Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Wir debattieren über zwei Anträge von Oppositionsfraktionen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Wir haben gerade von Herrn Gysi gehört, dass die Fraktion Die Linke – ihr Antrag ist genauso wie seine Rede – im Grunde antiamerikanische Reflexe abarbeitet. Es wird kein Wort zur Bedrohung durch den Iran verloren.
Herr Gysi, diese Bedrohung wird mit einer Handbewegung abgetan. Ich kann mich noch an Ihre Miloševic-Apologien erinnern. Das war nicht viel anders als das, was Sie hier gerade geliefert haben.
Ich möchte nur auf Folgendes hinweisen – vielleicht liest nicht jeder Ihren Antrag –: Sie lehnen in diesem Antrag sogar jegliche Sanktion gegen den Iran ab. Die Linke lehnt also alle Möglichkeiten ab, etwas mit einem gewissen Druck – auch gegen den Willen des Iran – zu erreichen. Einen besseren Weg zum Misserfolg kann man sich nicht vorstellen.
Ganz anders ist der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, beschreibt er die Politik der Bundesregierungen: Unsere Iranpolitik zeichnet sich durch Kontinuität aus. Das ist aus meiner Sicht eine gute Grundlage für das Parlament, diese Iranpolitik auch in Zukunft mit breiter Übereinstimmung zu begleiten.
Was ist die Rolle der Bundesregierungen? Ich wiederhole ausdrücklich: Diese Politik zeichnet sich durch Kontinuität aus. Wir setzen auf eine diplomatische Lösung. Frau Merkel, die Bundeskanzlerin, hat klar gesagt: Ich schließe eine militärische Lösung aus; ich will eine Verhandlungslösung, und zwar einfach deshalb, weil eine militärische Lösung natürlich keine Lösung wäre. Wir haben daran gearbeitet, internationale Geschlossenheit zu erreichen. Es ist eine UN-Sicherheitsratsresolution entstanden, der China, Russland, die USA und die Europäer zugestimmt haben. Dazu ist es nicht von allein gekommen.
Dazu geführt haben auch Anstrengungen der Bundesregierung. Ich möchte für die deutsche Politik ebenfalls in Anspruch nehmen: Wir haben auch Veränderungen im amerikanischen Politikansatz bewirkt. Die Amerikaner waren am Anfang noch gar nicht bereit, auf das zweite Gleis unserer Politik zu setzen, nämlich auf unsere Verhandlungs- und Kooperationsangebote. Die Amerikaner haben früher nur auf Druck gesetzt. Sie sind jetzt bereit, zu versuchen, den Iran auch mit Angeboten davon zu überzeugen, von seinem Weg abzulassen.
Übrigens, Herr Gysi, die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert heute – vielleicht auch zu Ihrer Beruhigung und damit Sie sich nicht länger gegen virtuelle Albträume verteidigen – den obersten General der US-Streitkräfte, Peter Pace: Er schließt einen Angriff auf den Iran kategorisch aus. Erzeugen Sie hier also keine virtuellen Papiertiger, nur um auf diese dann umso heftiger einprügeln zu können.
Die amerikanische Politik macht in diesen Tagen – auch das möchte ich an dieser Stelle gerne sagen – einen weiteren bedeutenden Schritt in die Richtung, die die Baker/Hamilton Kommission empfohlen hat und die auch wir, ausweislich unserer letzten Debatten, gerne gesehen hätten, vielleicht ein bisschen eher; jetzt kommt sie. Die Amerikaner werden an zwei Irakkonferenzen teilnehmen, an denen sämtliche Nachbarn des Irak teilnehmen, also auch Syrien und der Iran. Ich kann nur hoffen, dass in den Kaffeepausen auch noch über andere Dinge gesprochen wird als nur über die Fragen, die den Irak unmittelbar betreffen.
Wie sieht unser Lösungsansatz aus? Wir wollen ein zweigleisiges Vorgehen. Wir wollen auf der einen Seite natürlich allmählich Druck aufbauen. Dieser Druck soll aber maßvoll, verhältnismäßig, genau gezielt und, was wichtig ist, auch reversibel sein. Wir wollen auf der anderen Seite Iran mit einem Verhandlungs- und Kooperationsangebot – es liegt weiterhin auf dem Tisch – einladen, seine Wirtschaft zu entwickeln, die Technologie voranzubringen und eine Energiepartnerschaft mit Europa einzugehen. Auch auf dem Gebiet der Kernenergie haben wir Kooperationen angeboten. Die Nutzung der Kernenergie ist aus iranischer Sicht natürlich eine wichtige Ressource, die die Iraner in der Zukunft nutzen wollen.
Aber der Iran muss wählen. Er muss wählen, ob er das Kooperationsangebot annimmt oder ob er – das ist im Moment leider noch der Fall – durch Ablehnung der Forderung, die die internationale Staatengemeinschaft an ihn gerichtet hat, den Weg in die Selbstisolierung fortsetzt.
Jetzt ein Wort zur Gefährlichkeit der Krise, Herr Gysi. Die liegt in ganz anderen Punkten als denen, die Sie angesprochen haben. Weil es keine Klarheit über das iranische Nuklearprogramm gibt und weil wir beobachten müssen, wie der Iran eine Raketenrüstung mit immer weiter reichenden Raketen betreibt –
Zwischenfrage Dr. Norman Paech (DIE LINKE):
Herr Kollege Polenz, es ist Ihre ständige Redensart, dass man den Druck erhöhen muss, dass man Sanktionen maßvoll, verhältnismäßig verhängt. Sie werden aus der Vergangenheit wissen, dass der Iran auf die Sanktionen, die jetzt zum zweiten Mal beraten werden, nicht reagieren wird, weil er keinen Anlass dazu sieht. Dann kommen die dritten und vierten Sanktionen. Wann sind Sie bereit, auszusteigen, damit es nicht zu den letzten Sanktionen kommt, die dann zweifelsohne – das werden die Amerikaner verlangen – militärisch sein müssen?
Ruprecht Polenz:
Herr Paech, ich habe viel übrig für Schachspielen und für die Versuche, sozusagen zwei, drei oder fünf Züge vorauszudenken. Aber Sie haben übersehen, dass im Iran bereits nach dem ersten Zug – vielleicht war es in der Auseinandersetzung auch der fünfte oder sechste –, der letzten Sicherheitsratsresolution, die ja einstimmig ergangen ist, sehr wohl Reaktionen zu beobachten sind, die so nicht unbedingt zu erwarten waren und die Sie ausweislich Ihrer Zwischenfrage schon gar nicht erwartet hätten.
Es gibt jetzt eine offene Kritik aus den zugelassenen iranischen Fraktionen und Parteien an der iranischen Nuklearpolitik. Die Frage, ob der Weg, den die iranische Regierung hier eingeschlagen hat, weitergegangen werden oder ob man ihn korrigieren soll, wird offen diskutiert. Natürlich merkt die Bevölkerung mittlerweile, dass der iranische Präsident Ahmadinedschad diesen Konflikt und seine Rhetorik in diesem Konflikt immer wieder einsetzt, um sie zu vertrösten, wenn sie ihn nach der Erfüllung seiner Wahlversprechen fragt, wenn sie ihn fragt, warum die Tomatenpreise steigen, und wenn sie ihn fragt, warum die Arbeitslosigkeit immer noch so hoch ist. Das ist das Problem, vor dem die iranische Gesellschaft tatsächlich steht. Immer mehr Iraner erkennen, dass die Politik ihrer Regierung zur Lösung der Fragen, die ihnen auf den Nägeln brennen, nichts, aber auch gar nichts leistet, dass aber ein Eingehen auf das westliche Kooperationsangebot dazu sehr wohl geeignet wäre.
Ich bin ganz sicher: Wir müssen mit Geduld und Festigkeit die doppelte Strategie fortsetzen, auf der einen Seite, wie ich schon gesagt habe, den Druck maßvoll erhöhen – das muss jetzt sicherlich kommen, nachdem die erste Resolution keine Beachtung gefunden hat –, wiederum geschlossen, wiederum mit Russland, wiederum mit China – das war das, was die Iraner am meisten überrascht hat –, und auf der anderen Seite gleichzeitig deutlich machen: Das Kooperationsangebot liegt auf dem Tisch. Vor dem Hintergrund der beiden Konferenzen im Irak ist auch klar, dass der Weg, wenn es Richtung Kooperation geht, zu Sicherheitsvereinbarungen führen kann. Dann sind wir in einer Bewegung – ähnlich wie das bei den Nordkoreagesprächen der Fall war –, die zu einer Lösung führen könnte, wie das auch in dem Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen, der sich von Ihrem, Herr Paech, wirklich um Welten unterscheidet, aufgezeigt worden ist.
Zwischenfrage Dr. Norman Paech (DIE LINKE):
Herr Kollege Polenz, Sie haben mir zwar Ihren Optimismus erklärt, was die Wirksamkeit Ihrer Sanktionsspirale angeht, aber Sie haben mir nicht die Frage beantwortet: Wann werden Sie aussteigen, wenn diese Ihre Hoffnungen nicht erfüllt werden? Dazu verweise ich auf die vergangenen Erfahrungen.
Dazu wird es einmal kommen. Sind Sie bereit, dann auszusteigen? Wann wird das sein?
Ruprecht Polenz:
Lieber Herr Paech, ich komme noch einmal auf das Bild vom Schachspiel zurück. Ich bin kein besonders guter Schachspieler, aber ich würde wahrscheinlich jede Partie gewinnen, wenn mir mein Gegenüber seinen jeweils nächsten Zug verraten würde.
Jetzt zur Gefährlichkeit der Krise. Iran betreibt ein Hegemoniestreben in der Region. Nach dem Sturz Saddam Husseins und dem Sturz der Taliban in Afghanistan versucht er, die schiitische Mehrheit im Irak und die Hisbollah im Libanon für dieses Bestreben zu nutzen.
Herr Gysi, das, was Sie zu den Sicherheitsgarantien für Israel gesagt haben, wirkt schon ein bisschen hohl, wenn man bedenkt, dass der Iran ständig Öl in die Flamme des Nahostkonflikts gießt. Alle Welt sagt: Wenn es eine Lösung geben wird, dann ist es eine Zweistaatenlösung. Es gibt eine Ausnahme: Iran sagt, es solle einen Staat geben, in dem alle entscheiden, die dort jetzt wohnen. Das würde natürlich das Ende von Israel und das Ende eines jüdischen Staates bedeuten. Kein Wort von Ihnen dazu!
Kein Wort von Ihnen dazu, dass der Iran die Hamas und den islamischen Dschihad unterstützt! Kein Wort zur Holocaustkonferenz! Zur Rhetorik Ahmadinedschads haben Sie mehr oder weniger gesagt, wir seien uns alle einig, wie schlimm sie sei; man müsse das gar nicht näher kritisieren.
Herr Gysi, Sie hätten sogar Anlass gehabt, eine Bemerkung von ihm zu kommentieren, die er heute gemacht hat: Er hat die Zionisten als „eine Personifizierung des Satans“ bezeichnet. Er legt also ständig nach. Jetzt kommt der entscheidende Punkt, der die Sache so gefährlich macht: Wenn wir nicht wissen, was Iran im Schilde führt, wissen es die Länder der Region auch nicht. Sie stehen vor der Frage: Sollen wir so lange warten, bis wir Gewissheit haben – wie Pakistan und Indien, die sich damals sozusagen gegenseitig überrascht haben; sie haben mit den ersten Nukleartests ungefähr gleichgezogen –, oder verlassen wir uns darauf, dass die Anstrengungen irgendwie doch noch dazu führen, dass das iranische Atomprogramm friedlich bleibt? Das heißt, wir sind schon jetzt in einer Situation, in der potenziell ein atomares Wettrüsten in der Region einsetzen kann. Da sagen Sie, dass Sie keine Sanktionen wollen, dass wir warten sollten.
– Ja, ja. Herr Gysi, Sie haben auch gesagt: Keine Sanktionen! Daher ist die Frage, wie es jetzt weitergeht. Ich denke, in absehbarer Zeit wird es eine neue Resolution des Sicherheitsrats geben, die die Sanktionen an der einen oder anderen Stelle maßvoll und ebenso zielgerichtet verstärken wird. Es wird auch zu einer Bekräftigung des Angebots auf Kooperation kommen. Das alles geschieht vor dem Hintergrund der Irakkonferenz, die in Aussicht ist. Dort werden die Vereinigten Staaten gemeinsam mit Teheran und Damaskus an einem Tisch sitzen. Die Konferenz birgt wirklich die Chance, diese gefährliche Krise Schritt für Schritt zu entschärfen, wenn sie nicht noch – das muss man gerade im Hinblick auf Irakkonferenzen im Hinterkopf haben – von Extremisten torpediert wird. Man kann erst aufatmen, wenn die Konferenz im Gange ist.