Ruprecht Polenz

Wir fordern Transparenz ein

Rede zum Iran in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am 17. Juni 2009: „Die Lage im Iran nach den Präsidentschaftswahlen“

Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In einer Situation, wie wir sie jetzt über die Fernsehbilder aus dem Iran verfolgen – ich kann mich den Einschätzungen, die Sie, Herr Trittin und Herr Staatsminister, vorgetragen haben, nur anschließen –, bleibt uns, dem Deutschen Bundestag, zunächst die Herstellung internationaler Aufmerksamkeit als wichtige Aufgabe. Deshalb ist es gut, dass es heute diese Aktuelle Stunde gibt. Denn es ist internationale Aufmerksamkeit, die in solchen Situationen dazu führt, die Meinungsfreiheit zu schützen, Rechtfertigungszwänge auszulösen sowie Transparenz einzufordern und herzustellen. Sie erschwert zudem Übergriffe. Es ist kein Wunder, dass die iranische Regierung zuallererst versucht hat, die internationale Berichterstattung zu behindern. Wir müssen also unsere volle Aufmerksamkeit auf die Menschen lenken – das sind wir ihnen schuldig; das ist richtig –, die mit viel persönlichem Mut auf die Straße gehen, um ihre demokratischen Rechte geltend zu machen. Das ist das, was wir tun können, um sie zu unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ­NEN)

Ich habe heute, einer Anregung des Kollegen Klose folgend, mit meinem Amtskollegen Borudscherdi, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im iranischen Parlament, telefoniert und habe ihm gesagt, dass wir heute darüber debattieren, wie wichtig es ist, dass der Iran Demonstrationsfreiheit garantiert, dass er beim Einsatz gegen gewalttätige Übergriffe, die es sicherlich auch vonseiten der Demonstranten gegeben hat, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet, und wie besorgt es uns macht, dass im Schatten der Demonstrationen offensichtlich auch oppositionelle Politiker – so ist die Nachrichtenlage – verhaftet worden sind. Natürlich habe ich gefordert, dass die freie Berichterstattung der ausländischen, aber auch der iranischen Journalisten umgehend wiederhergestellt werden muss und dass für eine transparente Aufklärung der Vorwürfe zu sorgen ist.

Er hat mir dann seine Sicht der Dinge erklärt, nämlich dass in Teheran in der Tat Mussawi gewonnen habe. Seine Anhänger hätten das Teheraner Ergebnis auf das ganze Land hochgerechnet und seien aus Enttäuschung auf die Straße gegangen. Inzwischen haben, so hat er mir berichtet, Gespräche der vier Kandidaten mit dem geistlichen Führer und ein Treffen der Vertreter der vier Kandidaten mit dem Wächterrat stattgefunden. Wichtig und ganz interessant fand ich den Hinweis, dass inzwischen wohl auch das iranische Parlament einen Ausschuss eingerichtet hat, der den Vorwürfen nachgehen soll. Dieser habe mit den Kandidaten Mussawi und Karrubi bereits ein Treffen unter Vorsitz eines der Vizepräsidenten des iranischen Parlaments gehabt. Mit den anderen Kandidaten werde noch gesprochen. Borudscherdi hat mir gesagt, Mussawi habe in diesem Gespräch zum Ausdruck gebracht, das Votum des Wächterrats, wie immer es in zehn Tagen ausfalle, zu akzeptieren.

Das führt mich zu einem wichtigen Punkt, den wir doch festhalten sollten: Wie immer die Wahl verlaufen ist und wie immer die Stimmen ausgezählt worden sind, es war von vornherein keine demokratische Wahl, sondern es war eine arrangierte Wahl. Es durften von über 400 Bewerbern nur vier kandidieren. Die anderen sind in einem sehr intransparenten Verfahren vom Wächterrat von vornherein ausgeschlossen worden. Es wurde auch nicht – das wird inzwischen dankenswerterweise von den Medien der deutschen Öffentlichkeit erklärt – der Mächtigste im Iran gewählt – das ist und bleibt der geistliche Führer –, sondern es ging um die Wahl des Präsidenten. Die ist nicht unwichtig – sonst gingen in Teheran nicht so viele auf die Straße –, aber eben auch nicht entscheidend.

Deshalb bleiben die Themen, die uns und den Iran betreffen, auf der Agenda. Herr Trittin, ich stimme Ihnen zu, dazu gehört nicht nur, aber vor allen Dingen das Nuklearprogramm, dazu gehört die Haltung des Iran zu dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, dazu gehört die Unterstützung der Hamas und der Hisbollah, und dazu gehört natürlich die Lage der Menschenrechte im Land. Bei all diesen Themen hält Chamenei mit seinem Machtapparat den Schlüssel in der Hand. Er ist es, der für Veränderung oder Beharrung sorgen kann. Das muss unsere Politik berücksichtigen. 

Es gibt jetzt die geänderte Strategie von Obama. Ich finde es richtig, dass das Angebot der ausgestreckten Hand aufrechterhalten bleibt, egal wie das Verfahren im Iran ausgeht, und dass Obama nicht den Anschein erweckt hat, er wolle sich in die Auseinandersetzung einmischen. In diesem Zusammenhang habe ich eine Bitte an die Bundesregierung: Solange die Antwort des Iran nicht vorliegt, halte ich persönlich es für kontraproduktiv, öffentlich darüber zu spekulieren oder laut darüber nachzudenken, was wir tun würden, falls der Iran die ausgestreckte Hand der Amerikaner nicht ergreift. Wir sollten jetzt die Geduld haben, abzuwarten, und weiterhin die Entwicklung im Iran aufmerksam verfolgen. Das sind wir den mutigen Frauen und Männern schuldig, die jetzt dort für ihre Rechte kämpfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)