Ruprecht Polenz

"Obama kann durchaus erfolge aufweisen"

Ruprecht Polenz im Interview mit der Frankfurter Rundschau, vom 6.9.2012

Herr Polenz, vor vier Jahren wurde Barack Obama in Europa wie ein Messias gefeiert. Haben sich die Erwartungen erfüllt?

Hätten die Deutschen damals mit abstimmen können, dann hätte Obama hier zu Lande vermutlich 80 Prozent der Stimmen erhalten. Auch viele Außenpolitiker waren angetan von dem Kandidaten. Er hatte überfällige Richtungsänderungen in Aussicht gestellt: Mehr Multilateralismus, einen respektvollen Umgang mit der arabischen Welt, einen Neustart in den Beziehungen zur Russland, um nur einige Punkte zu nennen. Vier Jahre später kann Obama durchaus Erfolge aufweisen, auch wenn sich nicht alles so entwickelt hat, wie das damals gewünscht war. Das Verhältnis des Westens zu Russland etwa ist derzeit nicht frei von Spannungen.

Konnte Obama seinen Ansprüchen gerecht werden?
Das grundsätzliche Problem war schon im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf absehbar: Mit Obama waren Erwartungen verbunden, die er selbst bei einem optimalen Verlauf nie hätte einlösen können. Eine einzelne Person, ein einzelnes Land kann nicht die gesamte Weltpolitik in eine neue Richtung lenken. Dafür ist dieses System viel zu komplex.

Waren die vergangenen vier Jahre eine gute Zeit für die transatlantischen Beziehungen?
Ich denke, dass sich die Zusammenarbeit in dieser Zeit bewährt hat. Nicht nur in der Außen- und Sicherheitspolitik, wie zum Beispiel in Afghanistan. Sondern auch bei der Bekämpfung der Finanzkrise. Ungeachtet aller unterschiedlicher Interessen ist es doch bemerkenswert, dass es bisher gelungen ist, ein Auseinanderdriften der Positionen zu vermeiden. Die Beziehungen zwischen Europa und den USA sind gut. Obama hat seinen Teil dazu beigetragen.

Wie ist das persönliche Verhältnis Obamas zu europäischen Staatslenkern wie Angela Merkel, François Hollande oder David Cameron?
Aus eigener Anschauung kann ich das nicht beurteilen. Aber berücksichtigt man die zahlreichen Gesprächskontakte, die die Staats- und Regierungschefs haben, und betrachtet man die Aufnahmen, die bei solchen Gelegenheiten entstehen und eine eher positive Stimmung transportieren, so würde ich sagen: Auch das persönliche Verhältnis stimmt.

Wäre Obamas republikanischer Herausforderer Mitt Romney ein Garant für Kontinuität ?
Davon würde ich ausgehen. Auch Romney weiß, dass in einer sich verändernden Welt mit vielen neuen Kraftzentren gemeinsamen Werte, eine gemeinsame Geschichte und gemeinsame Interessen eine ganz wichtige Klammer zwischen den USA und Europa sind. Romney ist sich bewusst, dass man diese Beziehung pflegen muss, weil sie für beide Seiten vorteilhaft ist.

Was macht Sie da so sicher?
Jeder amerikanische Präsident geht primär von der Interessenlage seines Landes aus. Das ist auch seine Aufgabe. Romney hat darüber hinaus den Vorteil, dass er Europa und Deutschland ganz gut kennt. Er war schon mehrfach hier, und zwar durchaus auch für länger Zeit.

Sie befürchten also nicht, dass Obama der letzte US-Präsident ist, der den Beziehungen zu Europa eine überragende Bedeutung beimisst?
Nein. Wir sehen zwar, dass sich Amerika verstärkt der Pazifik-Region zuwendet. Aber eine Abkehr von Europa ist das nicht. Es liegt auch im Interesse Europas, dass sich die Amerikaner verstärkt um Asien kümmern. Wir selbst tun das ja übrigens auch.

Das Gespräch führte Thorsten Knuf.