Was haben billige Möbel bei uns mit den überladenen Flüchtlingsbooten vor den europäischen Küsten gemeinsam? Bei der Podiumsdiskussion zur Flüchtlingspolitik in Deutschland gab es dazu am Donnerstagabend im Bürgerhaus in Telgte Antworten. Gleichzeitig wurde deutlich, wie umfassend die Flüchtlingsproblematik in anderen Politikfeldern ihre Ursachen hat und wie schwer es deshalb ist, das Thema an nur einem Abend zu diskutieren.
Größer als erwartet war der Publikumszuspruch, als sie am Donnerstagabend über Flüchtlingspolitik diskutierten: Moderator Andreas Hellgermann, Bernhard Daldrup (SPD), Frithjof Schmidt (Grüne), Jutta Wonnemann (FDP), Ruprecht Polenz (CDU) und Reiner Jenker Der Friedensratschlag, die Weltläden der Kirchengemeinden und der Verein „Zusammen ist besser“ hatten unter dem Titel „Ist das Boot schon voll?“ Bundestagskandidaten der fünf größten Parteien auf das Podium geladen. „Wir beschäftigen uns schon das ganze Jahr mit diesem Thema und wollen auch deshalb darüber reden, weil es sonst niemand tut“, erklärte Andreas Hellgermann vom Friedensratschlag.
Das Publikumsinteresse war jedenfalls größer, als von den Organisatoren angenommen: Der kleine Saal des Bürgerhauses platzte aus allen Nähten. Neben inhaltlichem Interesse wollten sicherlich auch einige Besucher Ruprecht Polenz (CDU), den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, live erleben. Noch am Abend zuvor redete er in Frank Plasbergs Sendung „hart aber fair“ über Afghanistan. Mit ihm diskutierten Bernhard Daldrup (SPD), Reiner Jenker (Linke) und Jutta Wonnemann (FDP), allesamt Direktkandidaten für den Kreis Warendorf, sowie Frithjof Schmidt (Grüne), der auf Listenplatz vier seiner Partei in NRW steht. Im Kreis Warendorf hatten die Grünen die Frist für die Aufstellung eines Direktkandidaten verpasst.
Im ersten Teil des Abends ging es um die politischen Maßnahmen, die im Zusammenhang mit Flüchtlingen in Deutschland getroffen werden. Erstaunt stellte Moderator Hellgermann anschließend fest, dass es einen „relativ großen Konsens“ über die Parteigrenzen hinweg gebe. Alle Parteienvertreter sprachen sich dafür aus, dass die Bleiberechtsregelung ausgeweitet wird. „Wir müssen dafür sorgen, dass es in Deutschland nach humanitären Grundsätzen zugeht“, sagte Bernhard Daldrup. Reiner Jenker war es wichtig, dass die Flüchtlingsproblematik auf europäischer Ebene gelöst wird. Weiterhin sei eine „gerechtere Weltwirtschaftsordnung“ unumgänglich. „Wir müssen uns die schwierige Fragen stellen: Wer soll kommen? Wie viele können wir aufnehmen?“, so Ruprecht Polenz. Frithjof Schmidt sagte, dass Deutschland, gemessen an der Bevölkerungszahl und Reichtum, im Vergleich zu anderen Industrieländern viel zu wenig für die Flüchtlinge tue. Schon einen Schritt weiter dachte Jutta Wonnemann: „Die bürokratischen Hürden zur Einstellung von ausländischen Arbeitskräften ist zu hoch.“
Im zweiten Teil der Podiumsdiskussion sprachen die Politiker über die Ursachen für die Flüchtlingsströme. Hier wurde deutlich, wie umfassend die Flüchtlingsproblematik mit Wirtschaftsstrukturen und geopolitischen Handlungen verwoben ist. „Machthaber in Afrika werden bestochen, um günstig Holz schlagen zu können“, sagte Frithjof Schmidt. Und so seien erst die günstigen Möbel in Europa möglich.
Artikel VON IVZ, TOBIAS CHMURA, TELGTE