Sie wissen, dass ich Sie sehr respektiere und wir in diesem Punkt Ihre Haltung absolut teilen. Kann man aufgrund Ihrer jetzigen Aussage davon ausgehen, dass die Regierung und Sie als Teil der Koalitionsfraktionen sich massiv vor allen Dingen an die Innenministerkonferenz wenden werden, weil diese Entscheidungen nicht vom Außenministerium getroffen werden, sondern von den Innenministern, die in unverantwortlicher Weise genau diese Widersinnigkeit, die Sie eben beschrieben haben, von Jahr zu Jahr fortführen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ruprecht Polenz (CDU/CSU):
Liebe Frau Kollegin Beck, ich muss ehrlich sagen: Das weiß ich nicht. Was ich hoffe, ist, dass dieser Zusammenhang, über den wir, glaube ich, alle zu wenig diskutiert haben, deutlich wird und zu einer Korrektur des Verhaltens führt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)"