Ruprecht Polenz

Bundestag stimmt Bundeswehreinsatz im Rahmen der EU-Mission ATALANTA zu

Rupecht Polenz spricht im Bundestag

Deutschland wird sich mit einer Fregatte an der Piratenjagd am Horn von Afrika beteiligen und damit erstmals in ihrer Geschichte in einem internationalen Verband gegen Piraten kämpfen. Das hat mit großer Mehrheit der Bundestag am 19. Dezember 2008 in Berlin beschlossen. Die Bundesregierung hatte im Parlament die Teilnahme der Marine an der EU-Mission ATALANTA zum Schutz der Seewege vor der somalischen Küste beantragt. Diese Route wird jährlich von 25.000 Handelsschiffen genutzt und ist allein in diesem Jahr wegen knapp 250 Piraten-Attacken zu einem gefährlichen Seeweg geworden. Während der Debatte ergriff auch Ruprecht Polenz das Wort:
"Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte gerne mit einem Zitat beginnen:
Deutschland hat aufgrund seiner immer engeren Verflechtung in der Weltwirtschaft besonderes Interesse an internationaler Stabilität und ungehindertem Warenaustausch. Wie viele andere Länder ist es in hohem Maße von einer gesicherten Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab abhängig und auf funktionierende Informations- und Kommunikationssysteme angewiesen. Verwerfungen im internationalen Beziehungsgefüge, Störungen der Rohstoff- und Warenströme, beispielsweise durch zunehmende Piraterie, und Störungen der weltweiten Kommunikation bleiben in einer interdependenten Welt nicht ohne Auswirkungen auf die nationale Volkswirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden.

So weit das Zitat aus dem Weißbuch der Bundesregierung. Ich habe deshalb darauf Bezug genommen, weil der Verteidigungsminister, der damals dieses Weißbuch vorgelegt hat, unter anderem wegen dieser Passage heftig kritisiert wurde. Ich möchte hervorheben: Er hat mit dieser Analyse richtiggelegen. Das, was wir heute mit großer Mehrheit im Deutschen Bundestag beschließen, ist ein Ergebnis dieser Analyse einer ganz konkreten Situation. Herr Minister Jung, ich will festhalten: Sie haben damals richtiggelegen.

Das deutsche Interesse ist in Folgendem begründet: Wir haben weltweit die größte Containerflotte und die drittgrößte Handelsflotte. 17 Prozent des Außenhandelswertes werden über Seewege erwirtschaftet. 56 Prozent unseres Rohölbedarfs kommen über See nach Deutschland. Deshalb beteiligen wir uns nun an einer europäischen Anstrengung, in einem ganz bestimmten Bereich die Seewege zu sichern.
In der Debatte, sowohl in der ersten Lesung als auch in der heutigen abschließenden Beratung, ist viel von dem Failed State Somalia und dem Piratenproblem die Rede. Ich will daran erinnern Herr Trittin hat ebenfalls darauf Bezug genommen, dass wir uns vor einem Jahr im Zusammenhang mit einem mit großer Mehrheit angenommenen Somaliaantrag mit dieser Frage sehr differenziert und intensiv auseinandergesetzt haben. Wenn ich es richtig gelesen habe, ist dieser Antrag damals übrigens gegen die Stimmen der Linksfraktion bei Zustimmung aller anderen Fraktionen angenommen worden. Aber, Herr Trittin, ich habe den Antrag nicht so verstanden, als hätte der Bundestag damals die Meinung vertreten, Deutschland könne das Problem Failed State Somalia alleine stemmen. Wenn man den Ton Ihrer Rede gehört hat vielleicht nicht, wenn man nachher im Manuskript die Worte nachliest und die Vorwürfe an den Außenminister zur Kenntnis genommen hat, dann konnte man schon den Eindruck bekommen, Sie meinten, Deutschland könne das. Wenn Sie mir jetzt durch Ihr Kopfschütteln recht geben, dann sind wir wieder auf der Basis des gemeinsamen Antrags. Wir können bescheidene Beiträge dazu leisten, um Somalia zu stabilisieren.

Daher meine ich, es ist ein Gebot der Fairness, gegenüber der deutschen Öffentlichkeit nicht den Eindruck zu erwecken, es liege ein großes Versäumnis der Regierung vor. Das sollte man nicht tun, nur um die Regierung zu kritisieren, obwohl wir eigentlich alle derselben Meinung sind.

Es gibt aber noch einen Ansatz neben dem Aufbau eines Failed State und der aktuellen Piratenbekämpfung, auf den ich die Aufmerksamkeit lenken möchte, weil in dieser Hinsicht mehr geschehen muss. Ich nenne das Stichwort organisierte Kriminalität; denn die Piraten brauchen ein Netzwerk an Land, um erfolgreich zu sein. Sie müssen Informationen über Schiffsrouten, Schiffsladungen, über Besatzungen und über die Abwehrmöglichkeiten, die vielleicht gegeben sind, bekommen, sie brauchen Käufer für die gestohlenen Waren, und sie brauchen gefälschte Dokumente. Ein Ansatz muss also auch die Bekämpfung der internationalen Kriminalität sein. Die Geldströme müssen unterbrochen werden. Das ist ein Aspekt, der in der internationalen Sicherheitszusammenarbeit künftig eine größere Rolle spielen muss.

Es geht auch darum das ist der Frage, wie man Somalia wieder auf die Beine helfen kann, vorgelagert , dass man zur Verbesserung der Lebensgrundlagen der Fischer etwas gegen die Umweltverschmutzung in den Gewässern vor Somalia, gegen die Verklappung und gegen die illegalen Fangflotten unternimmt.
„Atalanta“ soll abschrecken. Dass das erfolgreich sein kann, haben asiatische Länder gezeigt. In der Mitte der 90er-Jahre gab es ein großes Piratenproblem in der Straße von Malakka. Dort ist es gelungen, die Zahl der Piratenüberfälle von 2003 bis 2007 um etwa zwei Drittel zu senken, weil 14 asiatische Staaten gemeinsam und gut koordiniert gegen die Piraterie vorgegangen sind.

Ich möchte noch auf einen Punkt hinweisen, der mir in der Debatte zu kurz kam. Wir sprechen über ein Seegebiet von 3 Millionen Quadratkilometern. Diese Fläche ist achtmal so groß wie Deutschland. Selbst wenn wir unterstellen, dass die Schifffahrtsrouten, die man kontrollieren muss, nicht durch das gesamte Gebiet führen, ist der Ansatz der Abschreckung wahrscheinlich realistisch. Wer glaubt das klang vorhin auch bei Herrn Schäfer ein bisschen an , man könne jetzt jeden Piratenüberfall von vornherein verhindern und wenn das nicht gelinge, sei „Atalanta“ ein Misserfolg, der legt die Latte auf eine Höhe, die mit Sicherheit nicht übersprungen werden kann.
15 Länder beteiligen sich an „Atalanta“. Neben den Ländern aus der Europäischen Union sind das Indien, Pakistan, Saudi-Arabien, die USA, China und Russland. Ich finde, ein besonders positives Signal ist, dass sich Russland an der Pirateriebekämpfung beteiligt. Wir sollten das zum Anlass nehmen, in besonderer Weise mit Russland Erfahrungen auszutauschen und über Koordinierungsmaßnahmen bei der Pirateriebekämpfung zu sprechen. Das ist eine Chance, Russland in ein gemeinsames Projekt einzubeziehen. Daraus kann möglicherweise, was die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Russland angeht, mehr werden. Wir sollten die Pirateriebekämpfung als Chance begreifen und für Weiteres nutzen.

Ich habe die Länder aufgeführt, die mitmachen. Das ist praktisch die ganze Weltgemeinschaft. Man muss hinzufügen: die ganze Weltgemeinschaft, minus die Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag,und das, obwohl es um die Bekämpfung organisierter Kriminalität geht, die die Rückgewinnung staatlicher Strukturen erschwert, und obwohl es um den Schutz der Ernährung der somalischen Bevölkerung geht; denn es geht vor allen Dingen um den Schutz der Schiffe des World Food Programme.

Ein letzter Punkt: Die Frage der Strafverfolgung hat auch in der heutigen Debatte und in der Diskussion um das Mandat eine große Rolle gespielt. Der Einsatz wird zweifellos etwas länger dauern. Nachdem sich aber nun alle fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates an dieser Mission beteiligen, sollte es gelingen, einen internationalen Strafgerichtshof zur Verfolgung der Piraterie einzurichten, und zwar einschließlich der dann erforderlichen Strafverfolgung. Ich hoffe, dass die Bundesregierung mit ihren darauf gerichteten Anstrengungen Erfolg hat."